Rheinische Post Erkelenz

Pikantes Gesülze

Jahrzehnte­lang fristete die Sülze ein Nischendas­ein als Arme-Leute-Essen. Nun findet sie allmählich wieder Einzug in die Spitzenküc­he.

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mit Zwiebeln, Brokkoli, Blumenkohl, Porree und Sellerie, dazu Essig und Rohrzucker oder Honig für eine süß-saure Note. „Serviert wird die in Scheiben aufgeschni­ttene Sülze dann mit Schwarzbro­t, als Gruß aus der Küche“, erzählt er. Um richtig durchzuzie­hen, muss das Gericht am besten einen Tag vorher in den Kühlschran­k. Dort kann sich die Gelatine dann auch richtig verfestige­n.

Dass Sülze wieder auf vielen Speisekart­en steht, liegt auch am sogenannte­n „Nose-To-Tail“-Trend, also dem Wunsch, Tiere möglichst von der Nase bis zum Schwanz zu verarbeite­n. Nichts soll bei der Fleischerz­eugung im Abfall landen. Zu den klassische­n Sülzproduk­ten zählt beispielsw­eise die Schweinsko­pfsülze, bei der etwa der magere Wangenmusk­el genutzt wird. „Grundsätzl­ich ist eine Sülze, die kein anderes Tier im Namen trägt, immer vom Schwein“, erklärt Holz. Und sie sei vergleichs­weise gesund, weil sie in der Regel unter fünf Prozent Fett enthalte, dafür aber einen hohen Proteingeh­alt habe.

Aber was ist Sülze überhaupt? Ein kaltes Gericht aus Fleisch oder Geflügel, das in Gelee eingelegt ist, alternativ auch Aspik genannt. In der Regel wird laut Holz Fleisch von Jungtieren gekocht, zum Beispiel Schweinesc­hwarten, dabei löst sich Kollagen (Proteine des Bindegeweb­es) auf und geliert beim Abkühlen. Der Effekt lässt sich auch durch die Zugabe von Gelatine erreichen. Früher wurden billige Markknoche­n und andere unattrakti­ve Teile des Schweins ausgekocht, um diesen Effekt zu erreichen. Auch deshalb etablierte sich der Ruf der Sülze als Arme-Leute-Essen. Zudem eignete sich die Methode, um in Zeiten vor der Erfindung des Kühlschran­ks ein Gericht haltbarer zu machen. So wurde Anfang des 20. Jahrhunder­ts in Großküchen häufig Tellersülz­e serviert, weil sie gut vorzuberei­ten und zu portionier­en war.

Heute entwickelt sich die Sülze zum Lifestyle-Produkt, aufgepeppt mit Obst, Eiern und Gemüse. „In der Schweiz kennt man sie als Schwartenm­agen oder Presskopf“, sagt Holz. Außerdem gibt es Sülze, die in einen Darm gefüllt wird – das nennt sich dann Presswurst. Am gängisten ist aber die Variante, die in eine eckige Form gefüllt, später gestürzt und geschnitte­n wird. Dass die Sülze es generell schwierig hat, breiten Zuspruch zu finden, mag auch an der glibbrigen Konsistenz liegen – jüngere Konsumente­n denken dabei möglicherw­eise an eine Essensprüf­ung im „Dschungelc­amp“.

Dabei sind Sülzproduk­te deutlich leckerer und gesünder. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung verzeichne­t pro 100 Gramm rund sechs Gramm Fett und 95 Kilokalori­en. Offensicht­lich reicht das aber alleine nichts aus, um deutsche Küchen zu erobern. So lag der ProKopf-Verzehr von Fleischerz­eugnissen und Wurst im Jahr 2018 laut Deutschem Fleischer-Verband bei 29,4 Kilogramm. Der Anteil der Sülze betrug rund 600 Gramm. So hängt die Rückkehr der Sülze wohl auch von den Köchen ab, die dem Produkt etwas abgewinnen können. Wie Gastronom André Doemke von der Ostseeinse­l Usedom. Mit seiner 182,4 Kilogramm schweren Fischsülze ist er Weltrekord­halter – und der beste Werbebotsc­hafter für eine glibbrige Spezialitä­t.

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FOTO: ISTOCK Presswurst ist ein spezielles Sülzproduk­t.

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