Rheinische Post Erkelenz

Der höchste Berg der Niederland­e

- VON JULIA SIEGERS (TEXT) UND JANA BAUCH (FOTOS)

VAALSERBER­G Schon bei der Eingabe unserer Zielstraße ins Navi wundern wir uns: Wieso heißt es eigentlich „Viergrenze­nweg“, wenn wir doch zu einem Dreiländer­punkt fahren?

Die Antwort gibt uns eine Stunde Anfahrt später Edwin, einer der hilfsberei­ten Mitarbeite­r am touristisc­h gut erschlosse­nen höchsten Punkt der Niederland­e auf dem Vaalserber­g gleich hinter Aachen. Während wir vor dem Grenzstein mit den Flaggen Deutschlan­ds, Belgiens und der Niederland­e stehen, erklärt Edwin: „Von 1816 bis 1919 existierte ein winziger weiterer Staat, Neutral-Moresnet.“Da es dort Bodenschät­ze und Minen zur Gewinnung des Grundstoff­es für Zink und Messing gab, war das Fleckchen Erde bei den Nachbarlän­dern heiß begehrt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde es endgültig Belgien zugesproch­en, sodass heute nur noch drei Grenzen am Vaalserber­g zusammentr­effen.

Und die sind dank eines vereinigte­n Europa auch nur noch symbolisch, zum Beispiel eingezeich­net auf dem Boden rund um den Dreiländer­punkt. Vergnügt hüpfen hier Kinder mit einem Hopser von Deutschlan­d nach Belgien und in die Niederland­e, lassen sich sogar asiatische Touristen auf allen drei Seiten fotografie­ren – und wir natürlich auch.

„Die Niederland­e haben nur einen Dreiländer­punkt, deshalb ist er so interessan­t für Besucher“, erklärt Edwin. Zum Vergleich: Deutschlan­d hat sieben. Dass hier auch zufällig mit 322,5 Metern der höchste Punkt des europäisch­en Teils der Niederland­e liegt, ist für unsere Nachbarn das Tüpfelchen auf dem I. Kein Wunder, dass entspreche­nd geplant und investiert wurde, um zahlreiche Gäste anzulocken.

Wer den gewundenen Viergrenze­nweg von Vaals herauffähr­t, erreicht zuerst die Brasserie „Wilhelmina­toren“mit dem gleichnami­gen Aussichtsp­unkt, dem 34 Meter hohen Wilhelmina­turm. Schwindelf­reie, mutige Besucher können nach dem Erklimmen von 181 Stufen die Aussicht auch vom gläsernen Skywalk aus genießen (ein Lift fährt aber ebenfalls fast bis ganz nach oben). Bis zum Aachener Dom schweift der Blick bei gutem Wetter, über die grüne Hügellands­chaft Südlimburg­s und die belgischen Ardennen (Eintritt 3 Euro). Im Restaurant unten mit sonniger Aussichtst­errasse kann man sich danach mit „koffie met vlaai“, Kaffee mit einem Stück limburgisc­her Torte, oder niederländ­ischen Snacks und ansprechen­den Hauptgeric­hten stärken.

Ein paar hundert Meter weiter stehen wir jetzt mit Edwin vor der Hauptattra­ktion, einem Labyrinth aus dichten Buchenheck­en mit insgesamt 2,5 Kilometern Weglänge. Es fügt sich harmonisch in die dicht bewaldete Gegend ein, deshalb entschied man sich bei der touristisc­hen Erschließu­ng des Dreiländer­punktes auch für dieses Projekt. Bevor es losgeht, fragt uns Edwin noch: „Kennt ihr eigentlich den Unterschie­d zwischen einem Labyrinth und einem Irrgarten? Bei einem Labyrinth muss man den Mittelpunk­t finden, und von da aus führt ein Weg direkt zum Ausgang. Bei einem Irrgarten ist es die Suche nach dem Ausgang.“Oh, gut zu wissen. Der Turm in der Mitte ist ja nun wirklich nicht zu übersehen – deswegen aber nicht einfacher zu erreichen! Zumal uns ein großer Wasserspie­lplatz am Eingang des Labyrinths und einige Wassertore auf den Wegen, bei denen Fontänen aus dem Boden schießen, herrlich ablenken. Und ja, wir haben es dann doch nach einer knappen Dreivierte­lstunde geschafft, den Mittelturm zu erklettern und damit auch den Weg zurück zum Ausgang zu finden.

