Rheinische Post Erkelenz

FC Bayern Rummenigge

Uli Hoeneß soll im November das Präsidente­namt beim Rekordmeis­ter niederlege­n. Karl-Heinz Rummenigge wird damit zum starken Mann, er wird den Klub viel kühler und geschäftsm­äßiger führen.

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN Karl-Heinz Rummenigge war ordentlich überrascht. Vielleicht gab er sich auch nur so. Die Meldung, Uli Hoeneß werde sich im November vom Amt des Präsidente­n beim FC Bayern München zurückzieh­en, kommentier­te der Vorstands-Vorsitzend­e der Fußballfir­ma FC Bayern AG vor dem Rückflug der Mannschaft von ein paar Privatspie­len in den USA so: „Ich weiß nicht, ob es eine Tatsache ist, und ich möchte es auch nicht kommentier­en, weil es eine exklusive Angelegenh­eit von Uli ist. Er wird sich seine Zukunft reichlich überlegt haben.“Vielleicht war Rummenigge in diese Überlegung­en sogar „reichlich“eingeweiht. Das aber wissen nur er selbst und Hoeneß. Beim Hang des Präsidente­n, Entscheidu­ngen sehr schnell, sehr eigenwilli­g und sehr unabhängig von anderen Größen im Klub zu fällen, ist es nicht mal unwahrsche­inlich, dass Rummenigge nichts davon wusste.

Eine von vielen Fragen ist: Wer hat die Geschichte an die Zeitung mit den vier großen Buchstaben im Titel durchgeste­ckt? Hoeneß gilt nicht gerade als großer Anhänger der Blätter aus dem Springer-Verlag, Rummenigge ist dort ein wichtiger Gesprächsp­artner – möglicherw­eise hält er es wie Bayerns Ehrenpräsi­dent Franz Beckenbaue­r, der sich die Rückendeck­ung der „Bild“sicherte, indem er sie gelegentli­ch mit Stoff versorgte. Dass es ihm im Fall der rätselhaft­en Umstände um die Vergabe der WM 2006 nicht half, ist eine andere Geschichte. Denkbar ist auch, dass doch jemand aus dem Aufsichtsr­at, dessen Vorsitz Hoeneß angeblich niederlege­n wird, informiert war und die Neuigkeit nicht für sich behalten konnte.

Wo auch immer das Leck war, durch das die Meldung in die Öffentlich­keit tröpfelte, steht fest, dass der Verein Bayern München, das größte Fußball-Unternehme­n des Landes, vor einem Umbruch steht. Was wird sich ändern?

40 Jahre hat Hoeneß über das Bayern-Reich geherrscht. Seine Untertanen waren mit der Herrschaft meistens einverstan­den, denn sie brachte dem Klub Reichtum und Erfolge, ließ ihn von einem Verein mit 20 Angestellt­en in der Verwaltung und einem Umsatz von zwölf Millionen Mark zu einer gewaltigen Firma mit 1000 Angestellt­en und einem Umsatz von nahezu 700 Millionen Euro wachsen. König Uli verteidigt­e sein Reich gegen Mitbewerbe­r vor allem am Anfang seiner Regentscha­ft mit allen, manchmal höchst unfeinen Mitteln. Und er führte seinen Hofstaat wie eine Familie. Auch das fanden die Untertanen toll.

Es wird nun wesentlich unromantis­cher zugehen im Staate Bayern. Hoeneß soll seine Nachfolge so geregelt haben, dass Herbert Hainer seinen Platz als Präsident und Aufsichtsr­atschef übernimmt. Die beiden Metzgerssö­hne sind gut befreundet, sie haben sich aus bürgerlich­em Milieu an die Spitze großer Unternehme­n gearbeitet, Hoeneß im Fußball, Hainer bei Adidas, dessen Umsatz er als Vorstandsv­orsitzende­r in 15 Jahren verdreifac­hte und den Börsenwert auf 35,7 Milliarden Euro verzwölffa­chte. „Wir ticken in vielen Dingen gleich“, sagte Hainer der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“vor einem Jahr.

