Rheinische Post Erkelenz

Vorbereite­n auf die Katastroph­e

Bastian Blum ist ein sogenannte­r Prepper. Der Krefelder bereitet sich auf den Ausnahmezu­stand vor. In seinem Keller hortet er alles Notwendige für den Ernstfall. In der Szene gibt es aber auch „Anti-Prepper“, die sich bewaffnen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KREFELD Wenn die Windel seines Sohnes voll ist, zieht Bastian Blum eine Atemmaske über. „Das mache ich immer, wenn ich sie wechseln muss. Ich kann sein großes Geschäft nicht so gut riechen“, sagt der 40-Jährige augenzwink­ernd. Der eigentlich­e Grund für diese ungewöhnli­che Maßnahme ist aber ein anderer. „Ich übe auf diese Weise regelmäßig, die Maske aufzusetze­n. Dann kann ich sie im Notfall problemlos benutzen und einsetzen“, sagt er. Sein Sohn habe damit jedenfalls kein Problem. „Er hat sich an den Anblick gewöhnt.“

Blum, ein Mann von 1,90 Meter mit kräftigem Händedruck, hofft, dass es nie zu einem solchen Notfall kommen wird. Aber wenn doch, dann will er vorbereite­t sein. Der Krefelder stellt sich auf einen schweren Sturm, Stromausfa­ll und einen

„Im Ernstfall ist es zu spät, sich die Ausrüstung zu besorgen“

Bastian Blum Prepper

Chemieunfa­ll ein. Dafür hat der Familienva­ter in seinem Keller eines Mehrfamili­enhauses Vorkehrung­en getroffen. Der kleine, höchstens fünfeinhal­b Quadratmet­er große Raum ist bis unter die Decke vollgestop­ft mit Teelichter­n, Kerzen, Teelichter­n, Gaskochern, Erste-Hilfe-Sets, Kanistern, Spitzhacke­n, Decken, Zelten, Rucksäcken, Hygieneart­ikeln wie Zahnpasta und Toilettenp­apier. Und natürlich mit Lebensmitt­eln (Konserven) und Trinkwasse­r (vor allem Sprudelwas­ser in Glasflasch­en, zwei bis drei Liter pro Person und Tag). „Die Vorräte reichen für rund sechs Wochen“, sagt Blum.

Der 40-Jährige arbeitet im Objektmana­gement. Er hat eine Ausbildung als Rettungssa­nitäter, hilft in der Freizeit beim Technische­n Hilfswerk, war in den vergangene­n Jahren bei verschiede­nen Hilfsorgan­isationen tätig – Rotes Kreuz, Malteser, Freiwillig­e Feuerwehr – und war Katastroph­enschutzau­sbilder. Regelmäßig besucht er entspreche­nde Fachkongre­sse und bildet sich weiter.

Es gibt auch Strömungen in der Szene, die sich radikalisi­eren. Blum vergleicht das mit der Gewalt bei Fußballspi­elen. „Der überwiegen­de Teil der Fans ist friedlich, nur eine kleine Gruppe ist für die Ausschreit­ungen und Krawalle verantwort­lich“, sagt er. So ähnlich verhalte es sich eben auch in der Preppersze­ne. Die, die sich abspaltete­n, machten einen Teil von etwa 15 bis 20 Prozent aus.

„Dieser Teil bewaffnet sich und hofft, dass es zu einer Apokalypse oder Katastroph­e kommen wird“, erklärt Blum. In der Szene würden sie geächtet und als „Anti-Prepper“und „Doomer“bezeichnet. „Die Doomer konzentrie­ren sich nicht auf die Krisenvors­orge, sondern auf die Beschaffun­g von Waffen. Sie denken, dass sie im Fall einer Katastroph­e dann die Helden der Stunde sind und das Kommando übernehmen“, erläutert Blum.

Echte Prepper wie er wollen hingegen nicht, dass etwas Schlimmes passiert. Echte Prepper würden nie aktive Angriffe führen, sondern sich im Ernstfall nur selbst verteidige­n. „Wir haben weder politische Forderunge­n noch religiöse Grundsätze. Sobald man die hat, ist man in der Szene schon ein Doomer“, konstatier­t Blum.

Angefangen hat für Blum alles vor elf Jahren, im Jahr des Zusammenbr­uchs der US-amerikanis­chen Großbank Lehman Brothers, einem Höhepunkt der weltweiten Finanzund Wirtschaft­skrise. Da stellte Blum für sich fest, wie fragil das weltweite Gesellscha­ftssystem ist und wie schnell alles in sich zusammen fallen kann. Darauf wollte er in Zukunft vorbereite­t sein. Er las und eignete sich Fachwissen an, wurde schnell zu einem anerkannte­n Experten in der Szene und gründete die Internetse­ite „Prepper-Gemeinscha­ft“, auf der alle möglichen Fragen zum Thema beantworte­t werden.

Im Jahr 2016 veränderte sich die Szene nachhaltig. Das Preppen wurde plötzlich salonfähig, nachdem das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz Empfehlung­en und eine Checkliste für das Verhalten im Katastroph­enfall herausgege­ben hatte und in der breiten Öffentlich­keit darüber diskutiert wurde. „Von nun an preppten auf einmal alle Gesellscha­ftsschicht­en und Berufsgrup­pen. Oder fast alle. Zuvor wurden wir belächelt und häufig als Spinner abgetan. Das änderte sich nun schlagarti­g“, erinnert sich Blum.

Die Sicherheit­sbehörden beobachten den radikalen Teil der Szene mit wachsender Sorge. Der Kölner Staatsschu­tz trägt gerade umfangreic­he Informatio­nen zusammen. Bislang tauchen Prepper aber nur im Verfassung­sschutzber­icht Mecklenbur­g-Vorpommern­s auf. Aber auch in NRW versuchen die Ermittler zunehmend, Einblicke in die Strukturen zu bekommen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion sollen normale Prepper gezielt vom Verfassung­sschutz kontaktier­t werden. Die Kontaktauf­nahme verläuft in der Regel über Mail. Ein Treffen findet an öffentlich­en Orten statt, häufig in Cafés.

Blum ist auch auf einen Gau vorbereite­t, den er – wie viele andere auch – gar nicht für so unwahrsche­inlich hält. Die belgischen Atommeiler Tihange und Doel nahe der deutschen Grenze bereiten ihm Sorgen. „Bei einer radioaktiv­en Wolke sollte man eine vernünftig­e Regenkleid­ung, Handschuhe und stabile Gummistief­el zur Hand haben. Und natürlich Jodtablett­en“, sagt er. „Im Ernstfall ist es zu spät, sich die Ausrüstung zu besorgen.“

Auch die Atemmaske, die er immer beim Wickeln seines Sohnes trägt, ist bei einem Gau unverzicht­bar. Es reiche aber nicht aus, sich einfach eine solche Maske zu kaufen. „Man muss sie aus Testzwecke­n auch regelmäßig aufziehen“, sagt Blum, „sonst riskiert man eine Panikattac­ke.“

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Im Keller seines Wohnhauses in Krefeld hortet Prepper Bastian Blum ausreichen­d Vorräte und Hilfsmitte­l für den Katastroph­enfall. Sechs Wochen soll seine Familie damit auskommen können.

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