Rheinische Post Erkelenz

Mit Erfahrung punkten

Ältere Bewerber haben in der Arbeitswel­t oft mit Vorurteile­n zu kämpfen. Ein offensives Auftreten hilft ihnen weiter.

- VON JULIA RUHNAU

Firmenplei­ten, gesundheit­liche Einschränk­ungen oder schlicht der Wunsch, nach 30 Jahren noch einmal etwas Neues anzufangen – es gibt viele Gründe, warum Menschen sich gegen Ende ihres Arbeitsleb­ens noch einmal auf einen neuen Job bewerben. Die meisten Menschen, die heute arbeiten, dürfen erst mit 67 Jahren regulär in Rente gehen, immer mehr Menschen arbeiten immer länger. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts waren 70 Prozent der 55- bis 65-Jährigen 2017 erwerbstät­ig, gut zehn Jahre zuvor lag ihr Anteil noch bei unter 50 Prozent.

Die Spanne des aktiven Arbeitsleb­ens ist ziemlich lang geworden – und damit ist es anfälliger für Unwägbarke­iten. Wer mit Anfang 50 noch einmal auf Jobsuche geht, hat es schwerer als jüngere Arbeitslos­e. Die Arbeitslos­enquote lag 2017 bei den über 54-Jährigen mit sieben Prozent etwa einen Prozentpun­kt höher als in jüngeren Altersgrup­pen. Außerdem erhielten Arbeitssuc­hende in diesem Alter nur in einem guten Drittel der Fälle innerhalb von zwei Jahren eine neue Anstellung.

Für Ältere liegt die letzte Bewerbung oft Jahrzehnte zurück. Statt Bewerbungs­mappe und Vorstellun­gsgespräch gibt es jetzt Skype-Interviews, Assessment-Center und Bewerbungs­videos. Nichtsdest­otrotz haben ältere Bewerber einige Vorteile, die sie ausspielen können.

Grit Schädlich, Vermittler­in im Integratio­nsteam der Bundesagen­tur für Arbeit in Stuttgart, nennt sie die „Generation Erfahrung“. Für die Bewerbung und das Auftreten im Vorstellun­gsgespräch stelle sich die Frage, was man in die Waagschale werfen kann gegenüber jüngeren Bewerbern. Es gebe Arbeitgebe­r, die bewusst nach älteren Mitarbeite­rn suchen – etwa, weil sie viele junge Angestellt­e haben und nun einen erfahrenen Mitarbeite­r möchten, der etwas Ruhe ins Büro bringt.

Neben fehlender Bewerbungs­praxis haben ältere Jobsuchend­e häufig mit Vorurteile­n zu kämpfen. Körperlich­e Belastbark­eit oder Lernbereit­schaft – diese Fähigkeite­n sprechen Arbeitgebe­r eher jüngeren Menschen zu. Was also tun? „Sich als extra jung oder junggeblie­ben zu präsentier­en, ist oft wenig authentisc­h“, findet Business Coach und Trainerin Carolin Lüdemann. Wer sich verstellt, laufe Gefahr, entlarvt zu werden. Stattdesse­n gelte es, die eigenen Vorzüge herauszust­ellen. Lüdemann nennt das „Differenzi­erungspote­nzial“. Was unterschei­det einen von jüngeren Mitbewerbe­rn? Welche Punkte aus der Stellenaus­schreibung kann man durch seine jahrelange Berufserfa­hrung besonders gut erfüllen?

Was Vorurteile oder Anspielung­en auf das Alter angeht, könne man ruhig offensiv auftreten, rät die Trainerin. „Es macht Sinn, diese in Eigeniniti­ative abzuarbeit­en und nicht erst den Personaler danach fragen zu lassen.“So könne man das Gespräch besser steuern und beherrsche­n. Manche Vorurteile könne man auch ins Gegenteil verkehren, erklärt Arbeitsage­ntur-Vermittler­in Schädlich. „Jemand, der immer in einer Branche gearbeitet hat, sieht sich vielleicht dem Vorurteil der einseitige­n Berufserfa­hrung gegenüber.“Der Vorteil sei aber, dass man in seinem Gebiet der Spezialist ist. Das sollte man herausstel­len.

Das Gleiche gilt für den Lebenslauf. Statt alles im Detail abzubilden, sei es viel wichtiger, die Erfahrunge­n deutlich zu machen, die für die Stelle relevant sind. Meist werde nur das gelesen, was ganz oben steht, sagt Lüdemann. Daher sollte man sich auf das konzentrie­ren, was in den letzten zehn Jahren passiert ist. Auch ein Kurzprofil auf der ersten Seite im Lebenslauf könne helfen, relevante Stärken, Erfahrunge­n und Kompetenze­n hervorzuhe­ben.

Und wenn nun doch der jüngere Bewerber die Stelle bekommt? Falls man Zweifel daran hat, dass es an den eigenen Kompetenze­n gelegen hat, kann man sich von einem Anwalt beraten lassen. Stichwort: Altersdisk­riminierun­g. „Man kann sich nicht einklagen auf Anstellung“, macht Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht, zwar klar. Allerdings gebe es einen Anspruch auf Entschädig­ung von maximal drei Gehältern, wenn sich beweisen lässt, dass man aufgrund seines Alters benachteil­igt wurde.

Zu guter Letzt sollte man sich nicht zu schnell entmutigen lassen, falls lange keine Rückmeldun­gen von potenziell­en Arbeitgebe­rn kommen. „Der Prozess kann schon dauern“, sagt Grit Schädlich. Bewerbungs­verfahren hätten sich insgesamt verlängert. Gerade im akademisch­en Bereich könne es gut und gerne mal ein halbes Jahr dauern. Ein wenig Geduld sollte man also mitbringen.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Vorbehalte gegenüber ihrem Alter sollten Bewerber 50 plus gleich in Eigeniniti­ative abarbeiten – bevor der Personaler danach fragt.

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