„Zu wenige Leader? Quatsch! Zu lieb? Ja!“
Borussias Torwart über die Vorfreude auf die neue Saison, seine anhaltende Top-Form und die Eigenarten des Teams.
Herr Sommer, am Samstag startet mit dem Heimspiel gegen Schalke 04 (Anstoß: 18.30 Uhr) die neue Bundesliga-Saison für Sie und Borussia.
SOMMER Und darauf freue ich mich schon sehr. Eine Vorbereitung ist zwar auch immer spannend, vor allem in diesem Jahr, weil wir viele neue Dinge kennengelernt haben. Aber jetzt geht es um Punkte und da fängt es so richtig an zu kitzeln, das ist schön.
Wie wird es bei Ihnen kurz vor dem Anpfiff sein?
SOMMER Bei mir war es noch nie so, dass ich vor einem Spiel zu sehr im Tunnel bin. Ich bin eigentlich immer ziemlich entspannt, gerade wenn vorher alles gut lief. Und unsere Vorbereitung lief gut.
Kann man entspannt auf den Leistungsstand der Borussen blicken? SOMMER Wir machen viele Dinge schon richtig gut, die Marco Rose von uns verlangt, aber es ist klar, dass noch nicht alles funktioniert. Dafür war die Zeit zu kurz. Das Team hat seine Ideen gut angenommen und nun heißt es, jeden Tag an den Details zu arbeiten. Ich bin aber zuversichtlich, dass das gegen Schalke schon gut aussehen wird.
Und haben Sie das Gefühl, dass die neuen Ideen erfolgreich sein werden?
SOMMER Definitiv. Es macht viel Spaß, mit dem gesamten neuen Trainerteam, es wird aber auch viel von uns verlangt. Das ist alles sehr spannend. Wir haben nun eine andere Spielart als in der vergangenen Saison, und jetzt liegt es an uns, die auf den Platz zu bringen und damit erfolgreich zu sein.
Rose hat gefordert, dass das Team härter zu sich selbst sein soll, kommunikativer, gerade in schweren Phasen eines Spiels. Es steht ja auch schon lange der Vorwurf im Raum, Borussia habe nicht genügend Spieler mit Führungsqualitäten und sei zu lieb.
SOMMER Zunächst einmal: Wir haben zu wenige Leader? Das ist Quatsch. Wir sind oft zu lieb? Ja. Da haben wir als Mannschaft noch Potenzial. Dass wir uns mehr unterstützen und pushen, emotionaler sind, nicht künstlich, sondern weil wir es fühlen. Das ist schon besser geworden, aber wir haben noch viel Luft nach oben.
Dass es besser geworden ist, hat man vor allem am Beispiel Matthias Ginter in Sandhausen gesehen.
SOMMER Ich will das gar nicht alleine an Matze festmachen. Da gehört der ganze Verteidigungsverbund als Beginn unserer Achse dazu. Es ist für mich sehr wichtig, dass die beiden Innenverteidiger vor mir viel sprechen und eine ruhige Ausstrahlung haben, und das ist bei Matze und Nico definitiv der Fall. Im DFB-Pokal war die defensive Raute, bestehend aus Ihnen, Ginter, Elvedi und Tobias Strobl, ein entscheidender Faktor für den 1:0-Erfolg.
SOMMER Das ist auch sehr wichtig, dass diese Achse hinten funktioniert. Wir müssen in diesem Jahr konstant stabil sein, das wird gerade am Anfang entscheidend sein, wie wir reinkommen. Weil nicht alles perfekt laufen wird und wir dann auch mal etwas aufhalten müssen. Das haben Sie in der vergangenen Saison ja schon gemacht, Sie waren Borussias Spieler der Saison. Worin haben Sie sich verbessert?
SOMMER Ich denke, dass ich mich vor allem im Positionsspiel verbessert habe. Etwas, was man von außen gar nicht so wahrnimmt, aber es ist wichtig, beim Schuss, bei Flanken und im Eins-gegen-Eins eine gute Position zu haben. Auch in Sachen Fußabwehr und mit Ball am Fuß habe ich einen Schritt nach vorne gemacht.
Hat Rose jetzt auch an Sie persönlich spezielle Anforderungen? SOMMER Eigentlich nicht, er möchte auch Fußball spielen und verlangt von mir, dass ich gute Entscheidungen treffe, ob wir flach hinten raus spielen oder ich einen langen Ball schlage. Wir möchten variabel und flexibel sein, das soll ich auch verkörpern und eine gute Balance finden. Mein Ziel ist es, jedes Jahr noch etwas besser zu sein, noch bessere Bälle zu spielen, bessere Ideen zu haben und auf hohem Niveau konstant zu sein.
Hatte Ihre Beförderung zum Co-Kapitän durch Dieter Hecking einen Einfluss auf Ihre Leistungen? Aufgrund der Verletzung von Lars Stindl waren Sie häufig Borussias Spielführer.
SOMMER Natürlich ehrt mich das, Kapitän oder Vize-Kapitän dieser Mannschaft zu sein, macht mich stolz. Aber der Einfluss war nicht so groß. Wichtig ist immer, dass man in einer Mannschaft mehrere Anführer hat, die das Team führen und unterstützen.
Gegen Schalke werden Sie wieder Borussias Kapitän sein. Was darf man von dem Ligaauftaktspiel erwarten?
SOMMER Eine tolle Stimmung, viel Euphorie und Vorfreude, das wird man auch auf dem Platz bei uns sehen. Es wird sehr intensiv und interessant. Die Qualität ist da, jetzt geht es an die letzten Details und es heißt, richtige Entscheidungen zu treffen. Wenn das gelingt und wir mental bereit sind, haben wir ein gutes Jahr vor uns.
