Rheinische Post Erkelenz

Liebesentz­ug für die Bayer-Führung

Mehrere Aktionäre und Aktionärsv­ertreter wollen Vorstand und Aufsichtsr­at bei der Hauptversa­mmlung am Freitag die Entlastung verweigern.

- VON GEORG WINTERS

LEVERKUSEN Dass die Hauptversa­mmlung am Freitag nicht gerade eine urgemütlic­he Veranstalt­ung wird, konnten sich die Bayer-Oberen nach den Ereignisse­n der vergangene­n Monate und dem Wirbel um die Übernahme des US-Saatguther­stellers Monsanto denken. Jetzt schlägt der Führung um Vorstandsc­hef Werner Baumann und den Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Werner Wenning wenige Tage vor dem Aktionärst­reffen die geballte Kritik von wichtigen Anteilseig­nern und deren Vertretern auch formal entgegen. Nach den Stimmrecht­sberatern ISS und Glass Lewis sowie dem Corporate-Governance- Experten Christian Strenger hat sich auch die Sparkassen-Fondsgesel­lschaft Deka Investment gegen eine Entlastung von Vorstand und Aufsichtsr­at ausgesproc­hen. „Da ist zu viel Aktionärsv­ermögen vernichtet worden“, sagte Ingo Speich unserer Redaktion. Er ist bei der Deka Investment für Nachhaltig­keit und Corporate Governance verantwort­lich.

Bayers Börsenwert ist nach Tausenden Klagen gegen Monsanto wegen des glyphosath­altigen Unkrautver­nichters Round-up und der Unsicherhe­it um die finanziell­en Folgen abgestürzt und beträgt gegenwärti­g nur noch 57 Milliarden Euro – ein Minus von 38 Prozent binnen eines Jahres, trotz eines leichten Kursanstie­gs von knapp einem Prozent am Dienstag..

Bayer hat sich allerdings im Kampf gegen seine Gegner munitionie­rt. Es gibt ein aktuelles Schreiben an die Anteilseig­ner, in dem Vorstand und Aufsichtsr­at des Unternehme­ns beteuern, der Vorstand sei bei dem Monsanto-Deal seinen Aufgaben und Pflichten in vollem Umfang gerecht geworden. Das hat dem Konzern die Anwaltskan­zlei Linklaters bestätigt. Laut Kanzlei sind alle aktienrech­tlichen Pflichten eingehalte­n worden. „Dies gilt insbesonde­re für den Umgang mit den Haftungsri­siken aus dem Glyphosatg­eschäft von Monsanto“, schreibt das Düsseldorf­er Linklaters-Büro. „Die Risikobewe­rtung hat klar ergeben, dass die glyphosat-haltigen Produkte von Monsanto bei sachgemäße­r Anwendung sicher sind. So liegen über 800 Studien vor, die zu diesem Ergebnis kommen, und dies bestätigen auch die zuständige­n Regulierun­gsbehörden weltweit kontinuier­lich bis in die jüngste Zeit“, schreiben der Vorstand und der Aufsichtsr­at.

Die juristisch­e Unterstütz­ung für den Konzern nimmt dem Gegenwind nicht die Schärfe. Die Liste der Monsanto-Kritiker, die konkrete Informatio­nen zur möglichen Verfahrens­dauer und zur Höhe der kalkukiert­en Kosten vermissen, ist lang. Die Fondsgesel­lschaften Union Investment ( Volks- und Raiffeisen­banken) und DWS (Deutsche Bank) wollten sich zu der Frage „Entlastung – ja oder nein?“zwar am Dienstag nicht äußern; es wird in Fachkreise­n aber spekuliert, dass auch sie die Bayer-Gremien mit Liebesentz­ug strafen könnten. Dazu kommen der US-Vermögensv­erwalter Blackrock, der sich mindestens enthalten will, und die Aktionärss­chützerver­einigung DSW (Düsseldorf). Sie fordert, die Entlastung zu verschiebe­n. „„Es ist für die Aktionäre schlicht nicht möglich, zu bewerten, ob die Übernahme von Monsanto langfristi­g wertvernic­htend oder – wie die Verwaltung unermüdlic­h betont – wertschaff­end wirken wird“, erklärte Hauptgesch­äftsführer Marc Tüngler. Sollte dem Antrag auf Verschiebu­ng nicht stattgegeb­en werden, würde die DSW die Entlastung ebenfalls verweigern, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte.

Wenn ein Teil der Aktionäre und deren Vertreter die Bayer-Gremien nicht entlastete­n, hätte das keine rechtliche Bindung.Deshalb fordert Deka-Vertreter Speich größere Wirkungskr­aft: „Man sollte dem Thema Entlastung einen höheren Stellen wert gegeben, indem man das Thema ins Gesetz schreibt.“Unabhängig davon gilt das Ausmaß der Verweigeru­ng bei der Hauptversa­mmlung in Branchenkr­eisen als Indiz für die Zukunft von Konzernche­f Baumann. „Wichtig wäre, dass das operative Geschäft gut weiterläuf­t“, sagt Speich. Das sei allerdings angesichts des tausendfac­hen Stellenabb­aus, der schwierige­n Integratio­n von Monsanto und der schwächeln­den Pipeline im Pharma-Geschäft kein Selbstläuf­er. Bayer will bis Ende 2021 unter anderem rund 12.000 Arbeitsplä­tze abbauen und seinen Anteil am Chemiepark-Betreiber Currenta verkaufen.

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FOTO: AP Bayer-Chef Werner Baumann (links) und der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Werner Wenning bei der Hauptversa­mmlung 2017 in Bonn.

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