Geldstrafe für Dieb von Richter-Altpapier
Der Kölner Künstler hatte Skizzen weggeworfen. Ein Mann nahm sie mit und wollte sie zu Geld machen.
KÖLN Vier postkartengroße Skizzen hat Gerhard Richter im Juli 2016 in seine Altpapiertonne gesteckt. Sie gefielen dem Künstler nicht, er hatte sie „als misslungen verworfen“, wie es am Mittwoch im Kölner Amtsgericht hieß. Michael W. war damals am Atelier des Künstlers im Kölner Nobel-Stadtteil Hahnwald und nahm die Bilder mit. Er habe sie nicht aus der Altpapiertonne gefischt, sagt der 49-Jährige, die Skizzen hätten in der Auffahrt neben der Tonne gelegen, die vom Wind umgeworfen worden sei. Die Staatsanwaltschaft wird dem dem arbeitslosen Mann aus München Diebstahl, auch wenn der Angeklagte keine hohe kriminelle Energie aufbringen musste, um an die Skizzen zu gelangen.
Gerhard Richter gehört zu den wichtigsten und teuersten Künstlern der Welt gehört. Vor einigen Jahren versteigerte das Auktionshaus Sotheby’s ein Richter-Gemälde für 26,4 Millionen – so viel wurde noch nie für das Werk eines noch lebenden Malers gezahlt. „Der Angeklagte wollte die Bilder zu Geld machen“, sagt der Staatsanwalt. Das ist unstrittig: Michael W. brachte zwei der Skizzen etwa ein Jahr später zu einem Münchener Auktionshaus, erzählte einer Kunsthistorikerin sogar, dass er sie neben dem Atelier Richters „gefunden“habe. Das Auktionshaus schaltete die Polizei ein, nachdem die Historikerin mit Mitarbeitern des Richter-Archivs in Dresden gesprochen hatte.
Auch dort hatte W. die Bilder gezeigt. „Es waren von Richter übermalte Fotos“, erinnert sich der Archivleiter. Sie hätten allerdings keine Künstler-Signatur gehabt und seien auch nicht gerahmt gewesen – das sei ihm merkwürdig vorgekommen. Auf Nachfrage habe W. erzählt, ein befreundeter Künstler habe ihm die Bilder überlassen, Richter habe sie diesem geschenkt. Der Archiv-Leiter hakte bei Richter nach, doch der wusste nichts von einer solchen Schenkung und zeigte W. an.
Nun ist es so, dass der Künstler überhaupt nicht daran interessiert ist, dass der Mann, der sein Altpapier hat mitgehen lassen, für den Diebstahl bestraft wird – er möchte nur verhindern, dass die Bilder auf den Kunstmarkt gelangen. So beschreibt es ein Polizeibeamter, der Richter vernommen hat. „Ich hatte den Eindruck, dass er lieber seine Ruhe haben will“, sagt er. „An einer strafrechtlichen Verfolgung war er nicht interessiert.“Der 87-jährige Maler war als Zeuge geladen, hatte sich aber mit einem ärztlichen Attest entschuldigt.
Strafrechtlich ist nicht wichtig, dass der Künstler an einer Strafverfolgung nicht interessiert ist. Die Amtsrichterin stellt außerdem klar, dass auch das Mitnehmen von Müll Diebstahl ist: „Die Bilder waren Eigentum des Künstlers, der sie entsorgen wollte – auch wenn sie in der Mülltonne oder daneben lagen.“
Sie verurteilt den Angeklagten zur Zahlung von 3150 Euro. Die Kunsthistoriker waren sich einig darin, dass W. die unsignierten Werke auf dem legalen Kunstmarkt nicht hätte verkaufen können. Laut Anklage haben sie aber einen Wert von rund 60.000 Euro. Die Ermittler haben drei der vier Bilder sichergestellt. Eins hat Michael W. möglicherweise noch. Er gibt sich trotzig: „Mein Ruf ist ruiniert.“Er habe versucht, mit Richter Kontakt aufzunehmen. Man hätte die Skizzen „für einen karitativen Zweck“verkaufen können. Vorher hatte er die Idee, selbst an einem Verkauf beteiligt zu werden. Vor Wochen hatte das Gericht ihm vorgeschlagen, das Verfahren einzustellen, wenn er das fehlende Bild herausgibt. Das hatte er abgelehnt.