Dafür wäre es ratsam, wenn Sie persönlich nicht ganz so viel zu tun hätten wie gegen Chelsea (2:2) und Sandhausen (1:0).
SOMMER Ich sehe das nicht so eng, das ist schließlich mein Job, dann da zu sein, dafür braucht man einen Torwart. Natürlich wollen wir möglichst so gut verteidigen, dass ich keinen Ball in den Händen habe, aber das wird selten vorkommen.
Wir schrieben nach dem Chelsea Spiel „Sommer wieder in Sommer-Form“. Gehören gute Leistungen bei Ihnen schon zur Normalität?
SOMMER Ganz im Gegenteil, ich mag dieses Wort auch überhaupt nicht. Ich arbeite jeden Tag hart, um meine Leistung zu bringen. Die Vorbereitung und das Spiel in Sandhausen haben mir schon ein gutes Gefühl gegeben für die Saison, aber Samstag wird es etwas ganz anderes sein.
Ist diese Einstellung etwas, was Sie auch nach vorne bringt?
SOMMER Meine Einstellung ist einfach, dass ich mich jede Woche neu beweisen will. Es ist auch so, dass ich mit Lob genauso umgehe wie mit Kritik, weil es nach jedem Spiel wieder bei null losgeht.
Sie haben noch einen Vertrag bis 2021. Haben Sie sich bereits Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll?
SOMMER Nein, überhaupt nicht. Ich wurde auch schon gefragt, ob ich mir vorstellen kann, bei Borussia meine Karriere zu beenden, aber ich will sicherlich noch ein paar Jahre spielen und ich kann nicht sagen, was in der Zeit noch alles passieren wird. Ich freue mich jetzt einfach auf das neue Jahr.
Wenn es mehr Spieler in der vergangenen Saison gegeben hätte, die ähnlich gut wie sie gespielt hätten, wäre mehr drin gewesen.
SOMMER Ich war mit meinem Jahr sehr zufrieden, mein Ziel war auch, möglichst konstant zu sein, und das ist mir gelungen. Wenn man auf hohem Niveau konstant ist, dann hat man mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg. Daher ist das wieder mein Ziel. Zur vergangenen Saison muss man aber sagen, dass wir Fünfter geworden sind, es war also insgesamt eine gute Saison. Es war vielleicht noch mehr drin, aber wir sind glücklich über den Ausgang.
Dank des Ausgangs sind Sie mit Borussia nun wieder in der Europa League dabei.
SOMMER Ich habe ja schon ein paar Mal im Europapokal gespielt und ich muss sagen, dass das immer etwas ganz Spezielles ist. Man spielt gegen tolle Teams, es geht um einen Pokal, man möchte immer möglichst weit kommen, die Stimmung wird bei jedem Spiel toll sein.
Ist es schöner, dort zu spielen, als in der Bundesliga?
SOMMER Die Stimmung ist in der Bundesliga nicht schlechter, es ist einfach ein anderer Wettbewerb. Die Bundesliga ist jedes Wochenende überragend, das sind immer tolle Spiele. Und im Europapokal kommt da noch die internationale Komponente dazu.
Eintracht Frankfurt hat am Ende der vergangenen Saison unter ihrem Erfolg in der Europa League gelitten und ist in der Bundesliga auf Platz sieben abgerutscht. Ist Borussia bereit für die Doppel- bzw. Dreifachbelastung?
SOMMER Ich sehe uns da sehr gut vorbereitet. Es ist wichtig, dass der
Trainer viel rotieren kann und dafür sind wir gut aufgestellt.
Mit Ramy Bensebaini kam nun ein neuer Verteidiger. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Vorderleuten in der Defensive?
SOMMER Sehr. Wir sind ein toller Verbund, der gerne zusammen spielt, das sind alles super Verteidiger. Es ist schön, hinter ihnen Torwart zu sein. Wir haben gemeinsam eine große Motivation, die Gegner aufzuhalten und erfolgreich zu sein.
Steckt man sich als Torhüter eigentlich ein Ziel, wie viele Gegentore man kassieren will?
SOMMER Das nicht, aber natürlich so wenige wie möglich. In der vergangenen Saison haben wir 13-mal zu null gespielt, das ist für uns als Mannschaft schon ein toller Wert.
In der Offensive sind mit Marcus Thuram und Breel Embolo zwei neue Spieler bekommen, die im Training ja oft Ihre Gegner sind. SOMMER Breel kenne ich ja von der Schweizer Nationalmannschaft, er ist ein toller Spieler mit viel Power und einer guten Mentalität. Und Marcus macht auch einen sehr guten Eindruck, er ist sehr wichtig für mich, weil er die Bälle gut festmachen und ich ihn so immer anspielen kann. Außerdem ist er unberechenbar und weiß, wo das Tor steht. Beide Spieler tun uns richtig gut.
Thuram und Embolo vergrößern auch den Block der französischsprachigen Spieler. Sie selbst sprechen die Sprache auch, vermitteln Sie schonmal, damit es keine Grüppchenbildung gibt?
SOMMER Es gibt doch in jeder Mannschaft Gruppen, das ist ganz normal. Das Wort ‚Grüppchenbildung‘ klingt immer so negativ. Es ist doch klar, dass Leute, die sich kennen und die gleiche Sprache sprechen, viel zusammen sind. Sie verstehen sich untereinander und sitzen daher auch meistens an einem Tisch. Ich habe kein Problem mit Grüppchen, aber wir müssen als Team schauen, dass das Konstrukt funktioniert und passt, und dass die Stimmung in der gesamten Mannschaft gut ist. Und das ist bei uns definitiv der Fall.