Der Sieger am Golf heißt Iran
Streit um festgesetzte Tanker, wirtschaftliche Sanktionen und das iranische Atomprogramm. Während die USA ihre Ziele verfehlen, verbucht das Teheraner Regime Erfolg um Erfolg – durch eine riskante, aber wirksame Taktik.
ber dem Öltanker „Grace 1“weht jetzt die Flagge des Irans. Als das Schiff mit zwei Millionen Barrel Öl nach einem unfreiwilligen Aufenthalt in Gibraltar in den vergangenen Tagen wieder in See stach, wurde an Bord die bisherige Flagge Panamas eingeholt und die der Islamischen Republik gehisst. Umbenannt wurde der Tanker außerdem. Er heißt jetzt „Adrian Darya“. Hektische Versuche der USA, den Tanker weiter festzuhalten, wirkten wie ein indirektes Eingeständnis des Scheiterns. Denn der Iran steht als vorläufiger Sieger der jüngsten Eskalationsrunde im Streit mit den USA seit dem Frühjahr fest.
Im Mai hatte die Regierung von US-Präsident Donald Trump die Ausnahmegenehmigungen für Länder wie China beim Kauf von iranischem Öl beendet und damit die Sanktionen gegen den Iran verschärft. Trump will die Iraner mit einer Politik des „maximalen Drucks“dazu zwingen, sich strengeren Vorgaben für ihr Atomprogramm zu unterwerfen und ihre aggressive Nahost-Politik aufzugeben. Deshalb verlegte Trump zusätzliche Marine- und Luftwaffeneinheiten an den Golf. Hardliner wie Sicherheitsberater John Bolton sahen ihre Stunde gekommen. Das Wort vom Regimewechsel machte die Runde.
Doch Trumps Politik blieb bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Zwar sind die iranischen Ölexporte von mehr als zwei Millionen Barrel pro Tag im vergangenen Jahr auf rund 100.000 Barrel abgestürzt. Doch kompromissbereiter ist der Iran nicht geworden, im Gegenteil. Mit nadelstichartigen Angriffen auf Öltanker im Golf und verstärkten Drohnen-Attacken der verbündeten Huthis im Jemen auf Saudi-Arabien machte Teheran deutlich, dass eine militärische Eskalation für den Westen und für die Partner der USA in Nahost einen hohen Preis haben würde.
Eine riskante, aber wirksame Taktik. Bei Trump kam die Botschaft jedenfalls an. Einen Militärschlag gegen Teheran blies der US-Präsident im Juni in letzter Minute ab. Mit dem Rückzieher verunsicherte der Präsident einige US-Verbündete: Sie kamen zu dem Schluss, dass sie sich im Falle eines Falles nicht unbedingt auf Trump verlassen können, wenn der Iran zum Beispiel mit Raketen angreifen sollte.
Auch der US-Plan für einen internationalen Marine-Verband zum Schutz der Schifffahrt im Golf kommt nicht von der Stelle. Amerika sollte die Region am besten einfach in Ruhe lassen, ätzte der iranische Außenminister Dschawad Sarif in einem Interview mit dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bemühen sich bereits seit einiger Zeit um eine Iran-freundlichere Politik und wollen zudem ihre Truppen aus Jemen abziehen, was den Iran ebenfalls freuen dürfte: Die dortigen Huthi-Rebellen werden von Teheran unterstützt. Länder wie der Oman oder der Irak wollten sich von Anfang an nicht in Trumps Anti-Iran-Front einreihen.
Mit absichtlichen Verletzungen des internationalen Atomabkommens wertete sich der Iran gleichzeitig auf internationaler Bühne auf – zumindest Europa verhandelt so intensiv mit Teheran wie schon lange nicht mehr. Außenminister Sarif zum Beispiel war diese Woche in Schweden zu Gast.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich persönlich als Vermittler zwischen Teheran und Washington eingeschaltet. Außenminister Sarif wird an diesem Freitag von Macron in Paris empfangen. Drei Monate nach Beginn der jüngsten Krise betreibt der Iran eine höhere Urananreicherung als im Atomvertrag vorgesehen, ohne dass er dafür Strafmaßnahmen der Europäer zu erwarten hätte.
Als Erfolg ohne jeden Kratzer fällt die Bilanz für die Iraner allerdings nicht aus.
Mit absichtlichen Verletzungen des Atomabkommens wertet sich der Iran auf internationaler Bühne auf