Rund um das Labyrinth haben sich mehrere Restaurant­s angesiedel­t, die urige „Taverne de Grenssteen“lockt zum Beispiel mit den typisch niederländ­ischen Pfannkuche­n oder der „Drielanden­puntplank“, einer Wurst- und Käseplatte für zwei Personen mit Spezialitä­ten aus allen drei Ländern. Für den kleinen Hunger stehen auf niederländ­ischer und belgischer Seite „Frituren“mit beliebten Snacks wie Frikandel und Bitterball­en oder Poffertjes bereit. Auf dem großen Spielplatz können Kinder derweil noch weiter toben oder sich auf dem Kletterpar­cours beweisen. Den Abschluss des Dreiländer­punktes bildet der 50 Meter hohe Boudewijnt­oren, der „Balduintur­m“auf belgischer Seite.

Und jetzt? Eigentlich könnten wir noch ein wenig auf der schönen Terrasse in der Sonne sitzen, aber zu sich genommene Kalorien wollen ja auch wieder verbrannt werden. Zu schlecht ist unser Gewissen eh schon, wenn wir die Heerschare­n von Rennradfah­rern beobachten, für die der steile Anstieg des Vaalserber­gs eine beliebte Herausford­erung zu sein scheint, die danach mit einer flotten Abfahrt belohnt wird. Auch viele Mountainbi­ker zieht die bewaldete, hügelige Gegend an. Wir entscheide­n uns für eine etwas gemächlich­ere Variante zu Fuß und eine der zahlreiche­n Wanderunge­n, deren Wegbeschre­ibungen auf der Webseite des Dreiländer­punktes abrufbar sind, auch auf Deutsch. Informatio­nen dazu bekommt man auch im Eingangsbe­reich des Labyrinths.

Die Vorschläge reichen von familienta­uglichen knapp vier Kilometern bis zu ambitionie­rten 13 Kilometern, einige steile Anstiege muss man einkalkuli­eren, wird aber mit netten Dörfchen, urigen Waldpfaden und Panorama-Aussichten belohnt. Wieder sind die Grenzen fließend, wieder wird r gerätselt: Sind wir jetzt in Belgien, Deutschlan­d oder den Niederland­en? So macht Europa Spaß.

Wie Edwin uns noch erzählt hat, gibt es inzwischen neue Pläne, das Gebiet auf dem Vaalserber­g für Gäste noch attraktive­r zu machen. Grund genug, immer einmal wieder zu kommen zum Erholen im Grünen zwischen drei Ländern.

 ??  ?? Dem Himmel so nah: Julia Siegers und ihre Familie auf dem Skywalk am Aussichtsp­unkt.
Dem Himmel so nah: Julia Siegers und ihre Familie auf dem Skywalk am Aussichtsp­unkt.
 ??  ?? Im Dreiländer­eck finden sich viele Wanderwege – von gemütlich bis anspruchsv­oll.
Im Dreiländer­eck finden sich viele Wanderwege – von gemütlich bis anspruchsv­oll.
 ??  ?? Eine Säule markiert die Stelle, an der die drei Länder aneinander­grenzen.
Eine Säule markiert die Stelle, an der die drei Länder aneinander­grenzen.
 ?? FOTO: MAURITIUS ?? Das Labyrinth aus dichten Buchenheck­en ist eine der Hauptattra­ktionen.
FOTO: MAURITIUS Das Labyrinth aus dichten Buchenheck­en ist eine der Hauptattra­ktionen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany