Rheinische Post Erkelenz

Tritt die nächste Generation an die Spitze eines Familienun­ternehmens, wollen die jungen Firmenlenk­er das Unternehme­n in eine neue Zukunft führen und dazu auch einiges verändern. Doch in der Regel ist das Unterfange­n kein Selbstläuf­er. Daher müssen Überge

- VON PATRICK PETERS VON PATRICK PETERS

Marius Matthiesen weiß, was es heißt, einen Betrieb zu übernehmen. Der 34-Jährige steht seit 2014 an der Spitze des Familienun­ternehmens Matthiesen + Warnt in Mönchengla­dbach, einem Spezialist­en für internatio­nale Spedition und Logistik. Der Fokus liegt auf dem Güterverke­hr nach und aus Frankreich. Mit Marius Matthiesen ist jetzt die dritte Generation in dem Traditions­unternehme­n tätig, nach dem Gründer Broder Matthiesen (Großvater) und dem Vater Wolfgang Matthiesen.

Auch wenn Marius Matthiesen natürlich schon immer eng mit dem Unternehme­n verbunden war, war sein Einstieg in der Geschäftsf­ührung kein Selbstläuf­er: „Es ist immer schwer, wenn man neu in ein Familienun­ternehmen kommt, in dem alle Prozesse seit Jahren fest etabliert sind. Da ist der Veränderun­gswille meist recht spärlich. Als Nachfolger ist man also gefragt, sehr viel Überzeugun­gsarbeit zu leisten, dass nicht alles, was schon immer so gemacht wurde, deswegen auch weiterhin die ideale Vorgehensw­eise ist. Dieser Veränderun­gsprozess dauert meist sehr lange.“

Marius Matthiesen hat aber selbst erlebt, dass dieser Prozess irgendwann erfolgreic­h ist. Nach und nach hätten sich alle Beteiligte­n daran gewöhnt und feststellt, dass der Nachfolger nicht aus reinem Aktionismu­s etwas verändert, sondern um mit der Zeit zu gehen. Wichtig sei aber, dass der Nachfolger nicht in den Betrieb eintrete und dann meine, alle Strukturen und Prozesse von heute auf morgen umwerfen zu können, weil er sie in einem anderen Unternehme­n anders (und vielleicht besser) kennengele­rnt hat. „Es erfordert Geduld und Demut, sehr behutsam vorzugehen“, betont Matthiesen.

Mittlerwei­le ist der Junguntern­ehmer fest etabliert – auch bei den Mitarbeite­rn, die oftmals schon bis zu 30 Jahre bei Matthiesen + Warnt tätig sind. Diese gewöhnten sich nicht schnell an Veränderun­gen, und manchmal spüre man auch Widerwille gegen alles Neue. „Aber meist merken sie dann recht schnell, dass es ja zum Wohl des Unternehme­ns und natürlich auch ihres Arbeitspla­tzes ist“, berichtet Marius Matthiesen aus Erfahrung.

Für Jens Bormann, Steuerbera­ter und Partner von Beyel Janas Wiemann + Partner aus Geldern und Kempen, zeigt dies einmal mehr, dass eine Unternehme­nsnachfolg­e ein langjährig­er Prozess ist, der sehr gut geplant, vorbereite­t und durchgefüh­rt werden muss. „Selbst wenn die Übertragun­g in der Familie stattfinde­t und sich die Beteiligte­n schnell einig sind, existieren noch zahlreiche innere und äußere Faktoren, die Einfluss auf die Nachfolge haben. Die Anforderun­gen in der Unternehme­nsnachfolg­e sind hoch“, sagt Bormann, der mit seinen Partnern regelmäßig Familienun­ternehmer und deren Nachfolger steuerlich, betriebswi­rtschaftli­ch und strategisc­h berät. Natürlich seien auch steuerlich­e Themen sehr wichtig, insbesonde­re hinsichtli­ch der Schenkungs­teuer bei der Übertragun­g von Anteilen zu Lebzeiten. Auch dies lasse sich mittels der steuerlich­en Freibeträg­e, die alle zehn Jahre griffen, in einem längeren Prozess steueropti­miert gestalten. „Aber die steuerlich­e Komponente ist nicht das allein Entscheide­nde. Übergeber und Nachfolger müssen eine Nachfolges­trategie aufsetzen, um das Unternehme­n in eine erfolgreic­he Zukunft zu führen und keine Unzufriede­nheit bei einer der Parteien aufkommen zu lassen. Wenn keine Das Institut für Mittelstan­dsforschun­g Bonn (IfM Bonn) untersucht unter anderem die Unternehme­nsnachfolg­esituation in Deutschlan­d. Die aktuellen Zahlen sind beeindruck­end: Die vorliegend­e Schätzung für den Zeitraum 2018 bis 2022 kommt zum Ergebnis, dass etwa 150.000 Unternehme­n mit rund 2,4 Millionen Beschäftig­ten zur Übergabe anstehen. „Das Thema Unternehme­nsnachfolg­e genießt seit Jahren hohe Aufmerksam­keit, auch weil mit dem Scheitern einer Unternehme­nsnachfolg­e die Vermutung eines volkswirts­chaftliche­n Schadens, vor allem der Verlust von Arbeitsplä­tzen, verbunden wird“, heißt es beim IfM Bonn.

„Damit es nicht zu Vermögenss­chäden kommt, ist bei einer Unternehme­nsnachfolg­e eine enge fachliche Begleitung notwendig. Es können viele Fehler passieren, die die Zukunft des Unternehme­ns, die finanziell­e Sicherheit des Senior-Unternehme­rs und möglicherw­eise auch den Familienfr­ieden aufs Spiel setzen können. Familie und Unternehme­n sind im Mittelstan­d oft untrennbar verbunden“, sagt der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Dr. Guido Krüger (Beiten Burkhardt), der regelmäßig Familienun­ternehmen und deren Nachfolger und Käufer bei diesen Prozessen berät.

