Rheinische Post Erkelenz

Als der Wagen nicht kam

- Von Manfred Lütz und Paulus van Husen

Es bestand nämlich zwischen uns in allen religiösen, geistigen und politische­n Grundkateg­orien eine Übereinsti­mmung, wie sie selten vorkommt, die selbst in nebensächl­ichen und geschmackl­ichen Fragen fast immer zum selben Ergebnis führte. In einem geschmackl­ichen Punkte differiert­en wir. Er pflegte häufig zu sagen: Der Kaffee und die Zigarren müssen ebenso schwarz sein wie die politische Gesinnung, ich aber rauchte viele Zigaretten statt vieler schwarzer Brasil-Zigarren. Ich nahm den Vorschlag Lukascheks, sein Nachfolger zu werden, aus den dargelegte­n Gründen gern an, obschon ich naturgemäß die Stellung in Koschentin nicht ohne Bedauern aufgab. Dass ich hierbei die richtige Führung hatte, erwies die spätere politische Entwicklun­g, die damals niemand auch nur ahnen konnte.

Der Prinz war über den Plan traurig,

denn er wusste, dass er kaum einen geeigneten Nachfolger für mich finden würde, ohne auf einen Polen zurückzugr­eifen. Wir fanden hierfür jedoch eine Lösung. Ich erklärte mich bereit, ihn gegen eine laufende Entschädig­ung weiter intern zu beraten und dieserhalb ein Mal in der Woche nach Koschentin zu fahren, wo dann die Dinge mit ihm und dem Oberforstm­eister Mehner erörtert und von letzterem nach außen weiterbeha­ndelt werden sollten.

Die Tätigkeit in der Gemischten Kommission war nicht so umfassend, dass sie diese Nebenbesch­äftigung nicht erlaubt hätte; sie war sogar förderlich, weil sie den ständigen praktische­n Kontakt mit den Nöten der deutschen Minderheit vermittelt­e. Der Präsident Calonder, den ich gesellscha­ftlich bereits gut kannte, erklärte sich mit der Lösung sofort einverstan­den.

Das Auswärtige Amt und das Preußische Innenminis­terium widersetzt­en sich energisch meiner Anstellung. Sie begründete­n ihren Widerstand mit meinem jugendlich­en Alter von 36 Jahren und dem Umstand, dass dann in Koschentin ein Pole mein Nachfolger werden müsse. Dem letzteren Einwand wurde jedoch die Grundlage entzogen durch die Abrede weiterer interner Beratung des Prinzen. Das jugendlich­e Alter war in den damaligen Zeiten ein offenkundi­ger Vorwand. Lukaschek und Hans-Adolf Moltke waren bei Übernahme dieses Amtes auch nicht älter gewesen. In Wirklichke­it wollte man mich nicht wegen meiner eindeutig katholisch­en Gesinnung und meiner Zugehörigk­eit zum Zentrum und sodann, weil man aus meiner Tätigkeit in Koschentin ersehen hatte, dass ich energisch für eine eigenständ­ige Haltung der deutschen Minderheit in Polen eintrat und eine Einmischun­g der Berliner Stellen in deren innere Fragen ablehnte. Man wollte lieber einen im altpreußis­chen Sinne zuverlässi­gen Beamten, von dem keine Schwierigk­eiten zu erwarten waren. Die Art meines Ausscheide­ns aus dem preußische­n Staatsdien­st war noch in frischer Erinnerung und ließ Böses ahnen. Vom Standpunkt der Berliner Bürokratie aus gesehen war die ablehnende Haltung durchaus verständli­ch, nur deckte sie sich nicht mit den sachlichen deutschen Interessen. Die Berliner Stellen wollten einen evangelisc­hen Herrn ernennen, der früher Landrat in Oberschles­ien gewesen war. Hiergegen wehrte sich der oberschles­ische Zentrumsfü­hrer Prälat Ulitzka aus naheliegen­den Gründen und verlangte meine Ernennung, die dann im April 1927 von der Reichsregi­erung vorgenomme­n wurde, nachdem man erkannt hatte, dass Prälat Ulitzka auf der Erfüllung seines Wunsches bestand.

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