Rheinische Post Erkelenz

Europacup auf Rheinisch

- VON MARK ZELLER

DUISBURG Ein echtes Nachbarsch­aftsderby im Halbfinale eines Europäisch­en Wettbewerb­es – das war selbst in Zeiten Deutscher Uefa-Pokal-Dominanz Ende der 70er-Jahre eine Besonderhe­it. Als weniger überrasche­nd galt das Abschneide­n der Gladbacher „Fohlenelf“, die seinerzeit nicht nur zum Serienmeis­ter avancierte, sondern den begehrten Cup bereits 1975 an den Niederrhei­n geholt hatte.

Weitaus spannender für das internatio­nale Publikum wirkte da schon das weite Vordringen des Kontrahent­en von der anderen Rheinseite. Die Duisburger Zebras setzten bei ihrem gerade einmal zweiten Ausflug auf internatio­nales Geläuf zum Parforceri­tt an. Doch von ungefähr kam dieser plötzliche Galopp ins europäisch­e Rampenlich­t nicht.

In der Bundesliga hatten sich die Gestreifte­n von der Wedau längst einen Namen als Favoritens­chreck gemacht. Und sie hatten selbst eine namhafte Truppe beisammen. Spieler wie der langjährig­e Kapitän „Ennatz“Dietz, „Flieger“Gerhard Heinze, „Bobbel“Büssers, Ditmar Jakobs, der „verrückte Holländer“Kees Bregman, der österreich­ische Ball-Virtuose Kurt Jara oder die Nationalst­ürmer Ronnie Worm und „Rudi“Seliger lassen Zeitgenoss­en noch heute mit der Zunge schnalzen.

Und diese gewachsene Mannschaft mischte nun Europa auf. Über Lech Posen, Carl-Zeiss Jena, Racing Straßburg und Honved Budapest zogen die Zebras ins Halbfinale ein, um dort auf den niederrhei­nischen Nachbarn zu treffen. „Ausgerechn­et Gladbach“, erinnert sich MSV-Ikone Dietz, „die waren zu der Zeit ein unangenehm­er Gegner und haben uns gar nicht gelegen.“So war es dann auch im Uefa-Cup. Während der MSV sich im heimischen Wedau-Stadion trotz zweimalige­r Führung mit einem 2:2 begnügen musste, rückten die Gladbacher beim 4:1 im Rückspiel auf dem Bökelberg das Kräfteverh­ältnis in die von Dietz beschriebe­ne Richtung und zogen ins Finale ein.

Bittere Ironie der Geschichte: Gerade einmal einen Monat später gelang den Zebras an gleicher Stelle der Sieg gegen den Angstgegne­r. Für den großen Europacup-Coup aber kam das zu spät. Den landeten stattdesse­n die Gladbacher mit ihrem 1:0-Endspiel-Sieg in Düsseldorf gegen Roter Stern Belgrad (Hinspiel 1:1).

Der MSV indes wartet bis heute auf einen „echten“Titel auf überregion­aler Ebene. Dabei hält er einige Superlativ­e mit teilweise besonderer Note: erster Bundesliga-Tabellenfü­hrer; Vizemeiste­r (1964); einziger Bundesliga-Spitzenrei­ter mit negativem Torverhält­nis (1994), einziger Club, der als vierfacher DFB-Pokalfinal­ist (in vier verschiede­nen Jahrzehnte­n) nie den Pokal gewinnen konnte. Doch der fehlende große Wurf gilt vor allem als ein Versäumnis der „goldenen Generation“der 70er-Jahre. „Unsere Truppe damals war ganz nah dran an einem Titel“, erinnert sich Dietz. Doch geholt hat diese Generation ihn nicht. Stattdesse­n läutete das Halbfinal-Aus auf dem internatio­nalen Höhepunkt bereits das Ende einer erfolgreic­hen Ära ein.

1982 folgte der erstmalige Abstieg in die Zweite Liga, der damals personell wie wirtschaft­lich eine drastische Zäsur bedeutete. Nach dem zwischenze­itlichen Sturz in die Drittklass­igkeit gab es in den Neunzigerj­ahren zwar die Rückkehr ins Oberhaus und sogar eine mehrjährig­e Etablierun­g in den Top Ten, an die Erfolge der „goldenen Siebziger“konnte man dabei jedoch ebenso wenig anknüpfen wie bei dem vorerst letzten Erstliga-Aufenthalt 2008.

Bernard Dietz jedoch holte sich einen großen Pokal: Als Kapitän führte „Ennatz“die Nationalma­nnschaft 1980 zur Europameis­terschaft. „Ein bisschen“, sagt er schmunzeln­d, „ist das dann doch ein Duisburger Titel.“

Unser Autor Mark Zeller sitzt als Gründungs-Reporter seit 13 Jahren am Mikrofon des MSV-Live-Radios „ZebraFM“. Ursprüngli­ch waren die Reportagen für sehbehinde­rte Fans gedacht. Heute haben die Reportagen auch Zuhörer außerhalb dieses Kreises. Per Livestream ist die Reportage auf der Website des MSV frei empfangbar. Das nächste Mal auf Sendung ist „ZebraFM“zum Heimspiel gegen Arminia Bielefeld am Montag, 29. April, 20.30 Uhr.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES/EISSNER ?? 24. April 1979: Borussia Mönchengla­dbachs Berti Vogts (l.) und Bernard Dietz vom MSV Duisburg begrüßen sich vor dem Anpfiff des Uefa-Cup-Halbfinals. Zwischen ihnen steht Schiedsric­hter Franz Wöhrer (Österreich, 2. v.r.).
FOTO: IMAGO IMAGES/EISSNER 24. April 1979: Borussia Mönchengla­dbachs Berti Vogts (l.) und Bernard Dietz vom MSV Duisburg begrüßen sich vor dem Anpfiff des Uefa-Cup-Halbfinals. Zwischen ihnen steht Schiedsric­hter Franz Wöhrer (Österreich, 2. v.r.).
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