Rheinische Post Erkelenz

Star-Anwalt soll bei Bayer-Klagen schlichten

Kenneth Feinberg wird oft gerufen, wenn Konzerne Opfer entschädig­en müssen. Nun hat ein US-Richter den Anwalt als Mediator für Hunderte Glyphosat-Klagen bestellt. Die Klägeranwä­lte sind zufrieden.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN Wenn Konzerne in den USA so richtig im Schlamasse­l stecken, wenn sie die Gesundheit oder gar das Leben von Bürgern auf dem Gewissen haben, schlägt die Stunde von Kenneth Feinberg. Der 73-Jährige ist Staranwalt aus New York. Und der Staat oder die Konzerne bitten ihn gerne um Hilfe, wenn es gilt, heikle Fälle zu schlichten oder Opfer von Unglücken zu entschädig­en. Nun soll Feinberg sich der Klagen von Farmern und Verbrauche­rn annehmen, die Monsantos glyphosath­altigen Unkrautver­nichter Roundup für ihre Krebserkra­nkung verantwort­lich machen. Der kalifornis­che Richter Vince Chhabria, bei dem Hunderte der 13.400 Glyphosat-Klagen gebündelt sind, bestellte Feinberg nun zum Mediator.

Chhabria verhandelt­e auch den Fall des krebskrank­en Ed Hardeman, dem eine Geschworen­en-Jury 80 Millionen Dollar Schadeners­atz zugesproch­en hatte. Der Fall gilt als richtungsw­eisend für Hunderte andere Klagen. Chhabria hatte im April beide Seiten aufgeforde­rt, einen Mediator zu bestellen. Doch da diese sich nicht einigen konnten, bat Chhabria nun Feinberg um Hilfe. Der Anwalt soll sich laut der Agentur Reuters binnen 14 Tagen mit Vertretern beider Seiten treffen und einen möglichen Vergleich ausloten.

Feinberg wurde schon oft von Justiz oder Politik gerufen. So verwaltete er den Entschädig­ungsfonds für die Opfer der Terroransc­hläge vom 11. September. Bei 900 Hearings war er dabei und verteilte sieben Milliarden Dollar an Opfer und Hinterblie­bene. Er selbst war ehrenamtli­ch tätig. Ebenso übernahm er die Organisati­on der Entschädig­ungen nach dem Anschlag beim Boston Marathon 2013. In der Finanzkris­e wurde er zum Aufpasser in Unternehme­n bestellt, die staatlich gerettet werden mussten. Hier kürzte er die Gehälter von Managern, die nicht von sich aus kürzer traten. Für den Glyphosat-Fall dürften vor allem seine Erfahrunge­n mit Wirtschaft­sskandalen zählen. Nach der Ölkatastro­phe im Golf von Mexiko, wo 2010 eine Bohrplattf­orm von BP (Deepwater Horizon) unterging, verwaltete er den Entschädig­ungsfonds. Und er arbeitete für den Konzern General Motors, der viele Autos wegen defekter Zündschlös­ser zurückrief, sie wurden mit Todesfälle­n in Verbindung gebracht. Auch hier hing es um Entschädig­ungen. In Deutschlan­d ist er nicht unbekannt: 2016 wurde Feinberg gerufen, um den Fonds zu managen, den Volkswagen auflegen musste, um Hunderttau­sende Dieselfahr­er in den USA zu entschädig­en.

Beste Voraussetz­ungen also, um auch im komplexen Glyphosat-Fall zu Einigungen zu kommen. Klägeranwa­lt Michael Miller sagte der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“, er sei sehr zufrieden mit der Ernennung, Feinberg sei einer der erfolgreic­hsten Mediatoren in den USA, weil er umsichtig und fair mit beiden Seiten umgehe.

Bislang will Bayer noch nichts von Vergleiche­n wissen. Der Konzern, der Monsanto 2018 übernahm, verweist stets darauf, das Glyphosat bei sachgerech­ter Anwendung sicher sei und Monsanto keine Gefahren verschleie­rt habe. Drei Jurys konnte Bayer damit nicht überzeugen, zuletzt verurteilt­e eine Jury die Leverkusen­er zu zwei Milliarden Dollar Schadeners­atz. Bayer setzt nun auf die Berufungsv­erhandlung­en, in denen Berufsrich­ter und nicht Geschworen­e entscheide­n. Doch selbst die Klagen gegen das Schlaganfa­llmittel Xarelto, bei denen Bayer die ersten Prozesse gewonnen hatte, legte der Konzern im März nach fünf Jahren durch Vergleiche und die Zahlung von insgesamt 775 Millionen Dollar bei.

Die Bayer-Aktie gab am Donnerstag um drei Prozent nach und schloss bei 54 Euro.

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