Terroristen aus gutem Hause
Nach dem blutigen Ostersonntag in Sri Lanka mit mindestens 359 Toten gibt es erste Informationen über die islamistischen Attentäter. Die muslimische Gemeinschaft hatte die Behörden gewarnt.
DUBAI/COLOMBO Der junge Mann stellte sich als „Umar“aus Oddamaavadi vor. „Ich dachte, er sei einer von den vielen neuen Leuten, die zu uns in die Kirche kommen“, sagt Pastor Kumaran von der Zion-Kirche in Batticaloa, einem Küstenort im Osten von Sri Lanka. Der Mann verwickelte den Pastor in ein Gespräch. Trotz der beiden großen Taschen des Besuchers habe er nichts Auffälliges an ihm gefunden, erzählt der Geistliche dem „Daily Mirror“. Der Pastor machte den Besucher mit einem anderen Gemeindemitglied bekannt. Doch bei diesem klingelten die Alarmglocken, und er versuchte, den jungen Mann vom Kirchengelände zu lotsen. Als „Umar“ins Gotteshaus eindringen wollte, verstellte er ihm den Weg. Im nächsten Moment zündete der Besucher seinen Sprengsatz. Mehr als 28 Menschen wurden getötet, darunter 14 Kinder – auch Kumarans Sohn.
Bei der Serie von Selbstmordattentaten in Sri Lanka am Ostersonntag starben insgesamt mindestens 359 Menschen, um die 500 wurden verletzt. Die Regierung warnt vor weiteren Anschlägen. Am Mittwoch wurde erneut ein Sprengsatz gefunden.
Die Zion-Kirche in Batticaloa scheint nicht die erste Wahl des Selbstmordattentäters gewesen zu sein. Vor der 200 Jahre alten Marien-Kathedrale, etwa 50 Meter entfernt, war „Umar“zuerst erschienen. Auch dort hatte er ein Gespräch mit dem Priester angefangen, nur um zu erfahren, dass der Ostergottesdienst mit mehr als 1000 Gläubigen bereits beendet war. Gegen 8.30 Uhr, als der Selbstmordattentäter vor der blau getünchten Kirche auftauchte, waren die meisten Besucher schon weg. Das verhinderte dort offenbar Schlimmeres.
Wie „Umar“traten auch die anderen Attentäter enorm selbstbewusst auf. Das Video einer Überwachungskamera an der St. Sebastianskirche in Negombo zeigt einen von ihnen, wie er mit Rucksack auf das Gebäude zugeht. Auf dem Vorplatz kreuzt sich sein Weg mit dem eines kleines Mädchens in einem weißen Kleid. Der Mann streicht dem Kind über den Kopf, nur Sekunden später zündet er seinen Sprengsatz.
Auch die Attentäter, die die Luxus-Hotels in Colombo angriffen, waren gefasst und selbstsicher. Einer von ihnen stellte sich mit einem Teller am Frühstücksbuffet an, bevor er seine Bombe zündete. Zahran Hashim alias Abu Ubaida soll einer der Attentäter gewesen sein, der sich im schicken Restaurant des Shangri-La-Hotels mit Militärsprengstoff in die Luft jagte. Sein Bruder soll den Anschlag im Cinnamon Grand-Hotel verübt haben. Die Geschwister stammen aus einer reichen Familie von Gewürzhändlern. Laut Polizeiangaben waren die neun Selbstmordattentäter allesamt Bürger von Sri Lanka, acht Männer und eine Frau, die mit einem der Attentäter verheiratet war.
„Die Selbstmordattentäter sind fast alle gut gebildet und kommen aus der Mittel- oder gehobenen Mittelschicht. Sie sind finanziell recht unabhängig und ihre Familien leben in stabilen Einkommensverhältnissen“, erklärte Sri Lankas Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene. „Das ist ein besorgniserregender Faktor.“Manche von ihnen haben offenbar im Ausland studiert und haben Studienabschlüsse, etwa als Juristen. Ein Attentäter soll in Großbritannien und später Australien studiert haben.
Sri Lankas Regierung macht die weitgehend unbekannte „National Tawheed Jamath“(NTJ) für die Attentate verantwortlich. Es soll angeblich Rache für den Anschlag auf eine Moschee in Christchurch in Neuseeland gewesen sein, bei dem im März 50 Menschen starben. Die Organisation habe aber Hilfe eines internationalen Netzwerks gehabt. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatte sich am Dienstag zu dem Anschlag bekannt und Videos und Fotos der mutmaßlichen Selbstmordattentäter verbreitet. Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern erklärte jedoch, ihre Regierung habe keine Hinweise auf einen direkten Zusammenhang zwischen den Anschlägen in Sri Lanka und Christchurch.
Indien hatte Sri Lanka zuvor mehrfach konkrete Hinweise auf einen geplanten Anschlag von Islamisten zukommen lassen. Quelle war offenbar eine dem IS nahestehende Person in Südindien. Die letzte Warnung sei nur einige Stunden vor den Attentaten erfolgt. Offenbar nahmen die Behörden in Sri Lanka diese aber nicht ernst. Die Regierung nahm dies am Mittwoch zum Anlass, die gesamte Führungsriege bei Polizei, Armee und den Geheimdiensten auszutauschen. Präsident Maithripala Sirisena kündigte zudem Umstrukturierungen an.
Sri Lankas muslimische Gemeinschaft fürchtet sich vor Repressalien. Radikal-buddhistische Mönche haben in den letzten Jahren anti-muslimische Unruhen angezettelt. Muslimische Führer hatten Polizei und Nachrichtendienste schon länger vor Hass-Predigern in Sri Lanka gewarnt, darunter auch Zahran Hashim, der die Anschläge geplant haben soll. „Diese Leute haben Gehirnwäsche betrieben“, sagt Reyyaz Salley von der Shaikh-Usman-Waliyullah-Mosche. „Wenn die Behörden unserem Rat gefolgt wären, hätte dies alles verhindert werden können.“