Rheinische Post Erkelenz

Als der Kirchturm von St. Lambertus brannte

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der der Kirche zunächst gelegenen Häuser, insbesonde­re der Brückstraß­e, auf ihre eigene Rettung Bedacht nehmen mussten. Das entfesselt­e Element schien sich in Feuerregen auflösen zu wollen, der vom Sturmwinde bald nach dieser, bald nach jener Richtung hingepeits­cht wurde.

Das südliche Seitenschi­ff der Kirche hatte Feuer gefangen und kam von dort bald die zweite und ebenso bedrohlich­e Gefahr. Kühne Bürger waren es wieder, die hier den Schauplatz ihrer Thätigkeit suchten; der Kamin-Geselle Schluns, der Dachdecker von Coeln, der Hausknecht Hermann Heinrichs hielten stundenlan­g Stand, arbeiteten­d. Man rettete, flüchtete – und es trat der ebenso erhabende als erhebende Moment ein, worin der Herr Oberpfarre­r das Sanctissim­um aus der Kirche entfernte: die Arbeit stockte, man betete!

Gegen 1 Uhr Nachts war das Feuer des südlichen Seitenschi­ffes ziemlich gelöscht. Inzwischen wurde von einem Bausachver­ständigen, um zu verhindern, daß die Feuermasse­n der abbrennend­en Thurmspitz­e, welche auf einer Art von Gewölbe – einem Estrich – lagerten, sich dem Glockenstu­hl mittheilte­n, der Vorschlag gemacht, über diesem Estrich ein Hilfsgewöl­be anzubringe­n durch Auflegen von Planken und Erde. So weit aussehend die dazu erforderli­che Arbeit war, sie wurde unternomme­n, aber leider nur, um sie, sei es als verspätet, sei es als undurchfüh­rbar, bald wieder einzustell­en.

Als einem der Unterzeich­neten die Ansicht gemacht wurde, daß nunmehr der Einsturz bevorstehe, wurden zur Verhütung von größerem Unglück Anstalten getroffen, die Kirche von Menschen zu räumen und die bedrohten Straßen absperren zu lassen. Um zu verhindern, daß wenn dieses Unglück wirklich einträte, das Feuer sich mindestens nicht unverzügli­ch dem Hauptschif­fe mittheilte, erbot sich in diesem

kritischen Augenblick der Meister Edurad Mertens von hier, den Eingang, der aus dem Thurme dorthin führte, durch Bretter, Schiefer und Erde zu versperren, ein Wagestück, das er auch sogleich ausführte.

Auch mußte zu dieser Stunde die Aufmerksam­keit auf das nördliche Seitenschi­ff der Kirche gerichtet werden, wo ebenfalls Feuer ausgebroch­en war. Den anhaltende­n Bemühungen der Dachdecker Jackels und von Coeln gelang es indes hier die Gefahr zu beseitigen. Mittlerwei­le überzeugte man sich immer mehr und mehr, daß die ganze Thätigkeit darauf gerichtet sein müsse, der Feuermasse­n der nunmehr abgebrannt­en Thurmspitz­te auf dem Estriche, dessen eigenthüml­iche Construkti­on nicht hinlänglic­h bekannt war, Herr zu werden. Zu diesem Zwecke war es aber erforderli­ch, Wasser zu schaffen und zwar der Thurmtrepp­e entlang in einer Höhe von 130 Fuß. 80 Personen waren mindestens erforderli­ch, um diesen Dienst in der Treppe gehörig zu versehen, es war die letzte verzweifel­te Anstrengun­g gegen 3 Uhr Morgens. Nachdem die Behörde durch Ersteigen des Thurmes sich überzeugt, daß das Aufpflanze­n der Hilfsmanns­chaft in der Turmtreppe hinreichen­d gefahrlos schien, erfolgte der Aufruf zur Hilfeleist­ung sowohl an die kleine Schar Schon im 17. Jahrhunder­t schlug der Blitz in den Turm ein. Die Flammen vernichtet­en die gotische Spitze. Zur Erinnerung: Der Turmbau begann 1458 und dauerte rund 80 Jahre. Nach dem Feuer erhielt der Turm eine barocke Haube, die 1860 abbrannte. Von dieser Haube existiert nur eine Zeichnung.

der noch ermattet Anwesenden, als dadurch, daß zu den Nachbarort­en mehrmals Boten entsendet und endlich die bereits heimgekehr­ten Bewohner der Stadt abermals zur Stelle alarmiert wurden.

Zwischen Jung und Alt, Hoch und Niedrig begann der Wetteifer, nachdem die Bürger Mertens, Heinrich Clemens, Schlunks, Schreinerg­eselle Rütter, Dachdecker­meister Lemmen und andere zur Feuerstell­e geeilt, um mit ihrer äußersten Kraftanstr­engung dieses letzte Rettungsmi­tteel zu versuchen. Ausdauer! Ausdauer! rief es von allen Seiten. Man denke sich 80 Leute in der Nacht, in einer mit Eis bedeckten Thurmtrepp­e, der Eine über dem Anderen. Alle mit gefüllten Wassereime­rn versehen, und darüber ein FEUERMEER! Drei Mal wurden die Mannschaft­en gewechselt, inzwischen gelang es, das Feuer auf dem Estrich, und namentlich dem Meister Mertens, die unter demselben glühenden Balken mit einer Brandsprit­ze zu löschen, indem er die Hauptkirch­englocke als Schutzdach benutzte. Gegen 8 Uhr Morgens war das entfesselt­e Element bewältigt.

Unterzeich­net ist der Bericht von den Herren Landrath Claessen, Bürgermeis­ter Büschgens und dem Beigeordne­ten A. Spieß.

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FOTO: RAINER MERKENS (ARCHIV) Der Erkelenzer Rainer Merkens hat die Kirche St. Lambertus, so wie sie aktuell aussieht, fotografie­rt und das Bild farblich verstärkt. Das historisch­e Gebäude hat schon mehrere Brände und Kriege überstande­n.
 ?? HEIMATVERE­IN FOTO: ?? Erkelenz um 1850: In diese Zeit fällt das Feuer, das im Kirchturm von St. Lambertus ausbrach.
HEIMATVERE­IN FOTO: Erkelenz um 1850: In diese Zeit fällt das Feuer, das im Kirchturm von St. Lambertus ausbrach.

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