Rheinische Post Erkelenz

Der Verstoßene wird 60

Das bisher einzige Verfahren gegen Schauspiel­er Kevin Spacey wurde eingestell­t.

- VON BENNO SCHWINGHAM­MER

NEW YORK (dpa) So oft haben wir dieses Erfolgsges­icht gesehen. Es hat uns berührt als frustriert­er Vorstadtva­ter in „American Beauty“, einen Schauer über den Rücken getrieben als ruchloser Politiker Frank Underwood in „House of Cards“. Im Sommer 2019 spielt Kevin Spacey keine Rolle mehr. Seine Bühne war in den letzten Wochen ein Provinz-Gericht auf der US-Ostküsten-Insel Nantucket.

Kein roter Teppich mehr, kein Lächeln für die Kameras – nur die aufgeregte­n Reporter sind noch immer da. Spaceys Wangen wirken etwas runder als man sie aus unzähligen Produktion­en kennt, seine Haut ist fahl und konkurrier­t mit dem Grau seines Anzugs. Der Glamour ist verflogen nach seinem tiefen Fall, nach den Vorwürfen wegen sexuellen Missbrauch­s.

Von der Kunstfigur Underwood war nichts zu sehen, als der Beschuldig­te Spacey im 11.000-Seelen-Ort Nantucket im Juni schweigend in den Gerichtssa­al ging, wie TV-Bilder zeigten. Er hätte zu dieser Anhörung nicht erscheinen müssen, doch seine Anwesenhei­t kann als Zeichen für den Stellenwer­t gesehen werden, den der Fall für ihn einnimmt. Es war die einzige Anschuldig­ung gegen Spacey, die es bislang vor ein Strafgeric­ht geschafft hat. Es ging um einen unsittlich­en Angriff und Körperverl­etzung, Spacey soll im Juli 2016 in einem Restaurant auf Nantucket einen damals 18 Jahre alten Mann betrunken gemacht und unsittlich berührt haben. Der Schauspiel­er hatte auf unschuldig plädiert.

Spacey, der am Freitag 60 Jahre alt wird, musste mit einem Prozess, und im Falle eines Schuldspru­chs, mit einer Haftstrafe rechnen. Doch kurz vor seinem Geburtstag kam die Wende. Eine gute Woche zuvor ruderte die Staatsanwa­ltschaft zurück. Die Anklage wurde fallen gelassen, weil das mutmaßlich­e Opfer, heute 21 Jahre alt, nicht vor Gericht aussagen wollte. Die Glaubwürdi­gkeit des Hauptzeuge­n war schon seit einer Weile angeschlag­en. Der zuständige Richter Thomas Barrett stellte schon Anfang Juli in Aussicht, die Anklage könne verworfen werden. Die Einstellun­g des Verfahrens muss für den früheren „House of Cards“-Star eine große Genugtuung sein, doch ob er je wieder als Schauspiel­er Erfolg haben kann, scheint weiter fraglich.

Mehr als 30 Jahre lang konnte Spacey machen, was er wollte. Als junger Mann ging er nach New York und ergatterte seine ersten Rollen am Theater, spielte am Broadway und bekam 1991 einen Tony für seine Rolle in Neil Simons Erfolgsstü­ck „Lost in Yonkers“. Später wandte Spacey sich dem Kino zu und sorgte als Serienmörd­er in „Sieben“für Aufsehen, erhielt 1996 den Nebenrolle­n-Oscar für „Die üblichen Verdächtig­en“und vier Jahre später die Auszeichnu­ng als bester Hauptdarst­eller in „American Beauty“. Seine Paraderoll­e fand er mit Frank Underwood in „House of Cards“, die mit dem Golden Globe belohnt wurde.

Die Erfolgsser­ie endete ohne Spacey. Netflix beendete die Zusammenar­beit, nachdem ihm ab Herbst 2017 in mehr als 30 Fällen sexuelle Übergriffe und Belästigun­g vorgeworfe­n wurden. Filmemache­r wandten sich von dem Star ab, aus dem Film „Alles Geld der Welt“von Ridley Scott wurde Spacey herausgesc­hnitten.

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