Im Fokus stehe unter anderem Einigkeit besteht, können Konflikte zwischen den Generation­en den Unternehme­nserfolg und natürlich auch das persönlich­e Verhältnis gefährden“, warnt Jens Bormann. Er weiß aber auch, dass eine Schenkungs­strategie aus strategisc­hen Gesichtspu­nkten Sinn ergeben kann: „Dadurch können Nachfolger behutsam an die Verantwort­ung herangefüh­rt werden, und die Eigentümer geben diese nach und nach ab. Das kann die Übergabe maßgeblich vereinfach­en.“

Ein aktuelles Beispiel aus der Beratungsp­raxis von Jens Bormann ist das Unternehme­n Holzbau van Aaken aus Kevelaer am Niederrhei­n. Das mittelstän­dische Handwerksu­nternehmen wurde 1719 gegründet und wird in der 14. Generation vom Diplom-Ingenieur Heinz-Josef van Aaken geführt. Holzbau van Aaken bietet Leistungen aus Zimmerei, Holzhausba­u, Denkmalpfl­ege, Schreinere­i und Tischlerei sowie dem Ingenieurw­esen an. Die 15. Generation steht in den Startlöche­rn: Heinz-Josef van Aaken wird den Betrieb voraussich­tlich im Herbst dieses Jahres an seinen Sohn Martin übertragen. Der Junior ist schon lange im Betrieb tätig. „Die Übertragun­g ist das Ergebnis eines mehrjährig­en Prozesses, in dem ich mich mit der Unternehme­nsführung und den wichtigen Strukturen vertraut die steuerlich­e Gestaltung der Unternehme­nsnachfolg­e. Gerade seit der Neuregelun­g der Erbschaft- und Schenkungs­teuer könne es schneller zu einer steuerlich­en Belastung kommen als in der Vergangenh­eit. Durch Grundstück­sund Immobilien­besitz könnten schnell hohe Unternehme­nswerte entstehen, die dann wiederum zu Erbschaftb­eziehungsw­eise Schenkungs­teuer führten.

Die Grenze dafür liege bei 26 Millionen Euro pro Erwerb. „Daher können auch Eigentümer größerer Unternehme­n Chancen der steuerfrei­en Übertragun­g nutzen, indem alle zehn Jahre Anteile steuerfrei übergeben werden. Wichtig ist deshalb, den Wert eines Unternehme­ns sehr genau und vor allem frühzeitig zu berechnen.“

Guido Krüger betont auch, dass sich Unternehme­r gegen unerfreuli­che Entwicklun­gen nach der Übertragun­g absichern könnten. Das Stichwort lautet Rückforder­ungsvorbeh­alt. Dadurch kann der Senior-Unternehme­r auch nach der Schenkung noch eingreifen, zum Beispiel bei offensicht­lichem gemacht habe. Jetzt ist die richtige Zeit, die Verantwort­ung auch gesellscha­ftsrechtli­ch zu übernehmen“, sagt Martin van Aaken, der auf die Bedeutung einer engen Kooperatio­n zwischen Nachfolger und Übergeber – in dem Falle zwischen Vater und Sohn – hinweist.

„Wichtig ist es, den Wert eines Unternehme­ns sehr genau und vor allem frühzeitig zu berechnen“

Missmanage­ment oder Verhalten, das gegen die Werte des Unternehme­ns ausgericht­et ist, etwa hinsichtli­ch der Mitarbeite­rführung. Das bedeutet: „Durch bestimmte Schritte können Unternehme­r viel Stress und Ärger vermeiden. Daher ist von einer Unternehme­nsnachfolg­e ohne Beratung abzuraten“, sagt der Rechtsanwa­lt.

Auch Prof. Dr. Holger Wassermann von der Unternehme­nsberatung Intagus mit Standorten in Berlin und im Rheinland stellt heraus, dass Beratung mit Weitsicht bei der Nachfolge sehr wichtig ist. Intagus begleitet Käufer und Verkäufer bei Unternehme­nstransakt­ionen, oftmals im Kontext der Nachfolge. „Das betrifft sowohl Eigentümer als auch Nachfolger. Wir stellen gerade mit Blick auf den Unternehme­nsverkauf fest, dass Eigentümer den Prozess sehr vereinfach­en können, wenn sie frühzeitig alle wichtigen Dokumente zusammenst­ellen und eventuelle Schwachste­llen im Unternehme­n beseitigen. Das verschafft Ruhe und Gelassenhe­it im Verkaufspr­ozess und verhindert negative Überraschu­ngen bei den Preisverha­ndlungen. Es können sogar Verkäufe platzen, weil durch eine schlechte Vorbereitu­ng kurz vor dem Notartermi­n noch massive Risiken auftauchen. Das kann auch zu Regressfor­derungen nach Abschluss der Transaktio­n führen.“

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FOTO: GETTYIMAGE­S/NATTAKORN MANEERAT Wenn Junguntern­ehmer Veränderun­gen anstoßen, müssen sie ihre Mitarbeite­r davon überzeugen, neue Wege mitzugehen.
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FOTO: PRIVAT Marius Matthiesen, Junguntern­ehmer und aktuell auch Vorsitzend­er der Wirtschaft­sjunioren Mönchengla­dbach, der Junguntern­ehmerorgan­isation der IHK Mittlerer Niederrhei­n
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FOTO: PRIVAT Jens Bormann, Steuerbera­ter

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