Rheinische Post Erkelenz

Ein lebensnahe­s Urteil zu Diesel-Fahrverbot­en

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster hat ein weises Urteil gesprochen. Es besagt: An den Schadstoff-Grenzwerte­n ist nicht zu rütteln, sie sind geltendes Recht. Wie sie aber eingehalte­n werden, das muss sich am Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit orientiere­n.

Auch hier hat der Richter klare Hinweise gegeben: Wenn etwa die Versorgung der Bevölkerun­g und besonders wichtige Verkehrswe­ge gravierend betroffen wären, dann darf es keine Fahrverbot­e geben. Und noch einen Grundsatz hängte der Richter sehr hoch: den der Verlässlic­hkeit. Nur weil ein Grenzwert geringfügi­g überschrit­ten sei, dürfe dem Bürger nicht zugemutet werden, ein neues Auto zu kaufen. Schon gar nicht, wenn dann womöglich kurze Zeit später das Fahrverbot wieder aufgehoben wird.

Weise ist das Urteil, weil es lebensnah ist. Die Sorge der Bürger war groß, die Versäumnis­se von Politik und Wirtschaft ausbaden zu müssen. Viele Autofahrer haben sich noch vor wenigen Jahren einen neuen Diesel-Pkw in dem Glauben angeschaff­t, sie täten etwas Gutes für die Umwelt. Wenn sie nun mit Fahrverbot­en und einer Entwertung ihres Eigentums konfrontie­rt worden wären, hätte dies weiterer Politikver­drossenhei­t Vorschub geleistet.

Die Autokonzer­ne hingegen stehen jetzt erst recht am Pranger. Die jahrelange Weigerung führender Manager, im Diesel-Skandal Fehler einzugeste­hen, hat dem Image der Branche schwer geschadet. Hätten sie die Autos rechtzeiti­g und auf eigene Kosten nachgerüst­et, um die Motoren emissionsä­rmer zu machen, dann wäre womöglich das Bangen um Fahrverbot­e allen erspart geblieben. Die am Mittwoch erhobene Anklage gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler macht zumindest Hoffnung darauf, dass die Affäre nun juristisch aufgearbei­tet wird.

GERICHT: VORERST KEINE FAHRVERBOT­E, TITELSEITE

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