422 Tonnen durch Rheydt
Gewicht. „Ich mache das seit 28 Jahren“, sagt Hartung – und wird durch einen Funkspruch unterbrochen.
Auch wenn das bereits der dritte Trafo-Transport binnen weniger Tage ist: Von Routine kann keine Rede sein. Vor allem nicht in Kurven. „Der Kollege hinten ist quasi von mir abhängig. Er sieht ja nichts“, sagt Kai Hartung und spricht durch das Funkgerät mit Hendrik Traut, dem anderen Fahrer, der den gesamten Transport mit einem weiteren Lkw von hinten anschiebt. Wenn Hartung vorne zieht, darf Traut nicht auf der Bremse stehen. Beide müssen sich absprechen, der Fahrer hinten muss exakt die Spur des Fahrers vorne halten – sonst wird es eng. „Pass auf, dass du auf den Platten nicht rutschst“, warnt Hartung seinen Kollegen über Funk und spricht die Stahlplatten an, die neben der Straße im Gras ausgelegt sind. Den Platz braucht der Transport zum Ausholen, um die Kurve zu kriegen – eine der Hürden auf der Strecke zum Krefelder Hafen, wo der Trafo nach einer weiteren Nachtfahrt verschifft werden soll. Hartung blickt konzentriert in die Außenspiegel und lenkt das 55 Meter lange Gespann gekonnt über eine Verkehrsinsel hinweg in die neue Straße.
Für freie Fahrt sorgen andere: Männer wie Martin Neugebauer. Er ist Transport-Koordinator und sozusagen der „Herr der Verkehrsinseln, Ampeln und Schilder“. Mit wenigen Handgriffen zieht er im Weg stehende Verkehrsschilder aus der Verankerung und schwenkt Ampel-Ausleger zur Seite, damit der gut sechs Meter hohe Schwertransporter nirgendwo hängen bleibt. „Gute Vorbereitung ist das Wichtigste“, sagt Neugebauer, der die Tücken der Strecke bestens kennt. Bereits Stunden vorher hatte er die ersten Schrauben gelöst. „Bei dem Transport muss das schnell gehen“, sagt er. Neugebauer weiß, wovon er spricht. Denn obwohl der Schwerlastzug wegen des hohen Schwerpunkts im Trafo nur mit maximal 20 Kilometern pro Stunde durch die Straßen Martin Neugebauer Transport-Koordinator rollt, wird er von Hartung und Traut immer wieder eingeholt. Deshalb ist Eile geboten – genau wie hinter dem Transport: Dort bauen Neugebauers Kollegen alles wieder auf.
Er selbst fährt vorweg und trägt die Verantwortung für den Transport. Deshalb muss er permanent ein Auge auf den Verkehr haben – auch wenn die Polizei Transporte dieser Größe begleitet und Kreuzungen sperrt. „Man kann gar nicht so blöd denken, wie manche Autofahrer handeln“, sagt er. Und dann passiert es: Ein Taxifahrer fährt einfach durch. Mit Lichthupe bremst Neugebauer den Fahrer und weist ihn an den Rand, um Platz für das überbreite Gespann zu machen. „Viele Fahrer schauen einfach nicht nach links und rechts“, sagt er.
Etwas Ärger gehört dazu – genau wie Linienbusse, die dem Transport in die Quere kommen. Manchmal gibt es kein Vor und Zurück, aber immer eine Lösung. So auch in dieser Nacht auf der Giesenkirchener Straße, wo der Bus schließlich doch in eine Bucht gelenkt werden kann. „Verzögerungen müssen wir einkalkulieren“, sagt Neugebauer.
Trotz mehrerer Stopps liegt der Transport im Zeitplan. Gegen Mitternacht überquert er eine 15 Meter lange und 80 Tonnen schwere Stahlkonstruktion, die eine Bach-Brücke bei Korschenbroich schont, in dem sie diese komplett überbrückt. „Damit erfüllen wir die Vorgaben der Statiker“, sagt Robert Müller von der luxemburgischen Spezialfirma, die die Behelfsbrücke eigens für die Überquerung aufgebaut hat. Was die Konstruktion aushält? „600 Tonnen“, sagt Müller. „Da sind 422 Tonnen eine Leichtigkeit.“
„Man kann nicht so blöd denken, wie manche Autofahrer handeln“
Video zum XXL-Transport im Internet: www.rp-online.de/moenchengladbach