Tritt die nächste Generation an die Spitze eines Familienunternehmens, wollen die jungen Firmenlenker das Unternehmen in eine neue Zukunft führen und dazu auch einiges verändern. Doch in der Regel ist das Unterfangen kein Selbstläufer. Daher müssen Überge
Marius Matthiesen weiß, was es heißt, einen Betrieb zu übernehmen. Der 34-Jährige steht seit 2014 an der Spitze des Familienunternehmens Matthiesen + Warnt in Mönchengladbach, einem Spezialisten für internationale Spedition und Logistik. Der Fokus liegt auf dem Güterverkehr nach und aus Frankreich. Mit Marius Matthiesen ist jetzt die dritte Generation in dem Traditionsunternehmen tätig, nach dem Gründer Broder Matthiesen (Großvater) und dem Vater Wolfgang Matthiesen.
Auch wenn Marius Matthiesen natürlich schon immer eng mit dem Unternehmen verbunden war, war sein Einstieg in der Geschäftsführung kein Selbstläufer: „Es ist immer schwer, wenn man neu in ein Familienunternehmen kommt, in dem alle Prozesse seit Jahren fest etabliert sind. Da ist der Veränderungswille meist recht spärlich. Als Nachfolger ist man also gefragt, sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten, dass nicht alles, was schon immer so gemacht wurde, deswegen auch weiterhin die ideale Vorgehensweise ist. Dieser Veränderungsprozess dauert meist sehr lange.“
Marius Matthiesen hat aber selbst erlebt, dass dieser Prozess irgendwann erfolgreich ist. Nach und nach hätten sich alle Beteiligten daran gewöhnt und feststellt, dass der Nachfolger nicht aus reinem Aktionismus etwas verändert, sondern um mit der Zeit zu gehen. Wichtig sei aber, dass der Nachfolger nicht in den Betrieb eintrete und dann meine, alle Strukturen und Prozesse von heute auf morgen umwerfen zu können, weil er sie in einem anderen Unternehmen anders (und vielleicht besser) kennengelernt hat. „Es erfordert Geduld und Demut, sehr behutsam vorzugehen“, betont Matthiesen.
Mittlerweile ist der Jungunternehmer fest etabliert – auch bei den Mitarbeitern, die oftmals schon bis zu 30 Jahre bei Matthiesen + Warnt tätig sind. Diese gewöhnten sich nicht schnell an Veränderungen, und manchmal spüre man auch Widerwille gegen alles Neue. „Aber meist merken sie dann recht schnell, dass es ja zum Wohl des Unternehmens und natürlich auch ihres Arbeitsplatzes ist“, berichtet Marius Matthiesen aus Erfahrung.
Für Jens Bormann, Steuerberater und Partner von Beyel Janas Wiemann + Partner aus Geldern und Kempen, zeigt dies einmal mehr, dass eine Unternehmensnachfolge ein langjähriger Prozess ist, der sehr gut geplant, vorbereitet und durchgeführt werden muss. „Selbst wenn die Übertragung in der Familie stattfindet und sich die Beteiligten schnell einig sind, existieren noch zahlreiche innere und äußere Faktoren, die Einfluss auf die Nachfolge haben. Die Anforderungen in der Unternehmensnachfolge sind hoch“, sagt Bormann, der mit seinen Partnern regelmäßig Familienunternehmer und deren Nachfolger steuerlich, betriebswirtschaftlich und strategisch berät. Natürlich seien auch steuerliche Themen sehr wichtig, insbesondere hinsichtlich der Schenkungsteuer bei der Übertragung von Anteilen zu Lebzeiten. Auch dies lasse sich mittels der steuerlichen Freibeträge, die alle zehn Jahre griffen, in einem längeren Prozess steueroptimiert gestalten. „Aber die steuerliche Komponente ist nicht das allein Entscheidende. Übergeber und Nachfolger müssen eine Nachfolgestrategie aufsetzen, um das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen und keine Unzufriedenheit bei einer der Parteien aufkommen zu lassen. Wenn keine Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) untersucht unter anderem die Unternehmensnachfolgesituation in Deutschland. Die aktuellen Zahlen sind beeindruckend: Die vorliegende Schätzung für den Zeitraum 2018 bis 2022 kommt zum Ergebnis, dass etwa 150.000 Unternehmen mit rund 2,4 Millionen Beschäftigten zur Übergabe anstehen. „Das Thema Unternehmensnachfolge genießt seit Jahren hohe Aufmerksamkeit, auch weil mit dem Scheitern einer Unternehmensnachfolge die Vermutung eines volkswirtschaftlichen Schadens, vor allem der Verlust von Arbeitsplätzen, verbunden wird“, heißt es beim IfM Bonn.
