Rheinische Post Erkelenz

Wenn Feuerwehrl­eute nicht mehr schlafen können

- CHRISTIAN SCHIFFER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Die Feuerwehr hat ein PSU-Team eingericht­et. Jörg Brocker erklärt, welche Aufgaben sein Team zur psychosozi­alen Unterstütz­ung hat.

Seit wann sind Sie Feuerwehrm­ann?

Jörg Brocker Ich bin seit Anfang 1989 bei den aktiven Feuerwehrl­euten. Davon war ich vier oder fünf Jahre bei der Jugendfeue­rwehr. Also schon ziemlich lange.

Welche Position haben Sie?

Jörg Brocker Ich bin Hauptfeuer­wehrmann der Löschgrupp­e Moorshoven. Dort bin ich Schriftfüh­rer und dadurch auch automatisc­h im geschäftsf­ührenden Vorstand. Dann bin ich hier Leiter des PSU-Teams in der Stadt Wegberg und ich bin Mitglied im PSU-Team auf Kreisebene.

Was gibt es für belastende Ereignisse für Helfer?

Jörg Brocker Es gibt leider viele belastende Einsätze, zum Beispiel Brände oder Verkehrsun­fälle mit Verletzten oder leider auch Toten. Besonders belastend für uns sind Einsätze, bei denen Kinder zu Schaden kommen. Das ist das Schlimmste, was es gibt.

Wie kam es zu dem PSU-Team? Jörg Brocker Vor ein paar Jahren wurde ich vom Stadtbrand­meister Dietmar Gisbertz angesproch­en, ob ich mir vorstellen kann, den PSU-Assistente­n an der Landesfeue­rwehrschul­e in Münster zu machen. Da mich das Thema schon länger interessie­rt hat, habe ich sofort zugesagt. Letztes Jahr hab ich den Lehrgang in Münster gemacht. Zudem wurde Ende des vergangene­n Jahres ein PSU-Helfer-Lehrgang auf Kreisebene angeboten, der von zwei Kameradinn­en und zwei Kameraden aus Wegberg erfolgreic­h absolviert wurde.

Warum haben Sie sich für die Leitung des PSU-Teams entschiede­n? Jörg Brocker Die seelische Belastung der Einsatzkrä­fte nimmt immer mehr zu. Der entspreche­nde Lehrgang an der Landesfeue­rwehrschul­e in Münster beinhaltet­e 120 Unterricht­sstunden. Durch den Abschluss habe ich die Qualifikat­ion für die Leitung eines PSU-Teams erlangt. Als mich Stadtbrand­meister Dietmar Gisbertz gefragt hat, ob ich ein PSU-Team in Wegberg leiten möchte, habe ich zugesagt.

Inwiefern hilft das PSU-Team denen, die Hilfe brauchen?

Jörg Brocker Wir helfen unseren Kameradinn­en und Kameraden, indem wir sie während besonders belastende­n Einsätze betreuen. Wir führen dann ein sogenannte­s Einzelkurz­kriseninte­rventionsg­espräch (EKK). Sinn und Zweck ist es, die aktuelle Stressbela­stung zu verringern und den Betroffene­n zu stabilisie­ren. Auch geht es darum, die positive Verarbeitu­ng einzuleite­n. Eine weitere Aufgabe ist die Nachsorge nach belastende­n Einsätzen in Form eines Gruppenges­prächs. Natürlich bieten wir auch jederzeit Einzelgesp­räche an.

Wie sehen denn die Qualifikat­ionen der PSU-Mitglieder der Feuerwehr Wegberg aus?

Jörg Brocker Wir haben vier PSU-Helfer, ich bin PSU-Assistent.

Waren Sie denn schon mal selbst durch belastende Ereignisse betroffen?

Jörg Brocker Zum Glück noch nicht.

Gibt es unterschie­dliche Arten, wie Betroffene damit umgehen?

Jörg Brocker Die Reaktionen der Betroffene­n sind ganz unterschie­dlich. Einige ziehen sich zurück, andere wollen reden. Für uns ist die Herausford­erung, für jeden den richtigen Weg zu finden. Wir sind mit unserem Team super gut aufgestell­t und haben zwei Frauen dabei. Wir vertreten die Altersklas­se von Anfang 20 bis Mitte 50, bilden also das komplette Spektrum ab. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in unserem PSU-Team Wegberg so gut aufgestell­t sind.

Wie stark ist das PSU-Team eingebunde­n?

Jörg Brocker Alle Mitglieder des PSU-Teams sind in der Feuerwehr. Der Einsatzlei­ter fordert uns bei Bedarf über die Kreisleits­telle an. Am Einsatzort sprechen wir dann das weitere Vorgehen mit dem Einsatzlei­ter ab. Dieses Jahr waren wir bislang zweimal im Einsatz.

Wie lange kümmert sich das PSUTeam um einen Betroffene­n?

Jörg Brocker Eine genaue Zeitangabe gibt es nicht. Wir nehmen schnell mit dem Betroffene­n Kontakt auf. Spätestens nach einem Tag melden wir uns wieder bei ihm. Dann sprechen wir mit dem Betroffene­n das weitere Vorgehen ab. Wenn wir merken, dass es keine Besserung gibt oder dass es in die falsche Richtung läuft, gibt es die Möglichkei­t, über die Unfallkass­e NRW profession­elle Hilfe für den Betroffene­n zu bekommen. Dann stellen wir den Kontakt her.

Was machen Sie, wenn der Betroffene lange Zeit nach den belastende­n Ereignisse­n immer noch Hilfe braucht?

Jörg Brocker Wir kümmern uns natürlich weiter um ihn. Wenn wir feststelle­n, dass er weitere Hilfe braucht, schalten wir die Unfallkass­e ein. Dort gibt es Psychologe­n, die sich um ihn kümmern.

Gab es vor dem PSU-Team schon mal etwas Vergleichb­ares?

Jörg Brocker Bevor es das PSUTeam gab, haben die Betroffene­n mit Kameraden und Vorgesetzt­en gesprochen. Viele haben sich allerdings nicht getraut, weil das möglicherw­eise als Schwäche falsch verstanden wird. Deshalb finde ich es gut, dass es jetzt eine unabhängig­e Stelle gibt, an die sich Kameraden wenden können. Die Feuerwehrl­eute können mich direkt erreichen. Jeder bekommt meine Telefonnum­mer, so dass niemand mitbekommt, wenn ein Gespräch gewünscht wird. Die Treffpunkt­e können individuel­l vereinbart werden. Die Gespräche sind selbstvers­tändlich vertraulic­h.

Ist eigentlich jede Feuerwehr mit einem PSU-Team ausgestatt­et?

Jörg Brocker Nicht jede Feuerwehr hat ein eigenes PSU-Team. Für den Kreis Heinsberg gibt es die Kreiseinhe­it, bei der ich auch mitarbeite. In Wegberg hat Stadtbrand­meister Dietmar Gisbertz die Notwendigk­eit erkannt. Deshalb hat er sich für ein solches Team hier in Wegberg stark gemacht und uns sehr gut ausgestatt­et. Wir sind sehr dankbar, dass er uns so stark unterstütz­t.

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RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Jörg Brocker von der Löschgrupp­e Moorshoven leitet das PSU-Team der Feuerwehr Wegberg.

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