Das Haldern-Pop-Festival ist längst Brauchtum
HALDERN Das am Donnerstag beginnende Haldern-Pop-Festival gehört beinahe schon in die Abteilung Brauchtumsveranstaltung. Seit 36 Jahren holen die Organisatoren große und kleine Pop-Schmankerl an den Niederrhein und versorgen so die Provinz mit Weltmusik. 5000 Menschen wohnen in Haldern, etwa 7000 Besucher aus dem In- und Ausland kommen in den vorwiegend von der Landwirtschaft geprägten Ortsteil von Rees, um dort an drei Tagen ein von Pop-Fans für PopFans organisiertes Open Air zu sehen.
Genau das macht den Charme des Festivals aus. Es ist eine Veranstaltung, die vom gesamten Dorf getragen wird. 300 Menschen helfen ehrenamtlich mit, dieses Open Air zu einem besonderen zu machen. Sein legendärer Ruf beruht darauf, dass es ohne die großen Namen auskommt, aber viele Bands dort zu ganz großen wurden.
Rund 60 Bands und Solokünstler sind dieses Mal dabei. Das Programm – auch das ist typisch Haldern – ist eine Wundertüte, deren Inhalt die unterschiedlichen Geschmäcker bedient. Zum einen gibt es die üblichen Verdächtigen: Helden einschlägiger Musikblätter wie den feinsinnigen Indie-Rocker Father John Misty oder die ruppigen Iren Fontaines D.C. Zum anderen gibt es die Wiederholungstäter, die schon häufiger im Programm des Haldern Pop auftauchten: die Schweizer Sängerin Sophie Hunger, die gesellschaftskritischen Post-Punker The Idles oder der britische Soulmusiker Michael Kiwanuka. Der eigentliche Reiz des Festivals liegt in der Gesamtstruktur, in den krassen Gegensätzen, die mit Künstlern wie dem klassischen Pianisten Kirill Richter, dem tanzbaren Indie-Pop von Haiku Hands oder dem harten Stoner Rock von Kadavar aufgebaut werden – übrigens die erste Band, die sowohl auf dem Wacken als auch auf dem Halderner Open Air gelistet ist. Dazu kommen Überraschungselemente, mit denen man nie gerechnet hätte. Etwa mit dem Keyboarder Tony Carey, der Mitte der 1970er Jahre mit Rainbow Musikgeschichte schrieb und eine Dekade später mit der eingängigen Pop-Nummer „Room With A View“Charterfolge feierte. Oder das Moka Efti Orchestra, das mit energiegeladenem Jazz den Soundtrack für die Filmreihe „Babylon Berlin“lieferte.
Natürlich könnte man den Organisatoren des Festivals bei der Auswahl ihrer Künstler auch eine gewisse Beliebigkeit vorwerfen. Doch tatsächlich hat sich das Team um Stefan Reichmann, einst aus einer Gruppe musikbegeisterter Messdiener hervorgegangen, noch nie auf eine bestimmte Richtung festlegen lassen wollen. „Wir sind kein Schubladen-Festival“, sagt Reichmann. Der Mitbegründer des Festivals und heutige künstlerische Leiter will auch künftig vor allem jungen Bands eine Chance geben, unabhängig davon, für welches Genre sie stehen. Der Erfolg gab ihm bislang recht. Für fast 20 Jahre waren sämtliche Tickets des Haldern Pop schon Stunden nach dem Vorverkaufsbeginn vergriffen, ohne dass auch nur eine einzige Band bekannt gegeben war. In diesem Jahr war das anders. Vergangene Woche waren noch rund 200 Karten zu haben. Für Reichmann kein Grund von der eingeschlagenen Linie abzuweichen. Ganz im Gegenteil: „Nur mit Nachwuchsarbeit können wir auch langfristig bestehen.“Das Halderner Brauchtum soll weiter Bestand haben.