Späte Ehre für Dieter Forte
Oberbürgermeister Geisel bedauert Düsseldorfs Verhalten gegenüber dem Autor.
Der Oberbürgermeister war nicht zu beneiden. Denn Thomas Geisel musste im Namen der Stadt Düsseldorf für Geschehnisse um Verzeihung bitten, die weit vor seiner Amtszeit liegen. In einer Veranstaltung über „Dieter Fortes Düsseldorf“im Heine-Institut, geplant lange vor dem Tod des großen Autors am 22. April, merkte er an: „Vielleicht haben wir auch ein bisschen was gutzumachen als Landeshauptstadt Düsseldorf.“Die Stadt habe sich mit Forte sehr schwergetan, und es sei „unglücklich“, dass die Uraufführung seines Theaterstücks „Martin Luther & Thomas Müntzer oder Die Einführung der Buchhaltung“nicht im Düsseldorfer Schauspielhaus über die Bühne gegangen sei. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass die Stadt dem damaligen Generalintendanten KarlHeinz Stroux die Uraufführung untersagt hatte. Das Stück, das dann 1970 in Basel herauskam und sich zum Welterfolg mauserte, übt Kritik an Luther und der organisierten Religion ebenso wie am Kapitalismus.
Geisels unguten Gefühle hatten zwei weitere Gründe. Sosehr er sich darüber freue, dass die Universität Düsseldorf heute den Namen Heinrich Heines trage, so sehr bedauere er es, dass damals nicht auch eine Benennung nach Dieter Forte zumindest in Erwägung gezogen worden sei. Auch hätte, so Geisel, der in Düsseldorf geborene Forte wohl eher den Heine-Preis der Stadt verdient als lediglich die Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft. Vor allem mit Blick auf die aus politischen Gründen verbotene Uraufführung resümierte der zerknirschte Oberbürgermeister: „Diese Sache ist damals richtig schiefgegangen.“ Thomas Geisel Oberbürgermeister
Umso mehr freue er sich, dass „Dieter Forte heute Abend angemessen gewürdigt wird“.
Zumindest diese Annäherung an Forte bereitete Freude. Das war vor allem zwei Schülern der Dieter-Forte-Gesamtschule in Eller zu verdanken, Jan Moldenhauer und Gerrit Pesch aus der Klasse 11c. Zu schwarz-weißen Fotografien vom zerbombten Düsseldorf rezitierten sie Texte aus Fortes Werken über die Kriegs- und Nachkriegszeit, die er als Sieben- bis Zehnjähriger erlebte. Feuer, zerschossene Fassaden, Schuttberge auf den Straßen seines Zuhauses am Oberbilker Markt – „nur durch Zufall war ich dem Tod entkommen“, notierte er. Über die Zeit unmittelbar nach dem Krieg schrieb Forte, der durch sein Asthma jahrelang ans Bett gefesselt war, seine Kameraden hätten gelernt, zu überleben. Von dem, was sie im „Dritten Reich“auf der Schule gelernt hätten, sei alles Lüge gewesen, „nur das Rechnen war okay“.
Zu Beginn des Abends hatte Enno Stahl vom Heine-Institut über Fortes „Tetralogie der Erinnerung“gesprochen, die Romane „Das Muster“, „Tagundnachtgleiche“, „In der Erinnerung“und „Auf der anderen Seite der Welt“. Forte, so führte Stahl aus, habe dokumentiert, wie um 1945 jeder nur noch sein eigenes Leben zu retten suchte und jegliche Menschlichkeit verloren ging. Am Ende des Abends stellte der Autor und Forte-Kenner Olaf Cless Fortes letztes Buch vor: „Das Labyrinth der Welt“, eine Mischung aus Roman, Sachbuch und Essay, die zigtausend Jahre in die Vergangenheit zurückgreift.
In Erinnerung bleibt von diesem Abend vor allem die Wärme, mit der die beiden Schüler von dem Menschen Dieter Forte erzählten, seiner Freundlichkeit und Unkompliziertheit. Wie sehr er dagegen mit der Stadt Düsseldorf haderte, das hatte er, wie sich erst spät herausstellte, nur einem kleinen Kreis offenbart.
„Diese Sache ist damals richtig schiefgegangen“