Als der Wagen nicht kam
Es bestand nämlich zwischen uns in allen religiösen, geistigen und politischen Grundkategorien eine Übereinstimmung, wie sie selten vorkommt, die selbst in nebensächlichen und geschmacklichen Fragen fast immer zum selben Ergebnis führte. In einem geschmacklichen Punkte differierten wir. Er pflegte häufig zu sagen: Der Kaffee und die Zigarren müssen ebenso schwarz sein wie die politische Gesinnung, ich aber rauchte viele Zigaretten statt vieler schwarzer Brasil-Zigarren. Ich nahm den Vorschlag Lukascheks, sein Nachfolger zu werden, aus den dargelegten Gründen gern an, obschon ich naturgemäß die Stellung in Koschentin nicht ohne Bedauern aufgab. Dass ich hierbei die richtige Führung hatte, erwies die spätere politische Entwicklung, die damals niemand auch nur ahnen konnte.
Der Prinz war über den Plan traurig,
denn er wusste, dass er kaum einen geeigneten Nachfolger für mich finden würde, ohne auf einen Polen zurückzugreifen. Wir fanden hierfür jedoch eine Lösung. Ich erklärte mich bereit, ihn gegen eine laufende Entschädigung weiter intern zu beraten und dieserhalb ein Mal in der Woche nach Koschentin zu fahren, wo dann die Dinge mit ihm und dem Oberforstmeister Mehner erörtert und von letzterem nach außen weiterbehandelt werden sollten.
Die Tätigkeit in der Gemischten Kommission war nicht so umfassend, dass sie diese Nebenbeschäftigung nicht erlaubt hätte; sie war sogar förderlich, weil sie den ständigen praktischen Kontakt mit den Nöten der deutschen Minderheit vermittelte. Der Präsident Calonder, den ich gesellschaftlich bereits gut kannte, erklärte sich mit der Lösung sofort einverstanden.
Das Auswärtige Amt und das Preußische Innenministerium widersetzten sich energisch meiner Anstellung. Sie begründeten ihren Widerstand mit meinem jugendlichen Alter von 36 Jahren und dem Umstand, dass dann in Koschentin ein Pole mein Nachfolger werden müsse. Dem letzteren Einwand wurde jedoch die Grundlage entzogen durch die Abrede weiterer interner Beratung des Prinzen. Das jugendliche Alter war in den damaligen Zeiten ein offenkundiger Vorwand. Lukaschek und Hans-Adolf Moltke waren bei Übernahme dieses Amtes auch nicht älter gewesen. In Wirklichkeit wollte man mich nicht wegen meiner eindeutig katholischen Gesinnung und meiner Zugehörigkeit zum Zentrum und sodann, weil man aus meiner Tätigkeit in Koschentin ersehen hatte, dass ich energisch für eine eigenständige Haltung der deutschen Minderheit in Polen eintrat und eine Einmischung der Berliner Stellen in deren innere Fragen ablehnte. Man wollte lieber einen im altpreußischen Sinne zuverlässigen Beamten, von dem keine Schwierigkeiten zu erwarten waren. Die Art meines Ausscheidens aus dem preußischen Staatsdienst war noch in frischer Erinnerung und ließ Böses ahnen. Vom Standpunkt der Berliner Bürokratie aus gesehen war die ablehnende Haltung durchaus verständlich, nur deckte sie sich nicht mit den sachlichen deutschen Interessen. Die Berliner Stellen wollten einen evangelischen Herrn ernennen, der früher Landrat in Oberschlesien gewesen war. Hiergegen wehrte sich der oberschlesische Zentrumsführer Prälat Ulitzka aus naheliegenden Gründen und verlangte meine Ernennung, die dann im April 1927 von der Reichsregierung vorgenommen wurde, nachdem man erkannt hatte, dass Prälat Ulitzka auf der Erfüllung seines Wunsches bestand.