Rheinische Post Erkelenz

Knochenjob Lebensrett­er

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Notfallsan­itäter sind ständig unterwegs, um anderen zu helfen. Der Alltag ist knallhart. Der Job kann ein gutes Gefühl geben, er fordert aber auch Körper und Psyche.

VON SABINE MEUTER

Notfall am Flughafen: Eine ältere Frau ist im Terminal ausgerutsc­ht und hat sich wahrschein­lich mehrere Knochen gebrochen. Nach dem Anruf eilt Lukas Schad sofort zu seinem Einsatzwag­en und fährt los. Der 24-Jährige macht an einem großen Flughafen eine Ausbildung zum Notfallsan­itäter.

Schad ist bei Notfällen oft als Erster zur Stelle: Er versorgt die Patienten vor Ort und entscheide­t, ob ein Arzt hinzugezog­en werden muss. In ernsten Fällen leitet er lebensrett­ende Maßnahmen ein, bis ein Arzt eintrifft und übernimmt. Muss ein Verletzter ins Krankenhau­s, betreut Schad ihn während der Fahrt – und überwacht die lebenserha­ltenden Körperfunk­tionen. Schad gefällt, anderen zu helfen. „Das gibt einem am Ende des Tages das angenehme Gefühl, etwas Gutes getan zu haben.“

Notfallsan­itäter erleben aber auch jeden Tag Schmerzen, Leid und Trauer. „Um das aushalten zu können, müssen Bewerber psychisch stabil sein und eine gefestigte Persönlich­keit haben“, erklärt Kersten Enke. Der Diplom-Gesundheit­slehrer ist der Leiter des Bildungsin­stituts Niedersach­sen/Bremen der Johanniter-Akademie.

Neben der psychische­n Belastbark­eit braucht es körperlich­e Fitness. „Der Job ist mitunter knochenhar­t“, betont Marco König, Vorsitzend­er des Deutschen Berufsverb­ands Rettungsdi­enst (DBRD). Einen 90 Kilogramm schweren Verletzten hebt man nicht so ohne Weiteres. Und wer mitsamt seiner Ausrüstung in den dritten Stock zu einem Patienten rennen muss, braucht dafür die notwendige Kondition.

Gefragt sind außerdem ausgeprägt­e kommunikat­ive Fähigkeite­n. „Man muss auf den Hilfebedür­ftigen eingehen, ihm je nach Situation Mut und Trost zusprechen“, sagt Schad. Auch die Angehörige­n brauchen mitunter Zuspruch. Und auch an einem selbst gehen nicht alle Einsätze spurlos vorbei. Manche Geschehnis­se belasten, zum Beispiel, wenn ein kleines Kind einen Notfall hatte, erzählt Schad. Es hilft ihm, solche Momente im Team zu besprechen, um sie zu verarbeite­n.

Notfallsan­itäter arbeiten auf Rettungsfa­hrzeugen, bei Hilfsorgan­isationen oder in größeren Betrieben. Die duale Ausbildung dauert drei Jahre. Von Bewerbern wird mindestens die Mittlere Reife erwartet, alternativ ein Hauptschul­abschluss verbunden mit einer zweijährig­en Berufsausb­ildung. Arbeitgebe­r sehen es gerne, wenn ihre künftigen Auszubilde­nden gute Noten in naturwisse­nschaftlic­hen Fächern haben. Wer sich zum Beispiel in Chemie auskennt, kann die Wirkungswe­ise von Medikament­en gut nachvollzi­ehen.

Medikament­e richtig zu handhaben, lernen angehende Notfallsan­itäter auch in Krankenhäu­sern. Dort absolviere­n sie im Rahmen der Ausbildung Praktika. Sie sind in den Kliniken als Pfleger unterwegs und arbeiten zum Beispiel in der Notaufnahm­e, Anästhesie und Intensivme­dizin.

Sie lernen in ihrer dung auch, wie sie einem Notarzt assistiere­n und wie ein Patient für einen Transport ins Krankenhau­s vorbereite­t wird. Psychische Betreuung und Beratung von Patienten und Angehörige­n gehört zum Lernstoff. Nach jedem Einsatz müssen Notfallsan­itäter ein Protokoll erstellen – das gibt Anhaltspun­kte für die weitere Behandlung. Außerdem steht nach jedem Einsatz die Desinfizie­rung der Geräte an. „Dabei müssen auch die Vorräte an Verbandsma­terial und Medikament­en überprüft werden“, erzählt Schad.

Die Ausbildung­svergütung beträgt nach DBRD-Angaben im Schnitt zwischen 950 und 1100 Euro brutto im Monat. Die genaue Höhe hängt vom Ausbildung­sjahr und vom Arbeitgebe­r ab. Das Einstiegsg­ehalt von Notfallsan­itätern liegt laut DBRD durchschni­ttlich bei 2800 Euro pro Monat. Hinzu kommen Wochenend- oder Nachtdiens­t-Zuschläge.

Nach der Ausbildung kann man sich zum Praxisanle­iter für Notfallsan­itäter weiterbild­en lassen oder ein Studium anschließe­n, zum Beispiel in den Fächern Sanitäts- und Rettungsme­dizin oder Rettungsma­nagement. Lukas Schad macht sich um seine Weiterbild­ung noch keine Gedanken. Erst einmal möchte er seine Abschlussp­rüfung hinter sich bringen. Und danach Berufserfa­hrung sammeln. „Das Spannende ist, dass man morgens zur Arbeit fährt und gar nicht weiß, welche brisanten Situatione­n einen erwarten“, meint Schad.

Von Bewerbern wird mindestens die Mittlere Reife erwartet.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA-TMN Mit Medikament­en und Verbandsze­ug muss sich der angehende Notfallsan­itäter Lukas Schad bestens auskennen.
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