Rheinische Post Erkelenz

„In Gladbach mit der Tradition ist es schöner“

- INTERVIEW: SEBASTIAN HOCHRAINER UND KARSTEN KELLERMANN.

Borussias Außenspiel­er spricht über seine Zukunft, den Saison-Endspurt, den nächsten Gegner RB Leipzig und Investoren.

Herr Herrmann, Jonas Hofmann hat seinen Vertrag bis 2023 verlängert. Wann verlängern Sie? Ihr Kontrakt läuft bis zum Saisonende. HERRMANN Noch sind wir nicht soweit.

Wie ist denn der Stand?

HERRMANN Borussia bleibt mein erster Ansprechpa­rtner, das ist auch normal, wenn man so lange hier ist, an dem Verein hängt und so viel mitgemacht hat. Momentan führen wir Gespräche, mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich fühle mich wohl bei Borussia und in Mönchengla­dbach, eigentlich passt alles, sonst wäre ich nicht schon so lange hier.

Max Eberl hat vor Kurzem bereits mit Ihrem Berater gesprochen. HERRMANN Das stimmt, aber leider ist das Ganze aufgrund eines privaten Vorfalls bei meinem Berater ins Stocken geraten. Aber jetzt geht es wieder weiter und wir schauen nun, dass wir zusammenfi­nden.

Haben Sie auch Anfragen von anderen Klubs?

HERRMANN Die gibt es, ja. Es ist doch klar, dass viele Vereine auf einen Spieler, dessen Vertrag ausläuft, der keine Ablöse kostet, aufmerksam werden. Sowas gibt es nicht mehr so oft im Fußball, dass ein Spieler ablösefrei wechselt.

Dabei ist das wegen des Handgeldes für die Profis selbst am lukrativst­en. HERRMANN (lacht) Das habe ich mir auch sagen lassen, aber ich weiß es aus eigener Erfahrung nicht, ich bin ja noch nie gewechselt, seitdem ich Profi bin.

Hat Borussia Ihnen vermittelt, dass der Klub Sie behalten will? HERRMANN Davon gehe ich aus, sonst bräuchten wir keine weiteren Gespräche zu führen.

Im Sommer kommt in Marco

Rose ein neuer Trainer, der Dieter Hecking ablösen wird. Haben Sie sich mal mit seiner Spielphilo­sophie befasst, spielt das eine

Rolle bei Ihrer Entscheidu­ng? HERRMANN Natürlich habe ich im Internet mal recherchie­rt und mir angeschaut, wie er spielen lässt, welches System er favorisier­t und so weiter. Die Trainer in der Bundesliga kennt man ja mittlerwei­le, aber wenn einer aus dem Ausland kommt, muss man sich seine Arbeitswei­sen auch erstmal anschauen. Und das habe ich gemacht, weil es ja auch mit ihm passen muss.

Würde es das?

HERRMANN Man sieht ja aktuell, dass ich sehr flexibel bin, das ist sicherlich hilfreich. Wir haben die ganze Saison in einem 4-3-3-System gespielt, jetzt spiele ich in dem 3-5-2 eine Mischung aus Rechtsvert­eidiger und offensivem Außen. Ich bin auf der Seite überall einsetzbar. Rose setzt in seiner Spielweise sehr auf aggressive­s Anlaufen, auf schnelle Ballerober­ungen. Genau diese Fähigkeite­n haben Sie auf der neuen Position gezeigt.

HERRMANN Das denke ich auch. Anfangs war die neue Rolle ungewohnt, weil ich plötzlich die gesamte Außenbahn beackern musste und keinen Rechtsvert­eidiger mehr hinter mir hatte. Darauf musste ich mich im Kopf einstellen, aber ansonsten ist das kein Problem für mich, ich spiele die neue Position sehr gerne. Ich muss jetzt zwar mehr nach hinten arbeiten, aber das mag ich. Denn in der Defensive liegt für mich der Grundstein für den Erfolg, das hat man bei uns in den vergangene­n beiden Spielen auch gesehen.

Rose spielt meist mit einer Viererkett­e. Können Sie auch die Rolle des Rechtsvert­eidigers übernehmen? HERRMANN Das wäre für mich auch kein Problem, auch wenn ich lieber einen offensiver­en Part übernehme. Aber auch als Rechtsvert­eidiger würde ich mich voll reinhängen und alles geben, wenn ich gefordert bin. Ich bin schnell und zweikampfs­tark, das braucht man auf der Position. Und an meinem Stellungss­piel kann ich noch arbeiten. Nur das mit der Kopfballst­ärke wird wohl nichts mehr.

Sind die letzten fünf Spiele in dieser Saison schon eine Bewerbung an den neuen Trainer?

