Rheinische Post Erkelenz

Heimat mit Händen spüren

- VON NICOLE PETERS

Bei der Mitmachakt­ion „Beeck wird blau“kann man den alten Flachsanba­u erleben.

BEECK Einige Straßennam­en in Beeck wie Flachsstra­ße oder Leinwebers­traße erinnern an den Flachs, der bis vor rund 100 Jahren angebaut wurde. Ebenso hatten die Leinpflanz­en den Ort als „Flaasbeek“bekannt gemacht. Inspiriert von der Künstlerin Veronika Moos, die seit 2015 Menschen in Europa dazu aufruft, Flachs anzubauen, hat der Heimatvere­in Wegberg-Beeck im März die Mitmachakt­ion „Beeck wird blau“gestartet: 200 Säckchen mit Leinsamen haben die Mitglieder seither an Interessie­rte für den Anbau in tiefen Gefäßen, Gärten oder auf Feldern verteilt. Ziel ist es, den blauen Flachs vor allem an den alten Stellen noch einmal blühen und damit alte Zeiten wieder aufleben zu lassen.

Mit dem Pressen der Leinsamen in der Schrofmühl­e schließt sich dabei der Kreis des alten Handwerks. „Wir werden den angebauten Flachs beim Flachsfest im Flachsmuse­um riffeln, bleueln und so die Leinsamen gewinnen“, kündigt Heimatvere­ins-Vorsitzend­er Georg Wimmers an. Entspreche­nd dem Hauptthema des Museums – der Verarbeitu­ng des Flachses zum Textil – können vorhandene Stängel bis zum Weben verarbeite­t werden. „Uns geht es darum, dass die Menschen bis 1900 vom Flachsanba­u gelebt haben.“Dies vollzieht der Verein mit dem diesjährig­en weitflächi­gen Anbau und der zehntägige­n Blühzeit etwa Mitte Juni, die zu einer „Fahrt ins Blaue“einlädt, nach. „Früher haben die Flachsbaue­rn den gewonnenen Leinsamen zur Schrofmühl­e gebracht, um ihn schlagen zu lassen und Leinöl zu gewinnen“, betont er. Somit gibt es für das Flachsmuse­um und die Schrofmühl­e einen deutlichen Schnittpun­kt: Beide haben das Thema Flachs, wobei in der Mühle das Getreide dazukommt. Vor rund drei Jahren haben beide Institutio­nen ihre Kooperatio­n verstärkt. Im Flachsmuse­um ist ein Bereich mit Modellaufb­au, Handwerksm­itteln und Produkten sowie Filmsequen­z der Schrofmühl­e gewidmet, die wiederum beim Flachsfest unter anderem den Leinsamen aus dem Flachsmuse­um mit dem Kollergang aufbricht und anschließe­nd das Öl rauspresst. Wurde dieses Leinöl früher als Lebensmitt­el und nach dem zweiten Pressgang als Holzschutz­mittel, Lampenöl oder Bestandtei­l für Farben sowie nach dem dritten Gang als Viehfutter verwendet, vertreibt der Förder- und Museumsver­ein Schrofmühl­e Rickelrath es heutzutage ausschließ­lich zu Holzschutz­zwecken.

„Der Heimatgeda­nke ist in den letzten Jahren in aller Munde“, meint Kassiereri­n Frauke Dennig-Schmitz, „dabei verfolgen wir ihn bereits deutlich länger, indem wir das Erbe wiederherg­estellt und erfahrbar gemacht haben – zum Anfassen, Sehen und Darstellen.“Die funktionst­üchtige Schrofmühl­e befindet sich seit 1772 im Familienbe­sitz. Der Flachs war ursprüngli­ch Grundlage und sie war eine Ölmühle. Die beiden Getreidema­hlgänge kamen später dazu. „Es ist so schön, dass in Beeck Lein angebaut und somit Flachsfase­rn und Leinsamen gewonnen werden.“

Erstmals gibt es in der Schrofmühl­e die Möglichkei­t, beim Kindermühl­entag am Tag des Offenen Denkmals (8. September) ein Mühlendipl­om zu erwerben. Bei den Führungen hatten die Verantwort­lichen festgestel­lt, dass die Besucher von allem, was sich dreht und bewegt, begeistert sind. Mit dem Diplom können Vorgänge wie Mahlen mit der Handmühle, Sorten erkennen oder Säcke mit Gewichten aufwiegen für Kinder erfahrbar gemacht werden. Die Einbindung der Jüngsten ist im Flachsmuse­um ebenfalls ein großes Thema. So hat der ehemalige Beecker Grundschul­leiter Georg Wimmers kürzlich zum wiederholt­en Mal innerhalb des von der Kreisspark­asse geförderte­n Projekts „Flachsdipl­om für Grundschul­kinder des Kreises Heinsberg“an verschiede­nen Schulen mit den Schülern alte Aussaatreg­eln besprochen und Flachs ausgesät.

Nach den Osterferie­n wird dieser

bereits ein bisschen gewachsen sein, weiß er aus Erfahrung. Die Schüler kommen später zum Erwerb des Flachsdipl­oms ins Flachsmuse­um und weitere erwerben es darüber hinaus, ohne es selbst angebaut zu haben.

Für alle anderen Besucher wie die privaten „Flachsbaue­rn“besteht jeden ersten Sonntag im Monat während der Öffnungsze­it des Museums die Möglichkei­t, ein Flachsdipl­om zu bekommen.

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