Rheinische Post Erkelenz

West-Frauen wollen oft nicht mehr als ihre Männer verdienen

Im Osten gibt es dreimal so viele Haupternäh­rerinnen. Grund könnte die Emanzipati­on im Sozialismu­s sein: die Frau als Arbeiterin, Mutter und Hausfrau.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Viele westdeutsc­he Frauen haben es laut einer Studie jahrzehnte­lang bewusst vermieden, mehr Geld als ihre Ehemänner zu verdienen. Den Grund dafür sieht das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) vor allem in dem im Kapitalism­us geprägten Rollenvers­tändnis der Geschlecht­er, wonach der Mann traditione­ll der „Brötchenve­rdiener“und die Frau die „Zuverdiene­rin“ist. Die DIW-Studie, die unserer Redaktion vorliegt, bezieht sich auf den Zeitraum von 1984 bis 2016. Nur elf Prozent der erwerbstät­igen Frauen im Westen haben im Zeitraum von 2007 bis 2016 mehr Geld als ihre Männer verdient. Im Osten waren es 33 Prozent.

Von 1984 bis 1990 sei noch nachweisba­r gewesen, dass Frauen in der Bundesrepu­blik in der Regel ihre Wochenarbe­itszeit reduziert haben, wenn sie im Vorjahr ein höheres Einkommen als ihre Partner hatten. Inzwischen gebe es diese Anhaltspun­kte nicht mehr. Dennoch sei die kulturelle Prägung der Rollenvert­eilung von Mann und Frau beziehungs­weise der Geschlecht­eridentitä­t eine Erklärung für die noch heute unterschie­dliche Einkommens­verteilung – trotz weitgehend gleichwert­iger Bezahlung von Frauen und zahlreiche­n Jobangebot­en.

Im Sozialismu­s hätten Frauen die Rolle der Arbeiterin, Mutter und Hausfrau zugleich gehabt. Zu DDR-Zeiten sei von Frauen wie von Männern – unterstütz­t durch flächendec­kende Kinderbetr­euungsange­bote – Vollzeitbe­schäftigun­g erwartet worden. Im Jahr des Mauerfalls seien Frauen im Osten zu 89 Prozent am Arbeitsmar­kt beteiligt gewesen, im Westen zu 56 Prozent.

In Westdeutsc­hland sei das Bild institutio­nell gefördert worden, wonach der Mann mehr verdienen sollte als die Frau. Etwa durch das bis heute mögliche Ehegattens­plitting, das „negative Beschäftig­ungsanreiz­e für den geringer verdienend­en Partner – vorrangig die Frau – setzt“.

Vor der Wende habe der durchschni­ttliche Anteil der Frau am Haushaltse­rwerbseink­ommen in der Bundesrepu­blik 18 Prozent und in der DDR 40 Prozent betragen. Bis 2016 sei der Anteil der Frauen am Haushaltse­rwerbseink­ommen im Osten auf 42 Prozent und im Westen auf 29 Prozent gestiegen.

Berechnung­sgrundlage ist der Einkommens­anteil der Frau in einem Doppelverd­iener-Haushalt. In Untersuchu­ngen zeigte sich, dass sich von dem Moment an, da die Frau im Westen begonnen habe, mehr Geld zu verdienen als ihr Partner, im Folgejahr die Wahrschein­lichkeit reduzierte, dass das so bleibt. Seit der Wiedervere­inigung habe sich das Verhalten der Frauen im Westen aber kontinuier­lich dem im Osten angenähert.

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