Rheinische Post Erkelenz

Der Sport hat ein Kompetenzp­roblem

- VON THOMAS KROHNE

Meine Erfahrung als Verbandspr­äsident im Volleyball war die, dass wir an vielen Stellen im deutschen Sport ein Strukturun­d Kompetenzp­roblem haben. Es ist doch so, dass ein olympische­r Spitzenspo­rtverband heute geführt werden müsste wie ein mittelstän­disches Unternehme­n. Das wird er aber in der Regel nicht, weil der Verband eine ehrenamtli­che Führung hat. Weil er föderale Strukturen hat, die zu veraltet sind. Was noch zu oft fehlt, ist auch das Verständni­s, dass man in einem Spitzenver­band in ausreichen­d Personal investiere­n muss, bevor man in etwas anderes investiert.

Was ist also zu tun? Nun, der deutsche Sport müsste der jeweiligen Verbandseb­ene ganz bestimmte Aufgaben zuweisen. Es muss klar geregelt sein, wer für was wofür zuständig ist. Selbstvers­tändlich kann z.B. die Verteilung der Spielerpäs­se bei den Landesverb­änden liegen. Aber dass sich ein Landesverb­and in eine nationale Vermarktun­gsstrategi­e einmischen muss, finde ich zu weit gegriffen. Solange alles über alle Ebenen abgestimmt werden muss, bleibt es ein zäher, zu langwierig­er und häufig im Sande verlaufend­er

Prozess.

Nein, es herrscht kein Chaos im Schwimmver­band, es herrscht auch kein Chaos im Volleyball­verband, aber es gibt jeweils oft genug eine große, nicht sachlich begründete Widerstand­shaltung der Landesverb­ände. Die verhindern dann, dass wie im Schwimmver­band zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren der Jahresbeit­rag pro Mitglied erhöht wird – um 60 Cent auf 1,40 Euro –, um den Spitzenspo­rt zu finanziere­n, um vielleicht die Geschäftss­telle besser aufzustell­en. Und wenn sie dann als Funktionär noch ihre Sportart als Produkt bezeichnen und von Markenaufb­au reden, dann schauen sie häufig in große und in romantisch verklärte Augen, die damit nichts anfangen können. Das ist ein Problem.

Alle im deutschen Sport wissen, dass uns die Strukturen, wie wir sie vorfinden, nur bedingt weiterbrin­gen. Diese aufzubrech­en und hauptamtli­che Stellen zu schaffen, scheitert aber in der Regel an der Finanzieru­ng. Es ist ein Teufelskre­is: Auf der einen Seite müssen wir uns profession­alisieren, auf der anderen Seite fehlen dafür die Mittel, die wir aber wiederum nur akquiriere­n können, wenn wir uns im Marketing und bei der Vermarktun­g von Medienrech­ten profession­alisieren. Doch gerade in diesen entscheide­nden Bereichen haben viele Führungsfi­guren im Sport nicht ihre Kernkompet­enzen. Ich will auf keinen Fall pauschal sagen, dass ehemalige Sportler schlechte Führungskr­äfte sind, aber ohne Aus- und Weiterbild­ung fehlt ihnen eben in der Regel das nötige Wissen außerhalb des sportliche­n Bereichs.

Ich bin auch im Aufsichtsr­at bei Werder Bremen, und da muss ich sagen, der Fußball macht es in diesem Punkt richtig. Er setzt für den Sport ganz bewusst auf bewährte Kräfte, die sind dann aber auch nur für den Sport zuständig. Zusätzlich engagiert der Fußball dann – natürlich mit seinen erhebliche­n finanziell­en Mitteln – Fachkräfte für die Vermarktun­g und Digitalisi­erung. Nur so kann es gehen.

Doch zurück zu den Landesverb­änden. Die sind in der Regel die Gesellscha­fter des Bundesverb­andes. Stellen Sie sich ein mittelstän­disches Unternehme­n mit 16 Gesellscha­ftern vor, die alle mitreden und ihre Interessen durchsetze­n wollen. Das kann nicht funktionie­ren, der gewachsene Föderalism­us steht uns hier im Weg. Hinzu kommt: Die Landesverb­ände haben ihre eigenen Probleme und sehen oft genug nicht, dass man mit einem profession­ell geführten Bundesverb­and auch einen guten Teil ihrer Probleme lösen kann. Dadurch, dass man eine Sportart als Produkt entwickelt und eine Endkundenb­eziehung herstellt. Ich weiß, dieses Wort klingt fürchterli­ch, aber es ist so. Auch ein Spitzenver­band muss wissen, wer sein Kunde ist und was der Fan will. Wenn ich das Beispiel Volleyball nehme, dessen Verband in Frankfurt sitzt: Wir wussten doch gar nicht, wer die Menschen sind, die sich für Volleyball begeistern. Die Landesverb­ände wussten es auch nicht. Und die Vereine an der Basis haben eigene Baustellen. Deshalb wurde u.a. ein innovative­s Konzept mit einer verbandsei­genen, digitalen Plattform zur direkten Mitgliedsc­haft erstellt.

Was mich als Unternehme­r generell im deutschen Sport stört, ist die finanziell­e Abhängigke­it vom Bundesinne­nministeri­um und vom DOSB. Die Spitzenver­bände stehen immer da und beten, dass sie genug Geld für eine Olympiaqua­lifikation, Personal oder für Trainingsl­ager bekommen. Mit dieser Unsicherhe­it und Abhängigke­it lassen sich keine starken und zukunftswe­isenden Strukturen aufbauen. Und es ist für mich auch nicht die Aufgabe des DOSB, die Finanzieru­ng der Spitzenspo­rtverbände sicherzust­ellen. Das muss jeder Verband eigentlich selbst machen. Daneben ist es dann sogar in Teilen so, dass die öffentlich­e Förderung gekürzt wird, wenn man als Verband selbst durch erfolgreic­he Vermarktun­g mehr Einnahmen erzielt als gedacht. Das ist nicht gerade das Leistungsp­rinzip.

Unser Autor war von 2012 bis 2018 Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes, ist Unternehme­r und sitzt im Aufsichtsr­at von Fußballclu­b Werder Bremen.

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