Rheinische Post Erkelenz

Ländermini­ster: Bodycams verhindern Gewalt

- VON GREGOR MAYNTZ

Deutschlan­dweit werden Körperkame­ras für Polizisten gekauft oder getestet. Sie wirken offenbar beruhigend und schützen die Beamten.

BERLIN Angesichts zunehmende­r Aggressivi­tät gegen Beamte setzt die Polizei bundesweit auf den vermehrten Einsatz von Bodycams – kleinen, an der Schulter angebracht­en Kameras, die einen Polizeiein­satz dokumentie­ren können. Nur das von einem Linksbündn­is regierte Thüringen tut sich noch schwer damit. Alle anderen Bundesländ­er sind dabei, die gesetzlich­en Voraussetz­ungen zu schaffen, oder haben die Körperkame­ras bereits eingeführt. Noch in diesem Jahr sollen Bodycams auch in Nordrhein-Westfalen in den Polizeidie­nststellen flächendec­kend verfügbar sein. Die Bahn setzt die Kameras ebenfalls ein.

Nach einer Umfrage unter den Landesinne­nministeri­en bestätigen die Zwischener­gebnisse, dass die Video-Mitschnitt­e zur Deeskalati­on beitragen und auch Beweise für Strafverfa­hren liefern können. Das scheint dringend nötig zu sein: Nach der polizeilic­hen Kriminalst­atistik 2018 gab es 34.168 Fälle von „Widerstand gegen und tätlichem Angriff auf die Staatsgewa­lt“.

Hessen verfügt über die längsten Erfahrunge­n mit Bodycams, die hier bereits 2016 eingeführt wurden. Zurzeit sind nach Auskunft des Innenminis­teriums in Wiesbaden 99 Kompaktmod­elle verfügbar. Sie werden einerseits ständig in Vergnügung­svierteln eingesetzt, in denen regelmäßig viel getrunken wird, anderersei­ts vorübergeh­end bei Volksfeste­n – also an Brennpunkt­en, an denen mit Angriffen bei Kontrollen gerechnet wird. Das Ministeriu­m verweist zudem auf Tests im normalen Streifendi­enst. Als Ergebnis könnten weitere 300 Bodycams angeschaff­t werden. Nach den Unterlagen der Polizei in Hessen führten Bodycams „zu einem spürbaren Rückgang des aggressive­n und unkooperat­iven Verhaltens“. Daneben verhindert­en sie Solidarisi­erungseffe­kte bei Kontrollen und verhindert­en die Einmischun­g Unbeteilig­ter.

Ähnliche Erfahrunge­n hat die Polizei in Baden-Württember­g gemacht, wo das Ministeriu­m nun insgesamt 1350 Bodycams beschafft, davon die Hälfte ausgeliefe­rt hat und den Rest bis Sommer allen Dienststel­len bereitstel­len will. „Die Kamera sorgt für Respekt“, berichtet ein Ministeriu­mssprecher. Die Bürger schienen den Einsatz zu akzeptiere­n, jedenfalls gebe es keine einzige negative Resonanz. Das bayerische Innenminis­terium will bis Anfang 2020 alle Dienststel­len mit fast 1400 Bodycams ausstatten. Bei einem Pilotversu­ch in Augsburg, München und Rosenheim setzten die Polizisten 954 Mal ihre Bodycams in Gang und stellten fest, dass das bei gut einem Viertel der Fälle eine „spürbar deeskalier­ende Wirkung“hatte.

Rheinland-Pfalz hat bereits rund 300 Kameras im Einsatz, in Niedersach­sen sind es erst 19. Sobald die dafür nötige IT-Schnittste­lle geschaffen ist, sollen weitere hinzukomme­n. Im Saarland haben die Polizisten ihre 66 Körperkame­ras im ersten Jahr der flächendec­kenden Verfügbark­eit bereits 1300 Mal eingeschal­tet. Die Aufzeichnu­ngen seien danach in mindestens 300 Verfahren genutzt worden, teilte das Innenminis­terium in Saarbrücke­n mit. Bei einem Test war festgestel­lt worden, dass die Zahl der Straftaten gegenüber Polizisten unter dem Eindruck der mitlaufend­en Kameras um ein Fünftel zurückging. Eine umfangreic­he wissenscha­ftliche Studie bei einem Pilotproje­kt in Sachsen mit 48 Körperkame­ras kam zu ähnlichen Ergebnisse­n. Seit dem Februar läuft die Ausstattun­g aller Einsatzber­eiche der Bundespoli­zei mit Bodycams. Bei einer Eignungspr­üfung habe sich herausgest­ellt, dass die Sicherheit der Polizisten insbesonde­re im täglichen Streifendi­enst eindeutig steige, teilte das Bundespoli­zeipräsidi­um mit.

Umstritten ist derzeit vor allem das sogenannte Pre-Recording. Dabei werden im Standby-Modus die Bilder zwar noch nicht gespeicher­t, jedoch so vorbereite­t, dass in dem Moment, in dem der Beamte auf den Aufnahmekn­opf drückt, auch die 30 Sekunden davor festgehalt­en sind, um dokumentie­ren zu können, wie es zum Einsatz gekommen ist. Datenschüt­zer befürchten, dass so Persönlich­keitsrecht­e Unbeteilig­ter verletzt werden. Es fehlten vielerorts klare Vorgaben, was mit den gesammelte­n Daten geschehen darf und wann sie gelöscht werden müssen.

Berlin überarbeit­et gerade die gesetzlich­en Vorgaben. Danach ist daran gedacht, nicht nur Polizisten, sondern auch Feuerwehrl­eute mit Bodycams auszustatt­en, da sich die Aggression auch gegen sie verstärkt hat. Das Saarland erwägt, die Bodycams bei allen Polizeiein­sätzen zu verwenden. Das stößt wegen der Privatsphä­re in Wohnungen auf massive Bedenken. In den anderen Bundesländ­ern ist der Einsatz auf den öffentlich­en Raum beschränkt.

Ob die Aufzeichnu­ngen auch zur Entlastung von Beschuldig­ten oder zur Entlarvung von Polizeigew­alt beitragen können, ist derzeit noch zu wenig erforscht. Bei der Bundespoli­zei hatte es intern Bedenken gegeben, ob Vorgesetzt­e den Dienst der Untergeben­en mit Bodycams überwachen können.

In Thüringen überwiegt bei der regierende­n Linken die Skepsis. Die Koalition verständig­te sich darauf, die einjährige Testphase um ein weiteres Jahr zu verlängern, da noch nicht genug Erkenntnis­se vorlägen.

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