„Damit es nicht zu Vermögensschäden kommt, ist bei einer Unternehmensnachfolge eine enge fachliche Begleitung notwendig. Es können viele Fehler passieren, die die Zukunft des Unternehmens, die finanzielle Sicherheit des Senior-Unternehmers und möglicherweise auch den Familienfrieden aufs Spiel setzen können. Familie und Unternehmen sind im Mittelstand oft untrennbar verbunden“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Guido Krüger (Beiten Burkhardt), der regelmäßig Familienunternehmen und deren Nachfolger und Käufer bei diesen Prozessen berät.
Im Fokus stehe unter anderem Einigkeit besteht, können Konflikte zwischen den Generationen den Unternehmenserfolg und natürlich auch das persönliche Verhältnis gefährden“, warnt Jens Bormann. Er weiß aber auch, dass eine Schenkungsstrategie aus strategischen Gesichtspunkten Sinn ergeben kann: „Dadurch können Nachfolger behutsam an die Verantwortung herangeführt werden, und die Eigentümer geben diese nach und nach ab. Das kann die Übergabe maßgeblich vereinfachen.“
Ein aktuelles Beispiel aus der Beratungspraxis von Jens Bormann ist das Unternehmen Holzbau van Aaken aus Kevelaer am Niederrhein. Das mittelständische Handwerksunternehmen wurde 1719 gegründet und wird in der 14. Generation vom Diplom-Ingenieur Heinz-Josef van Aaken geführt. Holzbau van Aaken bietet Leistungen aus Zimmerei, Holzhausbau, Denkmalpflege, Schreinerei und Tischlerei sowie dem Ingenieurwesen an. Die 15. Generation steht in den Startlöchern: Heinz-Josef van Aaken wird den Betrieb voraussichtlich im Herbst dieses Jahres an seinen Sohn Martin übertragen. Der Junior ist schon lange im Betrieb tätig. „Die Übertragung ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, in dem ich mich mit der Unternehmensführung und den wichtigen Strukturen vertraut die steuerliche Gestaltung der Unternehmensnachfolge. Gerade seit der Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer könne es schneller zu einer steuerlichen Belastung kommen als in der Vergangenheit. Durch Grundstücksund Immobilienbesitz könnten schnell hohe Unternehmenswerte entstehen, die dann wiederum zu Erbschaftbeziehungsweise Schenkungsteuer führten.
Die Grenze dafür liege bei 26 Millionen Euro pro Erwerb. „Daher können auch Eigentümer größerer Unternehmen Chancen der steuerfreien Übertragung nutzen, indem alle zehn Jahre Anteile steuerfrei übergeben werden. Wichtig ist deshalb, den Wert eines Unternehmens sehr genau und vor allem frühzeitig zu berechnen.“
Guido Krüger betont auch, dass sich Unternehmer gegen unerfreuliche Entwicklungen nach der Übertragung absichern könnten. Das Stichwort lautet Rückforderungsvorbehalt. Dadurch kann der Senior-Unternehmer auch nach der Schenkung noch eingreifen, zum Beispiel bei offensichtlichem gemacht habe. Jetzt ist die richtige Zeit, die Verantwortung auch gesellschaftsrechtlich zu übernehmen“, sagt Martin van Aaken, der auf die Bedeutung einer engen Kooperation zwischen Nachfolger und Übergeber – in dem Falle zwischen Vater und Sohn – hinweist.
„Wichtig ist es, den Wert eines Unternehmens sehr genau und vor allem frühzeitig zu berechnen“
Missmanagement oder Verhalten, das gegen die Werte des Unternehmens ausgerichtet ist, etwa hinsichtlich der Mitarbeiterführung. Das bedeutet: „Durch bestimmte Schritte können Unternehmer viel Stress und Ärger vermeiden. Daher ist von einer Unternehmensnachfolge ohne Beratung abzuraten“, sagt der Rechtsanwalt.
Auch Prof. Dr. Holger Wassermann von der Unternehmensberatung Intagus mit Standorten in Berlin und im Rheinland stellt heraus, dass Beratung mit Weitsicht bei der Nachfolge sehr wichtig ist. Intagus begleitet Käufer und Verkäufer bei Unternehmenstransaktionen, oftmals im Kontext der Nachfolge. „Das betrifft sowohl Eigentümer als auch Nachfolger. Wir stellen gerade mit Blick auf den Unternehmensverkauf fest, dass Eigentümer den Prozess sehr vereinfachen können, wenn sie frühzeitig alle wichtigen Dokumente zusammenstellen und eventuelle Schwachstellen im Unternehmen beseitigen. Das verschafft Ruhe und Gelassenheit im Verkaufsprozess und verhindert negative Überraschungen bei den Preisverhandlungen. Es können sogar Verkäufe platzen, weil durch eine schlechte Vorbereitung kurz vor dem Notartermin noch massive Risiken auftauchen. Das kann auch zu Regressforderungen nach Abschluss der Transaktion führen.“