Feind im eigenen Land
Eine liberale Elite-Universität ist zum Hassobjekt der Anhänger von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán geworden – und die Studenten zum Ziel ihrer Angriffe.
sich Orbán nun milde zeigt. „Er hat selbst einmal gesagt, dass er einen Pfauentanz aufführt, wenn er mit den Europäern verhandelt“, sagt er. Der ungarische Pfau plustert sich auf und beobachtet wie Brüssel auf seine Provokationen reagiert. Bekommt er Gegenwind, gibt er ein Stück nach. Wenn niemand mehr hinschaue, setze Orbán dann mit einiger Kosmetik vielleicht um, was er ursprünglich wollte, sagt der Professor.
Orbán sei es gelungen, das perfekte Modell einer mit der EU kompatiblen autoritären Herrschaft zu entwickeln. „Er verteilt EU-Gelder als Wohltaten, und weil Ungarn in der EU ist, gilt das Land als Demokratie“, sagt er. Wer unzufrieden sei, der gehe dank der offenen Grenzen nach Berlin oder Wien, anstatt aufzubegehren. Das Modell Orbán lebe von Mobilisierung gegen Feindbilder. „Er muss regelmäßig eine neue Gefahr präsentieren, damit jede Wahl als eine Frage des Überlebens der Nation erscheint. Und nur Orbán ist der Retter. Vielleicht ist er vor den Europawahlen damit zu weit gegangen“, sagt Miklosi. Deutschland könnte dieser Strategie nun Grenzen aufzeigen, indem es den Erhalt der CEU in Budapest zur roten Linie erklärt. Das sei im deutschen Interesse, ist Miklosi überzeugt. „Sonst macht Ungarn überall in Europa Schule“, sagt Miklosi.
Die Soros-Verschwörung hat regierungsnahen Medien zufolge neben der CEU noch einen zweiten Stützpunkt in Budapest: Ein Gebäude mit rußgeschwärzter Fassade beherbergt an der Auróra-Straße im achten Bezirk ein alternatives Kulturzentrum. Die jüdische Jugendorganisation Marom betreibt den Treffpunkt. Ein paar alte Sofas, Klappstühle und Tische belegen den Innenhof des „Auróra“. Das Publikum trägt bunte Schals, dreht sich Zigaretten selbst und trinkt „Club Mate“. Es scheint, als hätte ein Schwarzes Loch eine übliche Kreuzberger Kneipe verschluckt und in Budapest ausgespuckt. Die Budapester Fidesz-Verwaltung hatte noch nie etwas übrig für Subkultur. Sie warf den Vorgänger des Auróra 2012 aus einem städtischen Gebäude. Marom mietete sich daraufhin bei einem privaten Eigentümer ein, um nicht mehr von der Stadtverwaltung abhängig zu sein. Aber jetzt könnte dem Auóra zum Verhängnis werden, dass das Kulturzentrum für seinen Neuanfang auch Geld der Soros-Stiftung „Open Society Foundation“in Anspruch nahm.
Adam Schonberger berichte von Schikanen und Angriffen. So drehte die Stadtverwaltung dem Zentrum bereits im Sommer 2017 nach 22 Uhr den Zapfhahn zu, aufgrund angeblicher Klagen wegen Ruhestörung, die sich aber von der Behörde nicht belegen ließen. Sie nahm dem Zentrum damit einen Großteil seiner Einnahmen. Und dann nahmen die regierungsfreundlichen Medien das Auróra ins Visier und machten es zum Hassobjekt für rechte Trolle. „Sie nennen uns das Drogenzentrum von George Soros“, sagt Schonberger. Und in jedem Bericht werde erwähnt, dass das „Auróra“von Juden betrieben wird. Schonberger hält Viktor Orbán nicht für einen Antisemiten. Aber er sieht in ihm einen Politiker, der keine Skrupel hat, die rund 90.000 Juden in Ungarn für seine politischen Ziele zu opfern.