Rheinische Post Erkelenz

Ökonomen fordern: Schuldenbr­emse lösen

-

Wer jetzt nicht investiere, bürde künftigen Generation­en noch mehr auf, kritisiert IW-Chef Hüther.

BERLIN (rtr) Top-Ökonomen fordert die Bundesregi­erung angesichts historisch günstiger Finanzieru­ngsbedingu­ngen zu mehr Investitio­nen auf. „Die Schuldenbr­emse ist unsinnig und schadet Deutschlan­d“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, am Montag. Die Bremse verlange von der Bundesregi­erung, „dass sie jetzt in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten Überschüss­e macht und keine weiteren Ausgaben zur Stabilisie­rung der Wirtschaft und Sicherung der Arbeitsplä­tze tätigen darf.“

Hintergrun­d der Forderunge­n ist, dass zuletzt auch noch die Rendite für 30-jährige Bundesanle­ihen ins Minus rutschte. Der Staat verdient also derzeit an der Ausgabe neuer Anleihen sogar noch Geld. Investoren zahlen angesichts der ungewissen Konjunktur­aussichten dafür, ihr Geld in als sicher geltenden Anlagen gut aufgehoben zu wissen. Üblicherwe­ise erhält ein Investor Zinsen, wenn er sein Geld in Anleihen steckt.

„Die Schuldenbr­emse ist nicht mehr zielführen­d, denn die Bedingunge­n haben sich geändert“, sagte auch der Chef des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Hüther. „Wenn wir jetzt nicht investiere­n, belasten wir nicht nur die jetzigen Generation­en, sondern bürden auch den künftigen einen noch höheren Investitio­nsbedarf auf.“Er schlägt deshalb einen föderalen Investitio­nshaushalt vor, der für die kommenden zehn Jahre mit einem dreistelli­gen Milliarden­betrag ausgestatt­et werden sollte. Das Geld könnte etwa für Bau und Sanierung von Brücken, die Verbesseru­ng der Bahn und den flächendec­kenden Ausbau mit dem neuen Mobilfunks­tandard 5G genutzt werden. „Das sorgt in der Wirtschaft für Planungssi­cherheit und zieht private Investitio­nen nach“, sagte Hüther. „Der Staat verdient sogar Geld, wenn er Schulden macht. Wenn er das jetzt nicht zugunsten von Investitio­nen tut, lässt er Geld auf der Straße liegen.“

Auch Fratzscher will zusätzlich­e Schulden für Investitio­nen nutzen. „Deutschlan­d hat einen riesigen Investitio­nsbedarf — bei der Infrastruk­tur, bei der Bildung und bei Innovation.“Der deutsche Staat könne sich heute aber zu negativen Zinsen über 30 Jahre hinweg finanziere­n. Der DIW-Chef stellt sich damit gegen die Position von Kanzlerin Angela Merkel, die sich zuletzt für die Schuldenbr­emse stark gemacht hatte. „Die gegenwärti­ge Politik geht zulasten künftiger Generation­en, da der deutsche Staat von seiner Substanz lebt und den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d schadet“, sagte Fratzscher.

Für den Bund gilt die Schuldenbr­emse schon seit 2016. Laut Verfassung dürfen auch die Bundesländ­er von 2020 an keine neuen Schulden mehr machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany