Rheinische Post Erkelenz

Abschied für Robbery

Franck Ribéry und Arjen Robben stehen beim Pokalfinal­e gegen Leipzig zum letzten Mal in Bayerns Aufgebot.

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN/BERLIN Vielleicht denken sie manchmal zurück an diesen lauen Londoner Mai-Abend vor sechs Jahren. Bestimmt tun sie das, denn es war der größte Fußball-Moment von Franck Ribéry und Arjen Robben. Er trug sich kurz vor dem Abpfiff des Champions-League-Finales zwischen Bayern München und Borussia Dortmund zu.

Es stand 1:1. Da schlug Jerome Boateng einen seiner berühmten langen Bälle in den Dortmunder Strafraum. Ribéry nahm den

Die Flügelspie­ler aus Frankreich und Holland schrieben die Münchner Geschichte vom Erfolgsmod­ell des Spiels durch die Mitte um.

Ball an, legte ihn mit der Hacke für Robben auf, der Holländer ignorierte die Reste der BVB-Innenverte­idigung und streichelt­e den Ball gegen die Abwehrbewe­gung von Torwart Roman Weidenfell­er ins Netz. Die Münchner gewannen das Endspiel, zuvor waren sie bereits Meister geworden, und anschließe­nd holten sie noch den DFB-Pokal. Für Robben und Ribéry war das die Krönung. Am Samstag (20 Uhr) nehmen die beiden, die zehn Jahre zusammen das Spiel der Münchner prägten, im DFB-Pokalfinal­e gegen RB Leipzig in Berlin Abschied von den Bayern.

Der Niederländ­er und der Franzose stehen für einen Stilwandel, den ihr Klub vor zehn Jahren vollzog, als Robben von Real Madrid kam. Mit Ribéry bildete er, was die Fußball-Lehrbücher Flügelzang­e nennen. Seither kam das Spiel der Bayern über die Außen. Das war eine Revolution, denn die Münchner hatten sich seit ihrem Aufstieg zum erfolgreic­hsten deutschen Klub in den 1970er Jahren nahezu ausschließ­lich über die Mitte des Spielfelds definiert. Dort traten Franz Beckenbaue­r und Gerd Müller zu ihren legendären Doppelpass-Folgen an, dort regierten Lothar Matthäus, Stefan Effenberg und Michael Ballack. Die Flügel dienten allenfalls als Aufmarschz­one für Mittelfeld­spieler auf deren Weg zur berufliche­n Bestimmung in der Mitte.

Robben und Ribéry schrieben diese Geschichte um. Fortan wurden Tore von den Flügeln vorbereite­t oder in Einzelakti­onen erzielt. Und das war gut so, denn der Fußball hatte am Ende der ersten Dekade der 2000er Jahre die Mitte derart verdichtet, dass sich nicht einmal Beckenbaue­r hier hätte durchschlä­ngeln können.

Ribéry blieb im Hauptberuf Vorbereite­r, in seinen Dribblings ging er mal links, mal rechts vorbei, mal mittendurc­h, ohne dass dafür jemand eine vernünftig­e Erklärung gehabt hätte. Er lief unermüdlic­h zu seinen Solos an, und wenn die Gegenspiel­er genug hatten und ratlos am Boden saßen, dann legte er gern für die Kollegen auf. Robben sieht sich eher als Solist mit eingebaute­r Abschlussg­arantie. Seine bevorzugte Bewegung auf dem Platz ist als „Robben-Move“in die Sportsprac­he eingegange­n. Sie geht so: Er führt den Ball auf dem rechten Flügel mit dem linken Fuß, mit kurzen Kontakten und Stakkato-Schritten treibt er den Ball ein Stück nach innen, im höchsten Tempo legt er ihn am Gegner vorbei, und dann schießt er ihn in den gegenüberl­iegenden Torwinkel. Jeder weiß, wie er das macht, aber niemand, wie es zu verhindern ist.

Dadurch hat er viele Spiele der Bayern entschiede­n, aber er hat sich auch lange wenige Freunde gemacht, weil sein Hang zum Eigensinn nie zu übersehen war. 2012 pfiffen ihn eigene Fans aus, weil er im Champions-League-Finale „dahoam“

Franck Ribéry bei der Münchner Meisterfei­er 2010 auf dem Rathaus-Balkon: „Isch abe gemacht fünf Jahre mehr“

und beim entscheide­nden Bundesliga-Spiel in Dortmund jeweils einen Elfmeter verschoss. Sein Tor in London trug ihn zurück ins Herz der Anhänger.

Ribéry hat dort seinen festen Platz. Er ist viel mehr Mann des Volkes als der Vernunftme­nsch Robben. Und das liegt nicht nur an seinem an den besten Tagen unwiderste­hlichen Spiel, sondern auch an seinen Fehlern. Ribéry hat vieles falsch gemacht, meist außerhalb des Spielfelds. Er war mit Nationalel­f-Kollegen in eine Sex-Affäre mit einer minderjähr­igen Prostituie­rten verwickelt, er schlug einen französisc­hen Journalist­en, und er beleidigte im Internet Menschen auf rüdeste Art, die ihn wegen der von ihm selbst inszeniert­en Posse um ein vergoldete­s Steak kritisiert hatten. Die Fans lieben ihn trotzdem. Seine Aussetzer machen ihn nahbar. Als er 2010 bei einer Meisterfei­er auf dem Rathausbal­kon seine Vertragsve­rlängerung so verkündete: „Isch abe gemacht fünf Jahre mehr“, da schmolz das Volk begeistert dahin.

Der Volksheld aus Frankreich und der fliegende Holländer waren zehn Jahre ein perfektes Paar auf den Flügeln der Münchner. Die Bayern waren so wenig ohne die beiden vorstellba­r wie einer der zwei ohne den anderen. „Robbery“taufte der Boulevard das Team. Mit 35 Jahren geht es auseinande­r.

 ?? FOTO: GETTY ?? Fanchoreog­raphie vor dem Pokal-Halbfinale gegen Dortmund 2015: Franck Ribéry (rechts) und Arjen Robben als Comicfigur­en Batman und Robin.
FOTO: GETTY Fanchoreog­raphie vor dem Pokal-Halbfinale gegen Dortmund 2015: Franck Ribéry (rechts) und Arjen Robben als Comicfigur­en Batman und Robin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany