Tina Hassel in der Seifenkiste
Christian Lindner verbat sich eine im Kern sexistische Interview-Attacke. Gut so.
Geht es Ihnen auch so? Ich freue mich jedes Mal, wenn sich Politiker nicht widerspruchslos von Groß-Inquisitoren des TV-Infotainments in die Rolle von Erstklässlern bugsieren lassen, denen man die Ohren lang zieht. Wer meint, die gewählte Berufsgruppe habe Geduld zu üben und dürfe nicht hart Contra geben, wenn sie unter dem Gejohle von Beifallklatschern als Fußabtreter für Vorurteile benutzt wird, irrt. Er muss als Medienmensch zurückstecken. Oder er hat sich, ob freiwillig oder nicht, für seine Unprofessionalität zu entschuldigen. ARD-Hauptstadt-Studioleiterin Tina Hassel ist das in Folge einer Peinlichkeit gegenüber ihrem
Interview-Gast Christian Lindner widerfahren. Hassel, die bereits einmal durch unjournalistische Twitter-Elogen auf einen Grünen-Parteitag mit dem Traumpaar Annalena Baerbock und Robert Habeck unangenehm aufgefallen war, hat dem Freidemokraten eine höchstpersönliche, im Kern sexistische Zuschauer-Frage zugemutet und zunächst verkrampft zu verteidigen versucht. Lindner hatte die Frage als „geschmacklos“bezeichnet und eine Antwort verweigert. Der Fragensteller mit FDP-Allergie und seine TV-Assistentin meinten wohl, den Ober-Liberalen (40) unter Hinweis auf dessen elf Jahre jüngere Freundin mit List und Tücke in die Bling-Bling-Ecke stellen zu können, dorthin, wo die reichen Schnösel ihre blutjungen Lebensabschnitts-Gefährtinnen in die Sportwagen locken. Nun sitzt Hassel in der Seifenkiste. Merke: Man darf heute Mainstream-kritische Senioren als „alte weiße Männer“verunglimpfen; man darf auch im Hosenanzug des Feminismus missliebige Politiker (nicht Politikerinnen) aufs sexistische Gleis zerren und auf Augenzwinkern zählen. Was man nicht darf: sich als Gast öffentlich-rechtlicher Stunksitzungen die Narrenschelle umhängen lassen.
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