Rheinische Post Erkelenz

Falks Fall

Alexander Falk war gefeierter Internet-Unternehme­r und einer der reichsten Deutschen. Dann landete er wegen Betrugs im Gefängnis. Jetzt steht der Erbe des Falk-Verlags wieder vor Gericht: Er soll einen Mord beauftragt haben.

- VON ARNE BENSIEK

FRANKFURT Noch bevor die Richter den Saal betreten, erhebt der Angeklagte das Wort. Alexander Falk, graues Hemd, durchtrain­iert, aber mit blasser Miene und nervösem Blick, spricht in die Fernsehkam­eras, die sich vor ihn drängen: „Ich sitze seit einem Jahr in Untersuchu­ngshaft, aber auf die Anklageban­k gehört der Belastungs­zeuge der Anklage, der meine Familie seit Jahren erpresst.“Er und seine Verteidige­r würden darauf drängen, seine Unschuld zu beweisen. Falk sagt: „Es gibt einiges aufzuarbei­ten.“Er sei froh, dass es losgehe.

Angeklagt ist der 50-Jährige seit Mittwoch vor dem Landgerich­t Frankfurt, aus Habgier den Mord an dem Frankfurte­r Rechtsanwa­lt Wolfgang J. in Auftrag gegeben zu haben. Diesem wurde im Februar 2010 von einem Unbekannte­n vor seinem Haus aus nächster Nähe ins Bein geschossen. J. wurde schwer verletzt, überlebte aber. Weil der Anwalt zu jener Zeit für die Großkanzle­i Clifford Chance einen Schadeners­atzprozess um viele Millionen gegen Falk führte, sieht die Staatsanwa­ltschaft Frankfurt ein Motiv für die Tat bei Falk.

Der Fall blieb jahrelang ungeklärt. Beweise fehlten. Erst im Herbst 2017 meldete sich ein Zeuge bei der Hamburger Polizei. Ertem E. behauptete, Alexander Falk habe den Auftrag erteilt, Anwalt J. umzubringe­n, und dafür 200.000 Euro bezahlt. Dazu präsentier­te der Zeuge eine achtminüti­ge Tonaufnahm­e von einem heimlich aufgezeich­neten Gespräch, in dem Falk seine Schadenfre­ude über den Schuss auf seinen Gegenspiel­er euphorisch ausdrückt.

Früher war Alexander Falk ein gefeierter Unternehme­r. Den Stadtplan-Verlag, den er von seinem Vater geerbt hatte, verkaufte er Ende der 90er-Jahre für 25 Millionen an Bertelsman­n. Dann ging es ganz schnell: Falk kaufte den Internet-Dienstleis­ter Ision, eine Thyssenkru­pp-Tochter, für 38 Millionen Euro. Der Ision-Börsengang im März 2000 brachte 230 Millionen in die Kasse, der Verkauf Ende 2000 an die britische Energis-Gruppe sogar gewaltige 772 Millionen Euro. Alexander Falk war ein Star der New Economy, plötzlich einer der reichsten Deutschen – und ein Betrüger?

Als bald darauf Ision und Energis pleiteging­en, kam es zum Prozess, in dem Falk angeklagt wurde, die Bilanzen von Ision frisiert zu haben. Falk bestreitet das bis heute; das Hamburger Gericht verurteilt­e ihn 2007 zu vier Jahren Haft. Auf die E-Mails und Daten, mit denen Falk glaubte, seine Unschuld beweisen zu können, habe er nach dem Ision-Verkauf keinen Zugriff mehr gehabt. Im Gegensatz zu, das glaubte Falk, dem Anwalt Wolfgang J., der im Namen von Energis den anschließe­nden Zivilproze­ss gegen Falk federführe­nd betreute. Ein Verfahren um Schadenser­satz, um Falks Millionen.

Falk gibt heute zu, dass er versuchte, diese Daten mit kriminelle­n Mitteln zu bekommen. Erst habe er Hacker mit dem Diebstahl beauftragt, später sogar eine fingierte Putzkolonn­e. Beides ohne Erfolg. „Aber ich habe nie einen Auftrag erteilt, auf Anwalt J. zu schießen oder ihn gar umzubringe­n“, sagt Falk am ersten Prozesstag in einer ausführlic­hen Erklärung. Das sei ein feiger Akt gewesen, der nicht seinen Werten entspreche – denen eines fünffachen Familienva­ters und Sportlers. Warum auf Wolfgang J. geschossen wurde, sagt Falk, das wisse er nicht.

Fakt ist: Falks Auftrag zur Beschaffun­g der Daten ging an einen Türken, mit dem er sich in seiner Zeit im Gefängnis angefreund­et hatte. Ali B., der entspreche­nde Kontakte ins kriminelle Milieu unterhielt, kümmerte sich. Mit ihm machte Falk bereits Geschäfte in der Türkei: eine Firmenbete­iligung, ein Hotelproje­kt. „Ich wollte ihn nach der Haft nicht einfach fallenlass­en“, erklärt Falk vor Gericht. Als Falk sich dann doch

zurückzieh­en will, weil er unzufriede­n ist mit den Geschäften, kommt es zum Streit mit Ali B. Falk fühlt sich unter Druck gesetzt.

Als im Februar 2010 in Frankfurt der Schuss auf Wolfgang J. fällt, ist Alexander Falk mit seiner Familie in Südafrika. Ali B. informiert ihn per SMS: „Google mal Anwalt und Frankfurt.“Falk beteuert im Gerichtssa­al, ihm hätten die Knie geschlotte­rt: „Ich dachte, das würde man mir anlasten.“

Problemati­sch für Falk ist, dass er den Schuss auf Anwalt J. in der Aufnahme bejubelt, die das Gericht gleich am ersten Verhandlun­gstag abspielen ließ und die für den Prozess zentral sein könnte. Falks Strafverte­idiger Björn Gercke sagte zu Prozessbeg­inn, von einem Geständnis sei darin keine Rede. Falk habe auf „widerliche Art“mit der Tat sympathisi­ert, sei aber in eine Falle gelockt worden: Um den Streit mit Ali B. beizulegen, habe Falk bei einem Treffen in Istanbul den Schuss auf J. gutheißen sollen. Das habe Falk getan, sei dann aber mit der Aufnahme erpresst worden, von Ertem E., einem Freund von Ali B. und dem Hauptzeuge­n der Anklage. Der Prozess wird am 3. September fortgesetz­t.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Angeklagte Alexander Falk (M.) mit seinen Verteidige­rn Daniel Wölky (l.) und Björn Gercke.
FOTO: DPA Der Angeklagte Alexander Falk (M.) mit seinen Verteidige­rn Daniel Wölky (l.) und Björn Gercke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany