Kommunen gehen gegen Steingärten vor
Viele Hausbesitzer streuen lieber Kies in ihren Vorgarten, statt Blumen zu pflanzen. Der Widerstand gegen solche Schotterwüsten wächst. Immer mehr Kommunen schreiben in Neubaugebieten Grünflächen vor.
DÜSSELDORF Immer mehr Städte in NRW machen mobil gegen sogenannte Steingärten. Dort ersetzen in der Regel Schotter oder Kies blühende Pflanzen, in manchen Neubaugebieten dominiert in den Vorgärten bereits Grau statt Grün. Doch der Widerstand gegen derart versiegelte Flächen wächst zusehends – es gibt kaum eine Kommune im Land, die nicht intensiv darüber diskutiert, wie diesem Trend beizukommen ist. Dabei reicht die Palette der Maßnahmen von Verboten über Appelle bis zu finanziellen Anreizen für Hausbesitzer, wenn sie ihre Vorgärten begrünen. So muss die Stadt Korschenbroich noch über ein Programm befinden, bei dem Gartenbesitzer 2,50 Euro pro Quadratmeter (bis 500 Euro maximal) bekommen – wenn sie sich verpflichten, versiegelte Flächen in Grünland zurückzuverwandeln und diese zehn Jahre zu erhalten.
Dass Kiesgärten überhaupt so viele Anhänger finden konnten, liegt wohl an einem weit verbreiteten Irrtum. Neben ästhetischen Aspekten gehen Hausbesitzer nämlich davon aus, damit die pflegeleichtere Variante gewählt zu haben. Doch auch zwischen den Steinen sammelt sich laut Bundesverband Garten-, Landschaftsund Sportplatzbau Laub, bildet sich Humus und keimt irgendwann Unkraut – das schließlich mühsam mit der Hand entfernt werden muss. Zudem wirken sich derart versiegelte Flächen negativ aufs Mikroklima aus, weil die Steine Wärme speichern und abstrahlen, und sie bieten Insekten keine Nahrung, was wiederum das Artensterben begünstigt. Unter dem Titel „Gärten des Grauens“bilden eine Facebook-Seite sowie demnächst ein Buch des Biologen Ulf Soltau solche Kieslandschaften ab.
Gerade der dies- und letztjährige Hitzesommer sollte Steingarten-Besitzer ins Grübeln bringen. Blockieren versiegelte Flächen laut Experten doch Frischluftschneisen und beeinflussen damit die klimatischen Verhältnisse in einer Siedlung. So nimmt etwa Schotter Wärme auf und gibt sie ab, Pflanzen dagegen beschatten den Boden und sorgen für Verdunstungskühle. Tatsächlich könne der Unterschied zwischen einem Kiesgarten und einer bepflanzten Fläche mehrere Grad Celsius betragen. Statt Frischluft wird so im Sommer die Hitze verstärkt – ein Effekt, der sich multipliziert, je mehr Steingärten eine Siedlung besitzt.
Mittlerweile machen aber nicht nur Naturschützer, sondern auch Politiker allerorten Front gegen Steingärten. Wobei in den seltensten Fällen wirklich Verbote ausgesprochen werden. So gibt es in Xanten seit dem vergangenen Jahr klare Ansagen für Bauherren – die Bebauungspläne für Neubaugebiete sehen explizit vor, dass Vorgärten nicht versiegelt werden dürfen, sondern begrünt werden müssen. „Das kontrollieren wir auch. Und falls ein Garten nicht den Vorgaben entspricht, gehen wir dagegen vor“, sagt Torsten Schneider, Fachbereichsleiter Stadtplanung, Bau und Denkmalpflege. Vor allem gehe es darum, diese neuen Steingärten zurückzubauen, es drohen aber auch Bußgelder. Schneider setzt aber lieber auf eine ausführliche Beratung vorab. „Die meisten Eigenheimbesitzer sehen dann ein, dass wir die besseren Argumente haben.“
Auch im ostwestfälischen Steinhagen möchte die Stadt in Neubaugebieten per Bausatzung verhindern, dass Hausbesitzer ihre Grünflächen zuschütten. Momentan werde um die Formulierung gerungen, die in die Bausatzung aufgenommen werden soll, sagt Bürgermeister Klaus Torsten Schneider Fachbereichsleiter Stadtplanung, Bau und Denkmalpflege der Stadt Xanten Besser (SPD). „Wir wollen das positiv formulieren, nicht als Steinverbot, sondern als Pflanzgebot.“
Dass Kiesgärten im Nachhinein zurückgebaut werden, sei wegen der Eigentümerrechte ohnehin ausgeschlossen. Noch in diesem Jahr, hofft Besser, würde aber der Bebauungsplan für zukünftige Projekte entsprechend angepasst. Politisch sei das unumstritten. Auch in Wermelskirchen und Rommerskirchen soll die Bausatzung um ähnliche Passagen erweitert werden. So dürfen bei Neubauten in Rommerskirchen maximal 50 Prozent der Grundstücksfläche versiegelt werden.
Die meisten Kommunen scheuen jedoch davor zurück, klare Verbote auszusprechen. In der Regel setzen die Städte auf eine Mischung aus Aufklärung und Anreizen. In Wesel zum Beispiel will die Stadt dafür werben, Vorgärten doch zu begrünen, Emmerich und Kaarst wollen über Infobroschüren, Flyer und VHS-Vorträge das Umweltbewusstsein der Bürger schärfen. In anderen Orten wie etwa in Voerde wird auch über Wettbewerbe wie „Der schönste Vorgarten“nachgedacht, um Hausbesitzer zu motivieren oder aber über kleine Zuschüsse für diejenigen, die statt Schotter vors Haus zu streuen, Sträucher und Blumen pflanzen.
Dass finanzielle Anreize durchaus wirken können, zeigt die Stadt Gütersloh. Dort bekommen Hausbesitzer seit April bis zu 4000 Euro, wenn sie ihre Fassade oder das Dach begrünen. Der Hintergrund ist derselbe wie bei den Vorgärten: Auch im städtischen Umfeld soll die Natur ihren Platz haben, weil die ökologischen Effekte enorm sind. Die kleine Finanzspitze wirkt auf jeden Fall: Die Nachfrage nach dem Förderprogramm, heißt es aus dem Bereich Umweltschutz, sei hoch.
„Falls ein Garten nicht den Vorgaben entspricht, gehen wir dagegen vor“