Die gedimmte Lichtgestalt
Im Verfahren um die WM 2006 scheint Franz Beckenbauer eine Anklage zu entgehen. Seine Fans fordern das schon lange mit die Begründung, dass ein Mann, der uns für vergleichsweise wenig Schmiergeld ein Sommermärchen beschert hat, dafür nicht verurteilt gehört, sondern – wenn überhaupt – heiliggesprochen. Einmal Lichtgestalt, immer Lichtgestalt, auch wenn die Schweizer Staatsanwaltschaft sie mit ihre schweren Anschuldigungen schon etwas heruntergedimmt hat. Dennoch ist es erstaunlich, wie man mit eine Aussage wie „Schau’n mer mal“14 Jahre lang die eigene Strafverfolgung hinauszögern kann und das letzte Jahr bis zur Verjährung jetzt noch mit ein abenteuerliches Attest zu überbrücken versucht. Dadrin wird die Prozessunfähigkeit bescheinigt mit die Begründung, dass jede Aufregung lebensgefährlich ist. Genial! Ich könnte mir vorstellen, dass die Arztpraxen seit diese Woche überfüllt sind mit Menschen, die auch eine solches Attest haben wollen, sei es zur Vorlage beim Finanzamt oder bei die eigene Ehefrau. Dabei sollte man doch meinen, dass Franz Beckenbauer ein grundentspannter Mensch ist, der mit seine Familie und sein großes Vermögen in eine Urlaubsregion lebt und der ganze Tag Golf spielt. Die Aufregung wäre also gar nicht nötig, wenn Franz Beckenbauer sich strafrechtlich korrekt verhalten hätte. Das ist ja oft der Grund, warum viele Menschen keine Bank überfallen – weil sie Angst haben, dass sie erwischt werden und der anschließende Prozess sie zu sehr stressen könnte. Und auch wenn das Fußballgeschäft seit Sepp Blatter als rechtsfreier Raum gilt, verändert sich in die „Causa Beckenbauer“plötzlich das Verständnis der Deutschen für ein funktionierender Rechtsstaat. Gleichzeitig wird aber für straffällig gewordene Ausländer in die sozialen Medien immer ungenierter die Todesstrafe gefordert. Wenn das so weitergeht, knallt es bald wieder in Deutschland. Noch sind es nur die Sektkorken in der AfD-Zentrale.
Euer Hastenraths Will