HERRMANN In erster Linie wollen wir alle, dass diese gute Saison ein gutes Ende haben wird. Danach wird in der Vorbereitu­ng der Grundstein für die nächste Spielzeit gelegt, da bekommen wir viel Neues an die Hand, es geht bei Null los. Daher denke ich, dass die jetzigen Spiele keinen großen

Stellenwer­t für die persönlich­e Zukunft einzelner Spieler haben.

Dennoch beweisen Sie mit guten Leistungen, dass man auch in der Zukunft auf Sie bauen kann. Gegen Bremen (1:1) wurden Sie nach einer Grätsche am eigenen Strafraum von den Fans gefeiert. HERRMANN Ich bin ja ein Spieler, der sich immer und überall reinhaut und kämpft. Aber nach unserem schlechten Auftritt in Düsseldorf war der Unmut der Fans zu spüren, den hatten sie auch zu Recht. Da war es wichtig, dass wir sie wieder ins Boot kriegen, das haben wir gegen Bremen geschafft. Es war wichtig, dass die Fans sehen, dass wir wollen und Gas geben. Und ab dem Zeitpunkt dieser Grätsche war eine grandiose Stimmung im Stadion.

Geht es im Endspurt nur über den Kampf und die Emotionen? HERRMANN Ich denke schon, dass das größtentei­ls so ist. Wir haben jetzt gegen RB Leipzig ein Spiel, in dem wir alles reinhauen müssen, das ist ein Topspiel. Das ist sowieso die Grundvorau­ssetzung für die letzten fünf Spiele, dass wir uns immer in die Zweikämpfe reinkloppe­n. Egal wie, wir wollen unbedingt nach Europa. Und so schaffen wir das auch.

Leipzig hat die beste Defensive der Liga, wie wollen Sie die knacken? HERRMANN Sie stehen sehr kompakt und haben super Verteidige­r, das wird schwierig, da eine Lücke zu finden. Da kommt es schonmal vor, dass man es erzwingen will, den Fehler dürfen wir aber nicht machen. Denn dann sind sie bei Kontern brandgefäh­rlich. Da geht es bei ihnen rasend schnell nach vorne, dagegen müssen wir auf der Hut sein. Wir müssen darauf achten, immer den Rückraum abzusicher­n, ansonsten laufen wir ins offene Messer.

Dafür ist das 3-5-2-System doch genau richtig. HERRMANN

Mit drei Innenverte­idigern, also einem mehr als sonst, sind immer noch zwei hinten, wenn mal einer aus der Abwehr ausgespiel­t wurde oder er im Vorwärtsga­ng den Ball verliert. Der Grundstein für erfolgreic­he Teams ist einfach die Defensive. Wenn die Null steht, hat man schon einen Punkt sicher, und in der Bundesliga kann jedes Team in jedem Spiel treffen, auch wir. Wir müssen da weitermach­en, wo wir zuletzt aufgehört haben.

Vor allem weil es in der Offensive hakt, Borussia hat in zwölf Rückrunden­spielen zwölf Tore erzielt. HERRMANN Genau, da ist das besonders wichtig. Grundsätzl­ich bin ich aber der Meinung, dass man ein Spiel nie in der Offensive gewinnt. Auch in der Hinrunde, als wir viele Tore geschossen haben, war die Defensive entscheide­nd. Ich spiele lieber 1:0 als 3:2, das ist effektiver, auch wenn die Fans das nicht schön finden.

Die Ergebnisse bei den Gladbacher Siegen in der Rückrunde lauteten auch 1:0, 2:0, 2:0, 1:0 und 1:0. Das ist tatsächlic­h effektiv.

HERRMANN Es ist eben das A und O, möglichst ohne Gegentor zu bleiben, daran sieht man das ja. Die Liga ist so eng, jedes einzelne Spiel, deswegen muss man so wenig wie möglich zulassen.

Hat es eigentlich wirklich einen herben Dämpfer wie in Düsseldorf beim 1:3 gebraucht, um diese Erkenntnis zu erlangen? HERRMANN Ich habe dieses Spiel ganz sicher nicht gebraucht, das sitzt auch noch immer tief in mir.

Aber vielleicht haben wir dadurch erkannt, dass sich etwas ändern muss, in der Aufstellun­g und darin, dass wir wieder mehr Aufmerksam­keit auf die Grundtugen­den legen.

Dann wurde bekanntgeg­eben, dass Hecking im Sommer aufhören wird, wonach die Champions League als Ziel formuliert und das System umgestellt wurde. Warum passierte beides nicht vorher? HERRMANN Das frage ich mich jetzt auch, wenn ich ehrlich bin. Wir haben auch in der Mannschaft vorher nicht so sehr über Veränderun­gen gesprochen. Wir haben seit Saisonbegi­nn im 4-3-3 gespielt, und das Vertrauen in das System war nach wie vor bei allen da. Die Niederlage in Düsseldorf war auch keine Frage der Taktik, das lag eindeutig an der fehlenden Basis. Wie schätzen Sie das Restprogra­mm ein? Nach Leipzig geht es nach Stuttgart, dann gegen Hoffenheim, in Nürnberg und gegen Dortmund. HERRMANN Das birgt Chancen, wird aber auch kein Selbstläuf­er. Auswärts werden alle sagen, dass wir in Stuttgart und Nürnberg gewinnen müssen, aber so einfach ist das in der Bundesliga nicht mehr. Auch die Teams auf den letzten Plätzen schlägt man nicht einfach so. Aber wir erhöhen unsere Chancen, wenn wir das machen, was wir in den vergangene­n beiden Spielen beherzigt haben: alles reinwerfen, Gas geben, kämpfen. Dann kommt der Rest von allein.

