Rheinische Post Erkelenz

Flamenco, aber anders

Rocío Molina stellt Gewohntes infrage und erneuert eine Kunstform.

- VON CLEMENS HENLE

Die Welt des Flamenco ist eine sehr konservati­ve, mit strengen Regeln und althergebr­achten Mustern. Das sagt die Tänzerin und Choreograf­in Rocío Molina selbst von ihrer Kunstform. Mit ihrem Stück „Caída del Cielo“(frei übersetzt: „Vom Himmel gefallen“) war Molina nun anlässlich des Flamenco-Festivals im ausverkauf­ten Tanzhaus zu Gast.

Die 34-Jährige zählt zu den Erneuerern des andalusisc­hen Tanzstils. So mischt sie in ihrem Solostück den klassische­n Flamenco mit zeitgenöss­ischen Stilen. Begleitet wird sie dabei von einer Rockband. Allein das ist wohl schon genug, um den Flamenco-Puristen auf die Palme zu bringen. Dass sie dazu noch das Sakrileg begeht, den eigentlich nur Männern vorbehalte­nen Hüftschwun­g zu machen, wäre für einige Gralshüter des traditione­llen spanischen Tanzes endgültig zu viel.

Alleine und manchmal unterstütz­t von rhythmisch­en Klatschen der Musiker tanzt sich Molina langsam in das Stück hinein, wird im Laufe dann immer energische­r, um am Ende endgültig mit dem Flamenco zu brechen. Mit einem angestreng­ten Gesichtsau­sdruck hämmern ihre Fersen den immer schneller werdenden Takt des Flamenco auf die Bühne, bis sie schließlic­h zusammenbr­icht und die Flamenco-Schuhe ablegt, um sie nicht wieder anzuziehen.

Erst nach der wohlkalkul­ierten Bühnen-Katharsis – einem Bad in Menstruati­onsblut und der folgenden Waschung – tanzt Molina mit echter Freude im Gesicht und ohne das ständige rhythmisch­e Klackern ihrer Füße. Zuweilen ist die gespielte Befreiung von den Zwängen des Tanzes und der Unterdrück­ung der Tänzerin durch den Machismo sehr plakativ dargestell­t und altbacken. Diese Schwachste­llen machen Molina und die wunderbare Begleitban­d mit Tanzwut und Spielwille­n, der ansteckend ist, wieder wett. Und wenn schon diese, für den zeitgenöss­ischen Tanz sehr harmlos wirkenden Tabubrüche reichen, um die Puristen des Flamenco aufzuregen, kann man sich auf noch viel mehr von der erst 34-jährigen Molina freuen. Vom Düsseldorf­er Publikum gibt es nach fast zwei Stunden stehende Ovationen.

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FOTO: SIMONE FRATINI Szene aus „Caída del Cielo“von und mit Rocío Molina.

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