Ende der Spende
Die großen Parteien kassieren jedes Jahr Hunderttausende Euro an Spenden. Mit Daimler hat sich jetzt ein großer Spender zurückgezogen. Mancher Kritiker wirft nicht spendenden Konzernen Verantwortungslosigkeit vor.
Von Daimler gibt’s kein Geld mehr. Der Autokonzern hat alle Parteispenden für dieses Jahr gestrichen. Zumindest öffentlich reagiert die Mehrheit der Parteien mit Schweigen. Alles andere würde auch kein besonders souveränes Bild abgeben, nach dem Motto: „Also wir als CDU, SPD und Grüne finden es ganz schön blöd, wenn Daimler uns nicht mehr jährlich 320.000 Euro schenkt.“Zurückhaltung ist an dieser Stelle nachvollziehbar.
Oder aber man macht es wie der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß und kritisiert Daimlers Spendenstopp als „verantwortungslos, demokratiegefährdend, dumm“. Auch sein CSU-Kollege Thomas Bauer wirft den Konzernen vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen: „Siemens gibt seit vielen Jahren nichts mehr, BMW, VW, jetzt Daimler. All diese großen Firmen kommen ihrer demokratischen Verpflichtung nicht mehr nach.“
Betrachtet man die Fakten allein, entbehrt der Spendenstopp jeglicher Dramatik. Im Jahr 2018 hatte Daimler insgesamt 320.000 Euro an Parteien gespendet. Davon erhielten CDU und SPD jeweils 100.000 Euro, an die Grünen, CSU und FDP gingen je 40.000 Euro. Das sind weder gemessen an Daimlers Milliardengewinnen beachtliche Summen, noch gemessen an den Millioneneinnahmen der Parteien: Der Anteil der Spenden an den Gesamteinnahmen variiert zwischen rund acht Prozent bei Linken und SPD, 22 Prozent bei der CDU und 39 Prozent bei der FDP. Von 35 Millionen Euro, die die CDU im Jahr 2017 insgesamt an Spenden erhalten hat, machen Daimlers 100.000 Euro einen verschwindend geringen Teil aus.
Wieso dann die Aufregung? Es mag die Angst vor einem Präzedenzfall sein. Wird Daimler womöglich nicht der Letzte sein, der den Geldhahn zudreht?
Um dem vorzubeugen, kommt das ganz große Besteck zum Einsatz. Politiker werfen Daimler und Co. Verantwortungslosigkeit vor, weil sie die Konzerne in der demokratischen Pflicht sehen. Daimler etwa sei mehr als ein Unternehmen. Er sei Arbeitgeber für viele Tausend Menschen und habe mit seinen Autos das Image der deutschen Wirtschaft geprägt. Muss ein solches Unternehmen nicht Verantwortung zeigen und dem System, in dem es prosperieren konnte, etwas zurückgeben? Dieses System hat schließlich eine politisch-wirtschaftliche Stabilität geschaffen, die dem Unternehmen seine Erfolge ermöglicht hat. Und weil Parteien im politischen System der Bundesrepublik eine herausragende Rolle von Verfassungsrang haben, müssen Unternehmen, die verantwortungsvoll handeln, Parteien unterstützen – so die leicht moralisierende Argumentation.
Die eigentliche Frage aber lautet: Wieso spenden Unternehmen eigentlich an Parteien? Einfach nur, damit das Parteiensystem stabil bleibt? Ein solches Verantwortungsgefühl mögen Manager hegen, doch das wird kaum immer der primäre Grund für Parteispenden sein. Unternehmen sind in erster Linie immer noch Unternehmen. Sie haben Interessen, die sie zu verwirklichen versuchen. Daimler will Autos verkaufen und damit Geld verdienen. Das ist erst einmal nicht verwerflich, sondern liegt in der Natur der Sache.
Wenn die Unternehmensführung findet, dass der politische Status quo ihr ein vorteilhaftes Umfeld bietet, kann sie den Akteuren, die am System beteiligt sind, Geld spenden. Allerdings, und das ist vielleicht der Unterschied zwischen der Lesart der Politiker und der Politikwissenschaftler, sind Parteispenden keine selbstlose Unterstützung, einfach weil Unternehmen Demokratie und Parteien gut finden. Sie sind eines von mehreren Mitteln, um ein Interesse – Geld verdienen durch Autoverkauf – durchzusetzen. Und auch das ist legitim.
„Ein demokratietheoretisches Problem sehe ich überhaupt nicht“
Bernd Schlipphak Politikwissenschaftler, Uni Münster