Da ist der Wurm drin
Mehr als zwei Milliarden Menschen essen regelmäßig Insekten. Jetzt gibt es auch bei uns erstmals „Insekten-Burger“. Besonders attraktiv ist der hohe Anteil an ungesättigten Fettsäuren, Aminosäuren und Mikronährstoffen.
DÜSSELDORF Männer sind deutlich innovativer als Frauen – zumindest, was den Verzehr von Insekten betrifft. 40 Prozent der Männer würden Lebensmittel aus Würmern, Raupen, Larven oder Grillen kaufen. Frauen stehen diesem neuen Ernährungstrend nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eher skeptisch gegenüber: Nur 22 Prozent würden bei diesen Produkten zugreifen, heißt es im aktuellen Ernährungsreport des BMEL. Die geringe Zustimmung der Verbraucher zeigt bereits das größte Problem der neuartigen
Untersuchungen zeigen, dass Insekten sich als echte Alternative für eine gesunde Ernährung durchaus eignen
Lebensmittel. Die Hersteller von essbaren Insekten suchen noch nach den richtigen Zielgruppen und Beschreibungen, um ihre neuen Produkte schmackhaft zu machen. Sie müssen das Ekel-Gefühl im Kopf der Europäer beim Verzehr von Insekten überwinden.
In anderen Bereichen der Welt sieht das ganz anders aus. Mehr als zwei Milliarden Menschen essen regelmäßig Insekten. In vielen asiatischen Ländern gehören sie frisch oder fertig zubereitet zum täglichen Angebot auf den Märkten. Heuschrecken werden ähnlich wie Garnelen nicht komplett verspeist, sondern ohne Flügel und Beine. Die meisten Lebensmitteluntersuchungen belegen, dass Insekten sich als gesunde Alternative zur Ernährung eignen.
Sie sind nährstoffreich und besitzen im Vergleich zu anderen tierischen Lebensmitteln hohe Proteinund Fettgehalte. Besonders attraktiv ist der hohe Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und essentiellen Aminosäuren. Je nach Art enthalten Insekten zusätzlich noch nützliche Mikronährstoffe wie Eisen, Kupfer, Magnesium, Mangan, Selen und Zink sowie Riboflavin, Pantothensäure und Biotin.
Noch stärker wiegt der ökologische Aspekt. Insekten sind bei der Umwandlung von Futtermitteln in essbare Anteile etwa doppelt so effizient wir Hühner und zwölfmal besser als Rinder. Ein Kilo Insektenprotein benötigt also deutlich weniger Ackerfläche für Pflanzen als Tierfutter im Vergleich zu anderen Nutztieren. Zudem kommt die Insektenzucht mit weniger Wasser aus und verursacht weniger Treibhausgase.
Doch diese Argumente scheinen für den Konsumenten nicht zu zählen. In einer der zahlreichen Studien zur Akzeptanz von Insektenfood bot die Hochschule Fresenius in Köln einer Gruppe von 180 Testessern Schokopralinen mit Mehlwürmern an. Eine Hälfte der Freiwilligen wurde zuvor mit Werbeslogans informiert, die Gesundheit und Umweltschutz der Insekten betonten. Der anderen Hälfte wurden die Insekten als Luxusprodukt und trendiges Lifestyle-Objekt inszeniert. In dieser Gruppe probierten mehr Menschen (76 Prozent) die Pralinen als in der umweltfreundlichen Gruppe (61 Prozent).
Die meisten Produkte aus der Insektenküche lassen den Ursprung der Zutaten kaum noch erkennen. Zwar bieten einige Hersteller Mischungen zum abendlichen TVSnack mit ganzen Mehlwürmern, Grillen und Nüssen an oder verkaufen eingelegte Buffalowürmer und Mehlwürmer in Knoblauchund Kräuter-Dip. Doch meistens werden die Insekten zermahlen verwendet. Ein finnisches Heuschreckenbrot enthält nach Herstellerangaben 70 Heuschrecken, die zu Pulver vermahlen und mit gewöhnlichem Mehl vermischt wurden. Der Gewichtsanteil der Insekten betrage etwa drei Prozent.
In anderen Backwaren lässt sich bis zu einem Fünftel des herkömmlichen Mehls durch gemahlene Insekten oder Würmer ersetzen. Nudeln mit Insektenzusatz sollen eine leicht nussige Note haben. Auf den Geschmack der Würmer verlassen sich die Hersteller allerdings nur selten. Insektenprotein aus Buffalowürmern wird als Proteindrink für Sportler großzügig mit Vanille und anderen Aromen versetzt. Auch der Paddy des Insektenburgers der Restaurantkette „Hans im Glück“besteht nur zu etwa einem Viertel aus feingemahlenem Buffalowurm.
Ähnlich wie bei anderen Lebensmitteln bleiben Zucht und Verarbeitung der Tiere getrennt. Bei Insekten bekommt der Begriff Massentierhaltung eine ganz andere Bedeutung. Würmer mögen das enge Beieinander. Auch Heuschrecken sind gesellige Tiere. Kritiker der Insektenzucht fürchten allerdings, dass diese Form der Zucht die Ausbreitung von krankmachenden Keimen erleichtert. Die Tötung der Tiere erfolgt ohne Betäubungsmittel. Denn Insekten sind wechselwarme Tiere, die bei niedrigen Temperaturen ihren Stoffwechsel einstellen. Sie werden also tiefgefrostet und dann zermahlen. Allerdings ist die Zucht der Würmer nur ein Teil der aufwändigen Insektenproduktion. Der Buffalowurm ist die Larve eines Käfers. Deshalb bedarf es zusätzlich noch einer Erhaltungszucht, in der die Käfer gezüchtet werden, die die Eier legen, aus denen die Würmer sich als Larven entwickeln.
Wer das alles als eklig empfindet, der sei an die ersten Sushi-Restaurants Ende der 1990er Jahre erinnert. Roher Fisch und Algen? – das schien in Deutschland lange Zeit nur als Nischenprodukt für Japanfans wettbewerbsfähig.