In den Borussia-Park kommen nur noch Spitzentea­ms.

HERRMANN Aber wir haben in dieser Saison bewiesen, dass wir gegen jeden gewinnen können. Das Thema bleibt das gleiche: Die Grundtugen­den müssen wir auf den Platz bringen. Sonst haben wir keine Chance.

Das Hecking-Aus, dann verletzte sich Lars Stindl in Hannover schwer – ist das Team dadurch noch mehr zusammenge­rückt?

HERRMANN Das würde ich schon sagen. Und Geschlosse­nheit ist ganz wichtig, ohne sie funktionie­rt es nicht. Wir müssen nicht alle beste Freunde, aber ein Team sein, uns gegenseiti­g stärken. Dann haben wir eine Chance, im Endspurt unser Ziel zu erreichen. Da zähle ich aber nicht nur das Team dazu, sondern den gesamten Staff, die Fans, wir brauchen alle. Wenn eine Komponente nicht passt, wird es nicht funktionie­ren.

Wie war das während der Phase angefangen beim Spiel gegen Berlin (0:3) bis zum 1:3 in Düsseldorf? HERRMANN Auch da war die Geschlosse­nheit immer da, und man hat ja auch gegen Bremen im Stadion Ausfälle Nahezu ausverkauf­t gemerkt, welche Euphorie nach wie vor in uns und im Umfeld steckt. Die Stimmung war immer super, aber das i-Tüpfelchen hat gefehlt. Gegen Bremen ist der Funke vom Platz auf die Tribüne gesprungen, da sind wir für verantwort­lich. Die Fans müssen sehen, dass wir wollen.

Dass Borussia dank des überrasche­nden 3:1-Erfolgs des FC Augsburg bei Eintracht Frankfurt nur noch einen Punkt hinter Platz vier liegt, dürfte die Euphorie steigern. HERRMANN Leider habe ich das Spiel nicht gesehen, ich habe den freien Tag nach unserem Sieg in Hannover für einen Ausflug ans Meer nach Holland genutzt. Abends habe ich gesehen, dass Augsburg gewonnen hat und habe mich gefreut. Wir sind jetzt schon auf Hilfe angewiesen. Aber ich denke, wenn wir in den letzten fünf Spielen alles abrufen, wir alle gemeinsam, dann wird es klappen.

Jetzt ist RB Leipzig der Gegner. Wie stehen Sie zu diesen fremdfinan­zierten Klubs als ein Spieler, der seine gesamte Profikarri­ere bislang bei einem Traditions­klub verbracht hat? HERRMANN Natürlich finde ich es in Mönchengla­dbach mit der Tradition schöner, hier kommen noch viele Fans aus alten Zeiten her, die Erinnerung­en haben. Das ist bei Leipzig nicht der Fall. Aber so ist der Fußball. Investoren gehören heutzutage dazu, so hat sich das Geschäft entwickelt.

Was halten Sie davon?

HERRMANN Von den riesigen Ablösen halte ich nichts, 100 Millionen Euro sind für einen Spieler, egal wie gut er ist, einfach überzogen. Aber das lässt sich nicht vermeiden bei dem ganzen Geld, dass durch die Investoren in den Fußball kommt. Man sieht ja auch in der Bundesliga, dass Transfers über zehn Millionen Euro mittlerwei­le etwas Normales sind.

Würden Sie bei einem solchen Klub spielen?

HERRMANN Das gehört heute einfach dazu, deshalb kann ich das nicht ausschließ­en. Ich kann nur sagen, dass ich auf keinen Fall in Köln spielen werde. Grundsätzl­ich ist mir Borussia aber am liebsten. Mit diesem Hintergrun­d, der Tradition und vielem anderen, was Gladbach ausmacht.

Apropos Geschäft Bundesliga: Haben Sie noch den Überblick, wann auf welchem Kanal die Spiele laufen und welches Abo Sie benötigen? HERRMANN Noch geht das. Ich habe selbst ein Sky-Abo, bin aber noch nicht Kunde von DAZN, wo man freitags die Bundesliga gucken kann.

Die Freitagssp­iele laufen aber bei Eurosport.

HERRMANN (lacht) Echt? Dann habe ich den Überblick doch verloren.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Patrick Herrmann jubelt nach dem Sieg in Hannover.

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