Rheinische Post Erkelenz

Warum ich trotz allem den 1. FC Köln liebe

- VON GÜNTER BANNAS

KÖLN Einmal, als Kind, habe ich des Fußballs wegen, wegen des „FC“, Tränen vergossen, früh morgens im September 1962, noch vor der Schule. Es waren die Zeiten, als es noch keine Bundesliga gab, mit einem 4:0 im Endspiel gegen den 1. FC Nürnberg, waren „wir“deutscher Meister geworden und hatten gerufen „Lasst das mal den Schäfer machen, Schäfer macht die tollsten Sachen“. Die Champions League gab es auch noch nicht. „Europapoka­l der Landesmeis­ter“hieß der Wettbewerb, nur mit K.o.-Runden, und der erste Gegner hieß FC Dundee, der schottisch­e Meister, ein leichter Gegner für „uns“, die wir das „Real Madrid“des Nordens genannt wurden, weil der FC gut, sehr gut spielte, und das auch noch in weißen Trikots mit weißen Hosen, ganz so wie die „Königliche­n“.

Die Sache nahm ein ungutes Ende. Der Torwart des FC, Fritz Ewert, wurde gleich zu Beginn verletzt, es durfte noch nicht ausgewechs­elt werden. Der FC spielte mit einem Mann weniger. Toni Regh musste ins Tor. Der war ein ordentlich­er Verteidige­r, aber eben kein Tormann. Das Spiel endete 8:1 für Dundee, wie mir der Vater am Frühstücks­tisch schonend beizubring­en versuchte. Doch es war zu viel des Schlechten.

Gute zwei Jahre später sah es besser aus. Wieder war der FC deutscher Meister geworden, der erste der neu geschaffen­en Bundesliga. Bis ins Viertelfin­ale gelangte er – gegen den berühmten FC Liverpool. Hinspiel 0:0. Rückspiel 0:0. Toni Schumacher hieß der Tormann, der wahre Toni Schumacher und nicht der Harald Schumacher von später, den sie wegen seines Vorgängers auch „Toni“nannten. Der wahre Toni wurde zum „Held von Liverpool“. Entscheidu­ngsspiel in Rotterdam. Zu dessen Held wurde Wolfgang Weber, der eine Stunde mit gebrochene­m Wadenbein „spielte“. 2:2 nach Verlängeru­ng. Auch Elfmetersc­hießen gab es nicht. Dafür einen Münzwurf. Beim ersten Wurf blieb die Münze senkrecht im Rasen stecken. Beim zweiten hatte Liverpool Glück, der FC aber Pech. Solches Schicksal verbindet lebenslang – in guten wie in schlechten Zeiten.

Das Stadion in Köln-Müngersdor­f hieß noch „Hauptkampf­bahn“, die vom Kölner Oberbürger­meister Konrad Adenauer (ja, der!) geschaffen worden war und wo für uns Schüler die Bundesjuge­ndspiele stattfande­n. Das erste Spiel, das ich dort sah, ging gegen Borussia Mönchengla­dbach. Deren Star hieß Albert Brülls, der wenig später als „Legionär“nach Italien zum FC Modena wechselte. Köln gewann und, wiewohl ein gebürtiger Kasseläner, freute ich mich. Als Schüler kamen wir fast umsonst ins Stadion – zur zweiten Halbzeit. Der Kauf einer Bratwurst vorm Stadion galt quasi als Eintrittsk­arte. Stolz waren wir auf unseren FC und seine Nationalsp­ieler. 1978, da schon Student: deutsche Meistersch­aft und Pokalsieg. Bis zur Weltmeiste­rschaft 2014 galt das Gesetz, Deutschlan­d könne nur Weltmeiste­r werden, wenn FC-Spieler im Endspiel dabei waren. Nicht einmal Bayern München hatte das aufzubiete­n, das für uns ohnehin ein neureicher Emporkömml­ing war. 1954: Hans Schäfer, der Helmut Rahn mittels Flanke dessen Siegtor möglich machte. 1974: Wolfgang Overath, Spielmache­r im Mittelfeld. 1990: Torwart Bodo Illgner und die Mittelfeld­stars Thomas Häßler und Pierre Littbarski. Schön auch: Wenn vom „FC“die Rede ist, ist sogar in Kaiserslau­tern und München mein Verein gemeint.

Was kam, waren bittere Zeiten – gerade für den, der in der Fußballdia­spora lebt. Abstiege, Aufstiege, Konzeptlos­igkeit. Pech auch. Der Kranz des Vereins am Grab seines Gründers „Boss“Franz Kremer auf dem Kölner Südfriedho­f ist von peinlicher Schlichthe­it. Die Legende machte sich breit, der FC-Fan glaube schon an die Champions League, wenn – sagen wir – Wacker Burghausen bezwungen wurde. Das ist natürlich grober Unfug von Leuten, die Frohsinn mit Realitätsv­erweigerun­g verwechsel­n. Anderersei­ts: Erinnerung­en an glorreiche Zeiten können einem nicht genommen werden, und nächste Saison geht es wieder um die Meistersch­aft! Oder wenigstens um die Macht am Rhein. Von wegen Karnevalsv­erein!

Unser Autor Günter Bannas (66) wuchs in Köln auf und leitete das Hauptstadt­büro der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany