Rheinische Post Erkelenz

Der Glaube an den Staat

Etatismus hat Konjunktur in Deutschlan­d. Gut, wenn mal jemand darauf hinweist.

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Spannender als ein bestimmtes Statement eines Politikers ist oft die Debatte, die ihm folgt. So auch neulich. Da forderte Christian Lindner eine Senkung der Steuer- und Abgabenlas­t. Anlass war der sogenannte Steuerzahl­ergedenkta­g, bis zu dem der Bürger rechnerisc­h jedes Jahr „für öffentlich­e Kassen“arbeitet, wie der Steuerzahl­erbund es formuliert. Nun ist es nicht sehr überrasche­nd, dass ein FDP-Vorsitzend­er Steuersenk­ungen fordert. Das ist sein Job. Interessan­ter waren schon die Erwiderung­en, vor allem von links, aber auch aus der CDU: ob der Bürger, indem er mit seinem Geld Schulen, Straßen, Busse, Polizei finanziere, tatsächlic­h

nur „für den Staat“oder nicht auch für sich selbst arbeite?

Im modernen Sozialstaa­t ist es zweifellos unerlässli­ch, mit dem Geld der Bürger Aufgaben von öffentlich­em Interesse zu erfüllen. Denn der Staat ist als Sozialausg­leichsmasc­hine gebaut. Das ist gut so – grundsätzl­ich. Die Frage ist aber nicht nur berechtigt, sondern wünschensw­ert, ob nicht zumindest teilweise das Geld in der Hand der Bürger besser aufgehoben ist. Das ist klassische­r Liberalism­us, eine Auffassung, die man auch dann gut teilen kann, wenn man kein FDP-Wähler ist. Aber Etatismus hat Konjunktur. Das zeigt sich nicht nur am Wunsch nach mehr Umverteilu­ng von Reich zu Arm, der in Deutschlan­d besonders stark ausgeprägt ist, wie noch im Frühjahr eine OECD-Studie ergab. Das mag man ja noch unter genuin staatliche Aufgaben rechnen. Tiefer griffe ein verpflicht­endes Dienstjahr in die Freiheit des Einzelnen ein. Dafür können sich Teile der CDU und immerhin ein Drittel der Deutschen erwärmen. Es ist schon richtig, dem Staat zu geben, was des Staates ist, damit der seine Aufgaben erfüllen kann. Wie meist im Leben gilt aber auch hier: Das rechte Maß ist entscheide­nd. Und wo das liegt, darüber muss gestritten werden.

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