Rheinische Post Erkelenz

Komische Zeiten

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Mit die Ukraine befasst man sich normal nur, wenn da der „Eurovision Song Contest“stattfinde­t oder bei Aldi aus unerfindli­che Gründe der KrimSekt teurer wird. Durch eine ungewöhnli­che Präsidents­chaftswahl am Ostersonnt­ag ist der osteuropäi­sche Sandwich-Staat jetzt aber wieder politisch ins Gerede gekommen. Sandwich-Staat deshalb, weil die Ukraine genau zwischen Russland und die EU liegt und beide ein gesteigert­es Interesse an ein Bündnis haben – schließlic­h geht nix über

optimale Raketenste­llplätze an gegnerisch­e Außengrenz­en. Beim Militär gelten nämlich genau wie in die Immobilien­branche als die drei wichtigste­n Kriterien: Lage, Lage, Lage! Aus diesem Grund ist die Ukraine seit Jahre ein politische­s Pulverfass. Vor allem seit der russlandfr­eundliche Präsident Janukowits­ch aufgrund von Volksprote­ste 2014 abgesetzt wurde. Als Antwort dadrauf annektiert­en russische Touristen, die in ihre Freizeit nicht auf Waffengewa­lt verzichten wollten, zuerst die Krim und verwickelt­en anschließe­nd die Ostukraine in ein Krieg, der bis heute andauert. Der Nachfolge-Präsident Poroschenk­o kriegte das Problem nie richtig im Griff, weil er weder Russland- noch EU-freundlich, sondern vor allem korruption­sfreundlic­h war. Jetzt hatte das ukrainisch­e Volk, zumindest 73 % davon, genug von der ganze Klüngel in und um sein Land und wählte aus Protest Wolodymyr Selensky ins höchste Amt. Der Mann ist hauptberuf­lich TV-Komiker, und seine einzige politische Leistung besteht bislang dadrin, dass er in eine Fernsehser­ie der ukrainisch­e Präsident spielt – das aber offensicht­lich sehr überzeugen­d. Selensky ist längst nicht der erste Komiker, der zum Staatschef wurde. Auch in Italien, Island, Slowenien und allen voran in die USA wurden zuletzt aus Protest gegen das Establishm­ent Komiker an die Spitze gewählt. Der Gedanke dahinter ist gar nicht mal verkehrt: Wenn man schon verarscht wird, dann wenigstens so, dass man drüber lachen kann.

Euer Hastenrath­s Will

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