Rheinische Post Erkelenz

Noch einmal Weltunterg­ang

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die „Avengers“-Saga geht in die letzte Runde: Zu Beginn von „Endgame“sind die Superhelde­n in keinem guten Zustand.

Nur ein Fingerschn­ipsen genügte dem Bösewicht Thanos im letzten „Avengers“-Film, um die Hälfte der Menschheit zu Staub zerfallen zu lassen. Unter den Opfern waren auch verdiente Helden aus dem Marvel-Universum, die in den letzten zehn Jahren mitgeholfe­n hatten, Milliarden­gewinne in die Konzernkas­se zu spülen. Es war ein Film-Ende, das gerade im Mut zur Stille seine poetische Zerstörung­skraft entfaltete – und nicht nur unter eingefleis­chten Comic-Film-Fans als größter Cliffhange­r der Filmgeschi­chte gilt. Man durfte gespannt sein, wie die Story-Architekte­n sich nach einem solch riesigen „Unhappy End“im angekündig­ten Finale wieder aus der Affäre ziehen.

Und so herrscht zu Beginn von „Avengers: Endgame“auf dem Planeten Erde zunächst die große Depression. Die Reihen im Superhelde­nlager sind gelichtet und die Trauer um die verlorenen Kollegen groß. Captain America (Chris Evans) leitet eine Selbsthilf­egruppe für die Hinterblie­benen der Massenvern­ichtung und glaubt nicht an seine eigenen Durchhalte­parolen. Iron Man (Robert Downey Jr.) hat sich ins Privatlebe­n zurückgezo­gen und konzentrie­rt sich auf die Erziehung seiner fünfjährig­en Tochter. Black Widow (Scarlett Johansson) leitet müde die Zentrale zur Verbrechen­sbekämpfun­g, während sich der omnipotent­e Thor frustriert dem Suff ergibt. Wie Jeff Bridges in „The Big Lebowski“sieht Chris Hemsworth aus, dem die Pixelmeist­er Bierwampe und Schwimmrei­fen auf den Astralleib geschnürt haben.

Die rettende Idee kommt ausgerechn­et vom kleinsten Mitglied im Superhelde­n-Team. Ant-Man (Paul Rudd) hat die Halbierung der Menschheit irgendwo im Zeittunnel verbracht, dessen quantenthe­oretische Erklärung schon in „Ant-Man and the Wasp“keiner verstanden hat. Er will die Technik dazu nutzen, um zurück in die Vergangenh­eit zu reisen. Dort soll das Avengers-Kollegium jene magischen Steine einzusamme­ln, die Thanum seine zerstöreri­sche Kraft verliehen haben.

Dass das Instrument der Zeitmaschi­ne ein äußerst abgegriffe­nes Hilfsmitte­l in diesem Genre ist, dessen sind sich auch die Regisseure Anthony und Joe Russo bewusst. Durch selbstiron­ische Verweise auf so ziemlich alle einschlägi­gen Zeitreisef­ilme versuchen sie diese erzähleris­che Schwäche unschädlic­h zu machen, was ihnen fast gelingt. Und so teilt sich das Avengers-Kollektiv auf, um in Kleingrupp­en der Steine habhaft zu werden, die auf der Erde und fernen Planeten versteckt sind. Dabei wird tapfer gekämpft und noch tapferer gestorben und der Mythos superheroi­scher Unbesiegba­rkeit zur Steigerung der Spannung teilweise unterminie­rt.

Auf schlappe drei Kinostunde­n haben die Russos den letzten Akt der „Avengers“-Reihe gestreckt und rekrutiere­n im finalen Kampfgemet­zel so ziemlich jeden Superhelde­n, der in den vergangene­n paar Jahren unter dem einträglic­hen „Marvel“-Siegel das Licht der Leinwand erblickt hat. Langweilig wird es trotz der Überlänge bei der ausufernde­n Betriebsfe­ier jedoch nicht, weil das Regie-Duo die epische Breite immer wieder durch Humor auflockert und sich auch die Zeit für ruhigere Momente nimmt, in denen die Figuren zu (bescheiden­en) Selbstrefl­exionen ausholen dürfen.

Ob es nach diesem rauschende­n Finale in naher Zukunft einen Relaunch der „Avengers“-Filme geben wird, darüber darf munter spekuliert werden. Das wird vor allem in neuen Vertragsve­rhandlunge­n mit den Schauspiel­ern entschiede­n, von denen einige sichtbar den finalen Ausstieg suchen, andere wie Brie Larsons „Captain Marvel“und Chadwick Bosemans „Black Panther“sich gerade erst warm gelaufen haben.

Wiederaufe­rstehungen gehören im Hause „Marvel“auf jeden Fall zur Konzernstr­ategie: Der ertragreic­he „Spider-Man“wurde innerhalb von nur 16 Jahren schon viermal zu neuem Leben erweckt.

Avengers: Endgame, USA 2019 – Regie: Anthony und Joe Russo, mit Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Chris Hemsworth, 181 Min. Bewertung:

 ?? FOTO: DPA ?? Thor (Chris Hemsworth) muss sich zunächst einmal den Bierbauch abtrainier­en. Das gelingt in „Avengers 4: Endgame“aber ziemlich schnell.
FOTO: DPA Thor (Chris Hemsworth) muss sich zunächst einmal den Bierbauch abtrainier­en. Das gelingt in „Avengers 4: Endgame“aber ziemlich schnell.

Newspapers in German

Newspapers from Germany