Rheinische Post Erkelenz

Nach dem Tod von Jeffrey Epstein diskutiert Großbritan­nien erneut über dessen Verbindung­en zu Prinz Andrew.

- VON SEBASTIAN BORGER

LONDON In London vergeht derzeit kein Tag ohne Schlagzeil­en über Prinz Andrew. Boulevardb­lätter und seriöse Medien berichten gleicherma­ßen über den Fall Jeffrey Epstein – und in keinem Bericht fehlt der Hinweis auf Andrew, den Lieblingss­ohn von Königin Elizabeth II., der lange Jahre eine enge Freundscha­ft mit dem Finanzier pflegte. Daran änderte auch Epsteins Verurteilu­ng wegen sexuellen Missbrauch­s Minderjähr­iger nichts. Der 66-Jährige hatte vor knapp zwei Wochen in der Untersuchu­ngshaft in New York Selbstmord begangen. Ihm wurde vorgeworfe­n, junge Mädchen missbrauch­t und zur Prostituti­on angestifte­t zu haben.

Der Herzog von York, 59, lernte Epstein Ende der 90er Jahre auf Vermittlun­g von Ghislaine Maxwell kennen. Der Britin werfen mehrere Frauen vor, sie habe dem Multimilli­onär regelmäßig junge Frauen als Sexualpart­nerinnen zugeführt. Den Prinzen beherbergt­e Epstein mehrfach in seinen Villen, wo sich Andrew gerüchtewe­ise gern massieren ließ. Der vermögende Freund wurde 2008 wegen kleinerer Sexualdeli­kte

zu achtzehn Monaten Haft verurteilt. Um schwerere Anklagepun­kte, die damals fallengela­ssen wurden, ging es bei dem neuen Verfahren – und um bis zu 45 Jahre Haft.

Dass Andrew nach dessen Haftentlas­sung den Kontakt mit Epstein weiterpfle­gte, ja demonstrat­iv mit seinem Freund in New Yorks Central Park spaziereng­ing, sorgte schon vor einige Jahren für einen Sturm der Entrüstung auf der Insel. Die Loyalität zu seinem Freund verstärkte damals bei Beobachter­n des Königshaus­es den Eindruck, es gebe im Oberstübch­en des Herzogs „keine nennenswer­te mentale Aktivität“, wie ein Abgeordnet­er der Tories lästerte.

Dass Andrew im Frühjahr 2011 nach zehn Jahren zum Rücktritt als offizielle­r Handelsbea­uftragter Großbritan­niens gezwungen wurde, ging neben Kontakten mit dubiosen arabischen Despoten auch auf die Epstein-Connection zurück. Alle Vorwürfe eigener Verwicklun­g in die unappetitl­ichen oder gar kriminelle­n Sexualaffä­ren seines Freundes hat der Prinz stets bestritten. Am Montag hat sich auch das Königshaus in einem seltenen Statement dazu geäußert. Andrew sei entsetzt über die Vorwürfe – und weise Gerüchte, er habe davon gewusst oder sogar partizipie­rt, zurück.

Zu den Vorwürfen gehört auch die Privatklag­e einer inzwischen erwachsene­n Mutter von drei Kindern: Sie sei als 17-Jährige, so Virginia Roberts, von Epstein „zur Sexsklavin gemacht“und zum Sex mit dem Prinzen gezwungen worden, hieß es in der Klagebegrü­ndung, die in West Palm Beach (Bundesstaa­t Florida) eingereich­t wurde. Das Gericht beschrieb die Vorwürfe damals als „unerheblic­h und unverschäm­t“.

Dem Testamentv­ollstrecke­r zufolge hat Epstein Immobilien, darunter zwei Privatinse­ln, Aktien und andere Wertsachen im Gesamtwert von 577,6 Millionen Dollar (rund 520 Millionen Euro) hinterlass­en. Als Haupterbe gilt sein Bruder Mark. Allerdings machte Epstein zwei Tage vor seinem Freitod im New Yorker Gefängnis ein neues Testament zugunsten einer Treuhandge­sellschaft auf den Jungfernin­seln in der Karibik, einer notorische­n Steueroase.

Im Zuge der Berichters­tattung über den Geschäftsm­ann tauchte auch ein Video von 2010 auf. Es zeigt Prinz Andrew an der Tür von Epsteins New Yorker Haus bei der Verabschie­dung einer hübschen Blondine. Dabei soll es sich um eine Tochter des früheren australisc­hen Premiermin­isters Paul Keating handeln. Die Reputation des Herzogs von York, glaubt der königstreu­e Daily Telegraph, sei „wahrschein­lich unwiderruf­lich beschädigt“.

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FOTO: IMAGO

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