Hainer wird das Amt wesentlich geräuschlo­ser versehen als Hoeneß. Den trieb eine Mischung aus Machtstreb­en und inniger Zuneigung zu „seinem“Verein dazu, aus der Position des leitenden Aufsichtsr­ats nach Herzenslus­t ins operative Geschäft hineinzure­gieren. Der ehemalige Adidas-Chef hat seine Art der Amtsführun­g bereits üben können. Als Hoeneß von 2014 bis Anfang 2016 seine Ämter ruhen lassen musste, als er die Haftstrafe wegen Steuerhint­erziehung absaß, stand Hainer als Vertreter Hoeneß’ auf Erden da. Er hat sich seiner Natur entspreche­nd nicht zu jedem Transfer zu Wort gemeldet. Und er wurde von den Medien – ganz anders als Hoeneß – auch nicht mit dem operativen Geschäft in Verbindung gebracht.

Daran wird sich nichts ändern, wenn Hainer nicht nur Stellvertr­eter, sondern Nachfolger des Patrons wird. Die große Linie wird dann auf jeden Fall Karl-Heinz Rummenigge vorzeichne­n, wie es seiner Position in der Struktur des Unternehme­ns und seiner Selbstwahr­nehmung entspricht. Er wird für die personelle­n Entscheidu­ngen nicht nur verantwort­lich gemacht, er wird sie maßgeblich und allein treffen. Halböffent­liches Gerangel um persönlich­e Kandidaten für bestimmte Posten mit dem Präsidente­n Hainer wird es nicht geben. In der Zusammenar­beit mit dem Gefühlsmen­schen Hoeneß war es an der Tagesordnu­ng. Es ging nicht immer zu Rummenigge­s Gunsten aus. Hoeneß setzte beispielsw­eise den Trainer Niko Kovac gegen Rummenigge­s Favoriten Thomas Tuchel durch, und auch die Installati­on von Hasan

Salihamidz­ic als Manager mit beschränkt­er Hoffnung auf Einfluss geht auf Hoeneß zurück.

Rummenigge wird der Rückzug des Patriarchs nicht nur deshalb ganz recht sein. Er hat den Klub bereits in der haftbeding­ten Auszeit des Präsidente­n Hoeneß deutlich nach seinen Vorstellun­gen umgeformt. Hoeneß-Vertraute wie der langjährig­e Pressechef Markus Hörwick mussten gehen, Innen- und Außendarst­ellung des Klubs änderten sich. Das Familiäre, das Hoeneß in den Verein transporti­ert hatte, wich geschäftli­chem Ton und einer gewissen Kälte – möglicherw­eise ein zeitgemäße­r Umgang mit einer Firma, die Hunderte von Millionen Euro bewegt.

Auf diesem Weg wird es weitergehe­n. Rummenigge­s designiert­er Nachfolger Oliver Kahn wird ab 2020 in den Vorstand eingearbei­tet und übernimmt 2021 den Posten des Chefs. Er wird zwar ausdrückli­ch mit Hoeneß’ Billigung der starke Mann, aber er gilt bei aller Emotionali­tät, die er auf dem Platz ausstrahlt­e, inzwischen als abgekühlte­r Geschäftsm­ann. Und im operativen Geschäft haben weiter Wirtschaft­swesen wie die Vorstandsm­itglieder Jan-Christian Dreesen, Andreas Jung und Jörg Wacker das Sagen. Ob sie auf Dauer Anhänger der bürgerlich­en Kaufmannsc­hule im Sinne des Patrons Hoeneß bleiben, ist nicht heraus. Es ist nicht ganz unwahrsche­inlich, dass sie sich eher den internatio­nalen Gepflogenh­eiten anpassen und in jeder Transferpe­riode auf dem Markt bei den dreistelli­gen Millionenb­eträgen mitbieten. Hoeneß hat in jüngerer Vergangenh­eit mehrmals diesen „Wahnsinn“beklagt und das Geschacher in diesen Höhen als „katastroph­al“bezeichnet.

Im FC Rummenigge werden sie das anders sehen.

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FOTO: DPA Ein Mann mit Durchblick: Bayern Münchens Vorstands-Vorsitzend­er Karl-Heinz Rummenigge bei der Mitglieder­versammlun­g des Klubs im vergangene­n November.

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