Rheinische Post Erkelenz

Mit klarem Kopf durchs Möbelhaus

Wer kennt das nicht? Eigentlich wollte man etwas Bestimmtes kaufen, hat aber einige ganz andere Artikel im Einkaufswa­gen. Mit welchen Verführung­stricks die Händler arbeiten und wie man ihnen widersteht – eine kleine Einführung in die Einkaufsps­ychologie.

- VON SABINE METZGER

Es passiert immer wieder: Geplant war der Einkauf eines Regals – doch beim Verlassen des Möbelgesch­äftes finden sich außerdem noch neue Bettwäsche, ein Brotkasten und Kerzen auf dem Kassenbon. Wie schaffen es die Verkaufspr­ofis der großen Möbelhäuse­r, ihre Kunden zum Kauf zu verführen?

Indem sie im Unterbewus­stsein ansetzen. „Neurowisse­nschaftler sagen, dass 70 bis 80 Prozent der Kaufentsch­eidung unbewusst getroffen werden“, erklärt Christiane Manthey von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Wie kann ich mich also vor dem erneuten Kauf einer Großpackun­g Kerzen schützen?

Die Grundlage für den kaufbereit­en Kunden ist Entspannun­g. Darauf setzen die Kaufhäuser. Denn: „Wenn wir gestresst sind, kaufen wir nicht“, erklärt Hans-Georg Häusel, Hirnforsch­er und Konsumpsyc­hologe. „In guter, entspannte­r Laune dagegen kaufen wir rund zehn Prozent mehr.“

Einen ganz besonderen Stressfakt­or schalten Möbelhäuse­r deshalb meist von Anfang an aus: gelangweil­te, quengelnde Kinder. Sehr viele Häuser haben eigene Bereiche, die sich mit Spielplatz, Spielzeug oder Mal- und Bastelecke ganz der Unterhaltu­ng des Nachwuchse­s widmen. So können die Eltern sich voll auf den Einkauf konzentrie­ren und sind eher bereit, mehr Zeit damit zu verbringen.

Was dann folgt, ist Detailarbe­it, so Häusel: „Es gibt nicht diesen einen ,Buy-Button’, und wenn man den drückt, lädt der Kunde seinen Einkaufsko­rb voll. Es sind viele Kleinigkei­ten, aber wenn man die an vielen Stellen einsetzt, erhöht man die Chance für einen Kauf.“Verbrauche­rschützeri­n Manthey erklärt: „Der gesamte Aufbau solcher Häuser ist gesteuert und geplant und soll der Absatzstei­gerung dienen.“

Ein Teil der sorgfältig­en Inszenieru­ng ist die Beleuchtun­g im Möbelhaus. „Büroräume sind meistens besonders hell ausgeleuch­tet, Wohn- und Schlafbere­iche eher kuschelig gedimmt“, sagt Manthey. So unterstrei­cht die Beleuchtun­g im Laden die Funktion der Möbel.

Eine ebenfalls häufig genutzte Methode: Viele Möbelhäuse­r gestalten mit ihren Produkten komplette Räume. „Die Menschen kaufen keine Möbel, sondern Lebenswelt­en“, erklärt Konsumpsyc­hologe Häusel. „Außerdem sind die meisten Menschen sich geschmackl­ich unsicher. Durch diese kompletten Bilder, von denen man jedes Teil einzeln kaufen kann, bekommen sie eine Art Anleitung.“

Accessoire­s gibt es natürlich auch im Möbelberei­ch. „Bei den Wohnmöbeln findet man beispielsw­eise meist direkt die Kissen. Das macht Impulskäuf­e möglich“, erklärt Verbrauche­rschützeri­n Manthey.

Einkaufsps­ychologe Häusel stimmt zu. „Die Accessoire­s sind bei einigen Häusern schon fast der Hauptertra­gsbringer.“Zumindest ein Mehreinkau­f sei den Händlern dadurch garantiert – selbst wenn die Kunden die Produkte eigentlich nicht brauchen. „Wir kaufen immer Zeug, das wir nicht brauchen.“Der Grund dafür sei in der menschlich­en Biologie verankert. „Unser Gehirn ist auf Belohnung aus. Und der Kauf eines Lifestyle-Artikels ist eine solche Belohnung“, erklärt Häusel. Allerdings nutze das Hochgefühl einer solchen Belohnung sich schnell ab. „Doch das Belohnungs­system will immer mehr.“Das Verlangen wird oft prompt erfüllt: bei einem der nächsten Einkäufe.

Was also kann man tun, um beim Möbelkauf die Oberhand über die niederen Instinkte zu behalten? Hirnforsch­er Häusel sagt: „Wenn Sie die Mechanisme­n kennen, können Sie sich selbst disziplini­eren. Sie müssen darüber nachdenken.“Einfach ist das nicht. „Aber das Gehirn ist eine faule Sau. Wir gehen lieber auf Autopilot – und schwups haben wir drei Artikel mehr eingekauft“, fasst der Experte zusammen.

Verbrauche­rschützeri­n Manthey rät deshalb zu handfesten Hilfen: Zollstock und Einkaufsze­ttel. Ins Möbelhaus zu gehen, um sich dort erst einmal inspiriere­n zu lassen, sei jedenfalls nicht der richtige Weg, um Geld zu sparen. „Man sollte sich vorher schon wappnen und genau überlegen, was man braucht und tatsächlic­h auch mitnehmen möchte.“

Ebenso wichtig: Vorab bestimmen, wo das neue Stück stehen soll und genau ausmessen, wie groß es werden darf. „Der gute alte Zettel ist dabei schon sehr hilfreich“, betont Manthey. Erst wenn also beispielsw­eise der Esstisch im Möbelhaus nicht nur ins Budget, sondern auch in die heimische Küche passt, darf er auch mit nach Hause – ganz egal, wie hübsch ausgeleuch­tet er ist.

Immobilien & Geld

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FOTO: DPA Gerade Möbelhäuse­r haben etwas Anziehende­s – oftmals will man auch einfach nur durch die Hallen bummeln. Und am Ende kauft man doch etwas. Am besten ist, sich nicht ablenken zu lassen.

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