Vorbereiten auf die Katastrophe
Bastian Blum ist ein sogenannter Prepper. Der Krefelder bereitet sich auf den Ausnahmezustand vor. In seinem Keller hortet er alles Notwendige für den Ernstfall. In der Szene gibt es aber auch „Anti-Prepper“, die sich bewaffnen.
KREFELD Wenn die Windel seines Sohnes voll ist, zieht Bastian Blum eine Atemmaske über. „Das mache ich immer, wenn ich sie wechseln muss. Ich kann sein großes Geschäft nicht so gut riechen“, sagt der 40-Jährige augenzwinkernd. Der eigentliche Grund für diese ungewöhnliche Maßnahme ist aber ein anderer. „Ich übe auf diese Weise regelmäßig, die Maske aufzusetzen. Dann kann ich sie im Notfall problemlos benutzen und einsetzen“, sagt er. Sein Sohn habe damit jedenfalls kein Problem. „Er hat sich an den Anblick gewöhnt.“
Blum, ein Mann von 1,90 Meter mit kräftigem Händedruck, hofft, dass es nie zu einem solchen Notfall kommen wird. Aber wenn doch, dann will er vorbereitet sein. Der Krefelder stellt sich auf einen schweren Sturm, Stromausfall und einen
„Im Ernstfall ist es zu spät, sich die Ausrüstung zu besorgen“
Bastian Blum Prepper
Chemieunfall ein. Dafür hat der Familienvater in seinem Keller eines Mehrfamilienhauses Vorkehrungen getroffen. Der kleine, höchstens fünfeinhalb Quadratmeter große Raum ist bis unter die Decke vollgestopft mit Teelichtern, Kerzen, Teelichtern, Gaskochern, Erste-Hilfe-Sets, Kanistern, Spitzhacken, Decken, Zelten, Rucksäcken, Hygieneartikeln wie Zahnpasta und Toilettenpapier. Und natürlich mit Lebensmitteln (Konserven) und Trinkwasser (vor allem Sprudelwasser in Glasflaschen, zwei bis drei Liter pro Person und Tag). „Die Vorräte reichen für rund sechs Wochen“, sagt Blum.
Der 40-Jährige arbeitet im Objektmanagement. Er hat eine Ausbildung als Rettungssanitäter, hilft in der Freizeit beim Technischen Hilfswerk, war in den vergangenen Jahren bei verschiedenen Hilfsorganisationen tätig – Rotes Kreuz, Malteser, Freiwillige Feuerwehr – und war Katastrophenschutzausbilder. Regelmäßig besucht er entsprechende Fachkongresse und bildet sich weiter.
Es gibt auch Strömungen in der Szene, die sich radikalisieren. Blum vergleicht das mit der Gewalt bei Fußballspielen. „Der überwiegende Teil der Fans ist friedlich, nur eine kleine Gruppe ist für die Ausschreitungen und Krawalle verantwortlich“, sagt er. So ähnlich verhalte es sich eben auch in der Prepperszene. Die, die sich abspalteten, machten einen Teil von etwa 15 bis 20 Prozent aus.
„Dieser Teil bewaffnet sich und hofft, dass es zu einer Apokalypse oder Katastrophe kommen wird“, erklärt Blum. In der Szene würden sie geächtet und als „Anti-Prepper“und „Doomer“bezeichnet. „Die Doomer konzentrieren sich nicht auf die Krisenvorsorge, sondern auf die Beschaffung von Waffen. Sie denken, dass sie im Fall einer Katastrophe dann die Helden der Stunde sind und das Kommando übernehmen“, erläutert Blum.
Echte Prepper wie er wollen hingegen nicht, dass etwas Schlimmes passiert. Echte Prepper würden nie aktive Angriffe führen, sondern sich im Ernstfall nur selbst verteidigen. „Wir haben weder politische Forderungen noch religiöse Grundsätze. Sobald man die hat, ist man in der Szene schon ein Doomer“, konstatiert Blum.
Angefangen hat für Blum alles vor elf Jahren, im Jahr des Zusammenbruchs der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers, einem Höhepunkt der weltweiten Finanzund Wirtschaftskrise. Da stellte Blum für sich fest, wie fragil das weltweite Gesellschaftssystem ist und wie schnell alles in sich zusammen fallen kann. Darauf wollte er in Zukunft vorbereitet sein. Er las und eignete sich Fachwissen an, wurde schnell zu einem anerkannten Experten in der Szene und gründete die Internetseite „Prepper-Gemeinschaft“, auf der alle möglichen Fragen zum Thema beantwortet werden.
Im Jahr 2016 veränderte sich die Szene nachhaltig. Das Preppen wurde plötzlich salonfähig, nachdem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz Empfehlungen und eine Checkliste für das Verhalten im Katastrophenfall herausgegeben hatte und in der breiten Öffentlichkeit darüber diskutiert wurde. „Von nun an preppten auf einmal alle Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen. Oder fast alle. Zuvor wurden wir belächelt und häufig als Spinner abgetan. Das änderte sich nun schlagartig“, erinnert sich Blum.
Die Sicherheitsbehörden beobachten den radikalen Teil der Szene mit wachsender Sorge. Der Kölner Staatsschutz trägt gerade umfangreiche Informationen zusammen. Bislang tauchen Prepper aber nur im Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommerns auf. Aber auch in NRW versuchen die Ermittler zunehmend, Einblicke in die Strukturen zu bekommen. Nach Informationen unserer Redaktion sollen normale Prepper gezielt vom Verfassungsschutz kontaktiert werden. Die Kontaktaufnahme verläuft in der Regel über Mail. Ein Treffen findet an öffentlichen Orten statt, häufig in Cafés.
Blum ist auch auf einen Gau vorbereitet, den er – wie viele andere auch – gar nicht für so unwahrscheinlich hält. Die belgischen Atommeiler Tihange und Doel nahe der deutschen Grenze bereiten ihm Sorgen. „Bei einer radioaktiven Wolke sollte man eine vernünftige Regenkleidung, Handschuhe und stabile Gummistiefel zur Hand haben. Und natürlich Jodtabletten“, sagt er. „Im Ernstfall ist es zu spät, sich die Ausrüstung zu besorgen.“
Auch die Atemmaske, die er immer beim Wickeln seines Sohnes trägt, ist bei einem Gau unverzichtbar. Es reiche aber nicht aus, sich einfach eine solche Maske zu kaufen. „Man muss sie aus Testzwecken auch regelmäßig aufziehen“, sagt Blum, „sonst riskiert man eine Panikattacke.“