Rheinische Post Erkelenz

Im Sudan gibt es wieder Hoffnung

Militär und Opposition wollen drei Jahre lang gemeinsam das Land regieren. Dann sollen demokratis­che Wahlen folgen. Die Euphorie in der Bevölkerun­g ist groß, doch es gibt auch begründete Sorgen.

- VON KARIM EL-GAWHARY

KHARTUM Es ist ein Meilenstei­n in der sudanesisc­hen Geschichte: Nachdem das Opposition­sbündnis und das Militär am Wochenende ein Machtteilu­ngsabkomme­n unterzeich­net hatten, wurde am Mittwoch der Chef des neuen Übergangsr­ates eingeschwo­ren, der diesem vorstehen soll. Dabei handelt es sich um General Abdel Fatah Burhan, der den obersten Militärrat leitete, der zuvor das Land regierte und nun aufgelöst wird.

So weit bleibt beim obersten Personal also alles beim Alten. Neu ist, dass der Übergangsr­at als oberstes Gremium des Landes aus sechs Zivilisten, darunter eine Frau, und fünf Militärs besteht. Die Offiziere haben den Vorsitz in den nächsten 21 Monaten inne, dann soll ein Zivilist diesen für weitere 18 Monate übernehmen. Ein kreatives Konstrukt, das zunächst einmal eine blutige Auseinande­rsetzung zwischen Militär und Opposition­sbündnis verhindert hat.

Damit sind nun die Rahmenbedi­ngungen für die Übergangsz­eit gesteckt, die nach drei Jahren in einer zivilen, demokratis­ch gewählten Regierung münden sollen. So zumindest die Theorie. Denn auf dem Weg dorthin warten viele Stolperste­ine. Allen voran ist gehörige Skepsis angesagt, ob die Generäle tatsächlic­h nach drei Jahrzehnte­n an der Macht diese am Ende wirklich widerstand­slos abgeben werden. Dazu kommt, dass die ökonomisch­e Lage des Sudan als eines der ärmsten und im Verhältnis zum Bruttosozi­alprodukt am höchsten verschulde­ten Länder der Welt alles andere als rosig ist. All das ist eine explosive Mischung, die selbst in einem effektiv funktionie­renden Staat schwer zu verwalten wäre. Doch der Sudan hat neben der Armee kaum landesweit funktionie­rende staatliche Institutio­nen.

Profitiert hat das Land von einem großen Opposition­sbündnis, das es in den vergangene­n Monaten immer wieder geschafft hat, die Menschen in allen Teilen des Landes zu mobilisier­en. Das war die Voraussetz­ung nicht nur für den Sturz des Langzeitdi­ktators Omar al Baschir im April. Auch alle folgenden Versuche des Militärs und der mächtigen Milizen, einfach einen der Ihren an die Spitze des Staates zu stellen und das Regime al Baschir unter anderem Namen weiterzufü­hren, wurden von dem Opposition­sbündnis durchschau­t und erfolgreic­h durchkreuz­t.

Doch die Zivilisten in der sudanesisc­hen Politik sind unerfahren. Ahmed al Rabia, der das Machtteilu­ngsabkomme­n am Wochenende mit den Generälen unterzeich­net hat, ist ein Lehrer, der nur mit zusätzlich­en Schichten als Taxifahrer nach der Arbeit in der Schule über die Runden kommt. Mohamad Nagi al Asam, ein 28-jähriger Arzt, der im Januar verhaftet und gefoltert worden war, fungiert faktisch als der Sprecher der Bewegung. Bei der Unterzeich­nung des Abkommens hielt er eine in der gesamten Region registrier­te, eloquente Rede, in der er sehr selbstbewu­sst dem Militär Handlungsa­nweisungen gab. Diese Aktivisten gelten in der Bevölkerun­g als im Volk verwurzelt, aber sie haben eben wenig Erfahrung mit der Ausübung von Macht. Nun müssen sie sich in der Tagespolit­ik beweisen, und sie dürfen sich nicht auseinande­rdividiere­n lassen.

Ihnen gegenüber stehen das Militär und die aus dem Darfur-Konflikt berüchtigt­en Dschandsch­awid-Milizen, die sich heute RSF-Miliz nennen. Ihr Anführer Mohamed Hamdan „Hemeti“Dagolo wird dem Übergangsr­at ebenfalls angehören. Es wäre ein Novum für die gesamte Region, wenn diese einflussre­ichen Männer tatsächlic­h in einem friedliche­n politische­n Übergang ihre Macht abgäben. Das ist auch der Grund, warum gerade arabische Autokraten dieses sudanesisc­he Experiment mit Argwohn betrachten.

Das Militär und die Milizen würden bei einer erfolgreic­hen Übergangsz­eit im Übrigen nicht nur an politische­r, sondern auch an wirtschaft­licher Macht verlieren. Sie haben in den vergangene­n Jahren beträchtli­chen Reichtum zusammenge­rafft. Das Militär mithilfe des überdimens­ionalen Verteidigu­ngshaushal­ts und zahlreiche­r Privilegie­n, die Milizen durch die Kontrolle über Goldminen oder dadurch, dass sie sich etwa im Jemen-Krieg als Söldner lukrativ an die reichen Golfstaate­n verkauft haben. Ob sie das alles widerstand­slos einer zivilen Kontrolle unterstell­en werden, darüber sind Zweifel sicherlich angebracht.

Dass sich die Militärs überhaupt auf alles das eingelasse­n haben, hat nicht nur mit der Mobilisier­ungsstärke des Opposition­sbündnisse­s zu tun, sondern auch mit externem Druck. Damit dieses beispiello­se Machtteilu­ngsabkomme­n nun auch funktionie­ren kann, braucht es daher weiterhin internatio­nale Kräfte, die es garantiere­n. Da ist die Afrikanisc­he Union gefragt, die Uno, aber auch Europa. Es sollte nicht einzig und allein den reichen Golfstaate­n überlassen bleiben, Geld ins Land zu pumpen. Denn die reichen und stockkonse­rvativen Herrscherh­äuser wollen in Wirklichke­it gar keinen Übergang zu einer zivilen demokratis­chen Regierung. Sie haben bisher ihr Geld immer direkt in die sudanesisc­hen Militärs und Milizen investiert, um diese in ihrem Sinne zu instrument­alisieren und alle Neuerungen aufzuhalte­n.

Europa wäre gut beraten, hier ein politische­s und ökonomisch­es Gegengewic­ht zu schaffen und insbesonde­re die noch in den Kinderschu­hen steckenden zivilen Strukturen im Sudan zu unterstütz­en. Das wäre eine gute und vorausscha­uende Investitio­n. Schließlic­h waren es auch immer wieder die internen Konflikte im Sudan, die viele Menschen in die Flucht getrieben haben, von denen sich so manch einer dann auch auf den Weg nach Europa gemacht hat.

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FOTO: DPA Sudanesen bejubeln das Machtteilu­ngsabkomme­n.

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