Grünanlagen pflegen ohne Glyphosat
Nach Erkelenz und Wegberg verzichtet die Stadt Hückelhoven jetzt auch auf den Einsatz von Glyphosat auf städtischen Grünflächen. Sechs Ortsteams halten den Wildwuchs in ihren Bezirken im Auge und von Hand in Schach.
HÜCKELHOVEN Mitte April hat der städtische Bauhof die letzten Liter des umstrittenen Totalherbizids Glyphosat aufgebraucht. Jetzt wird es nicht mehr eingesetzt, hat Bürgermeister Bernd Jansen entschieden. Zum April wurden sieben neue Mitarbeiter für den Bauhof eingestellt und sechs Ortsteams gebildet: Jeweils zwei Mitarbeiter sind auf städtischen Friedhöfen stationiert, von wo aus sie sich direkt und intensiv um das Erscheinungsbild in den Ortschaften kümmern. Neben dem Einsatz der beiden Kehrmaschinen und von Freischneidern bedeutet die Grünpflege nun vor allem: hacken und zupfen von Hand. Und das klappt ohne den Einsatz des gefährlichen Gifts, versichert Gärtnermeister Jörn Röstel: „Grundsätzlich schaffen wir das und sind in der Lage, dem wuchernden Grün Herr zu werden.“
Jeder Gartenbesitzer kennt das: In Dürreperioden geht alles ein, nur das Unkraut steht wie eine Eins. „Das wächst auch ohne Wasser“, bestätigt der Stadtgärtner schmunzelnd. Da griffen Hobbygärtner oft zu dem weltweit am häufigsten – vor allem in der Landwirtschaft – eingesetzten Pflanzengift, als „Roundup“bekannt. Glyphosat ist laut Krebsforschungsagentur der WHO „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“und zerstört die biologische Vielfalt, kritisiert der BUND. Jörn Röstel kannte das in seiner Ausbildung vor 16 Jahren in einer Baumschule nicht anders: „Im Pflanzenschutz wurde Glyphosat am meisten gebraucht.“Dabei sei es „im Verhältnis das harmloseste Mittel“, es gebe noch gefährlichere. Gespritzt hat er in seinem Lehrbetrieb gegen Pilze, Läuse und Unkraut, teils mit Atemmaske. Die Zeit ist vorbei. Ein Mittel auf biologischer Basis wird allenfalls auf Wegen der Friedhöfe gespritzt, wo die Schuffelmaschine nicht mehr weiterkommt. Auf Straßenbeeten ist dieses Mittel aber nicht zugelassen.
Nun verfolgt die Stadt eine Strategie, dem Wildwuchs auch ohne Gift zu Leibe zu rücken. „Es geht um Optimierung der Arbeiten“, erklärt Röstel. Je nach Standort werde das Grün angepasst. So wurden beispielsweise entlang der Rheinstraße Pflanzen gegen Raseneinsaat ausgetauscht. Das Gras kann nun einfacher gemäht werden. „Vorher brauchten wir eineinhalb Wochen, um die Beete zu pflegen.
Jetzt sind wir in einem Tag durch“, so Röstel. Und können die Mitarbeiter wegen Regens nicht mähen, ist wieder das Unkraut an der Reihe. Zwei- bis dreimal pro Jahr müssen Bodendecker geschnitten werden. Zur Baumpflege wird schon einmal ein Fachbetrieb beauftragt.
Rund 24 Hektar Grünflächen an Straßen, so schätzt Röstel, müssen nun arbeitsintensiver beharkt werden. Allein für den Mittelstreifen vor dem Kreisverkehr Parkhofstraße mit dem „Barbarastuhl“braucht
ein Zweierteam gut eine Stunde, bis unerwünscht Wucherndes aus den Zistrosen gehackt ist. Zum Straßengrün kommen Friedhöfe, Schulen, Kindergärten und Parkanlagen. Bis Ende des Jahres will der Stadtgärtner aktuelle Zahlen zum städtischen Grün zusammentragen.
Im Neubaugebiet Ruraue hat Röstel Wildblumensamen ausbringen lassen. Die schöne bunte Wiese gefällt vielen Spaziergängern. Einige haben sogar angerufen und sich bedankt. Andere wiederum hätten gefragt, was das Unkraut auf dem ehemaligen Acker soll. Hier ist zwischen den Blumen massenhaft die Melde mit ihren Knötchen-Rispen
in die Höhe geschossen, doch der Gärtnermeister ist zuversichtlich, dass die Melde weniger wird, Wildblumen die Oberhand gewinnen und im nächsten Jahr noch zahlreicher blühen.
Die Stadt sucht weitere Flächen aus für Wildblumenwiesen oder Neuanpflanzung von Bäumen. Pflanzungen und Einsaaten will Röstel nachhaltig gestalten. „Allgemein wird dem Grün zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, meint der Stadtgärtner. Zu seiner Freude wandelt sich das aber in Hückelhoven, auch in der Politik. Und Jörg Röstel ist „froh, dass ich an diesem Wandel teilhaben kann“.