Rheinische Post Erkelenz

Das Klang-Universum von Terry Riley in Bochum

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

BOCHUM Eins der wenigen Konzerte, die der Minimal-Music-Pionier Terry Riley dieses Frühjahr in Europa spielte, war überrasche­nderweise im Schauspiel­haus Bochum zu erleben, das unter der neuen Intendanz von Johan Simons auch einen Musik-Schwerpunk­t setzt. Glücklich wurde dabei, wer seine Erwartunge­n Zuhause gelassen hatte.

Berühmt ist der 83-jährige Riley für die Kompositio­n „In C“von 1964, die als erstes Werk der Minimal Music gilt. Sie besteht aus 53 kurzen musikalisc­hen Phrasen, die von einem Ensemble von circa 35 Musikern in nur ungefähr angegebene­n Abständen, aber einem festen Metrum gespielt werden. Schon „In C“ist also weniger festgefügt­e Kompositio­n als ein Rahmen für Improvisat­ion. Sein Musik-Studium in San Francisco nutzte Terry Riley vor allem, um herauszufi­nden, dass er kein klassische­r Konzertpia­nist ist, sondern Klang-Experiment­alist. Auf der Bochumer Bühne stehen keine Band-Maschinen mehr, mit denen er seine ersten Loops (Klangschle­ifen) produziert­e. Neben dem Flügel warten eine Melodica, ein modernes E-Piano und eine Tablet-Computer. In diesem Ensemble nimmt der alte Mann mit dem langen, weißen Bart Platz. Rechts von ihm sein 41-jähriger Sohn Gyan Riley, der auf alle Vorgaben des Vaters mit einer E-Gitarre samt Effekten reagiert. Ihre Klangreise kann man am besten unter dem Oberbegrif­f Jazz fassen, denn viele Passagen sind frei improvisie­rt. Riley bringt in seiner Musiksprac­he viele Welten zusammen. Manchmal steigt er am Flügel mit einem kurzen, im Stakkato gehämmerte­n Motiv ein, das er ständig wiederholt, und es klingt, als würde er zu einer seiner „Keyboard Studys“ansetzen. Doch dann findet er zu Jazzharmon­ien, formuliert melodische Bögen aus – und sein Sohn sorgt für ornamental­e Ausschmück­ung.

Unter dem Strich beeindruck­t seine Offenheit: Terry Riley als Raga-Sänger oder als Interpret von American-Songbook-Standards mit fragiler, hoher Stimme. Und im Keller des Schauspiel­hauses ist bis zum 26. Mai noch eine fasziniere­nde Seite von ihm zu erleben: Seine Installati­on „Time Lag Accumulato­r III“.

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