Fast jede zweite neue Lehrerstelle unbesetzt
Zum Schulstart kommende Woche fehlen in NRW 6000 Pädagogen. 818 Pensionäre sollen mithelfen, die Personallücke zu stopfen.
DÜSSELDORF Für 2,5 Millionen Schüler in NRW gehen die Sommerferien zu Ende. Mittwoch beginnt der Schulalltag – 139.000 Fünftklässlern steht erstmals wieder eine neunjährige Gymnasialzeit bevor. Die Landesregierung habe die Abkehr vom Turbo-Abi „zügig umgesetzt“, sagte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag und kündigte weitere Neuerungen an.
So soll das gemeinsame Lernen von Schülern mit und ohne Handicap (Inklusion) künftig an ausgewählten Schulen gebündelt werden. Die rund 6800 neuen Schüler mit besonderem Förderbedarf sollen sich auf die Eingangsklassen von nur knapp 800 weiterführenden Schulen verteilen – das ist knapp die Hälfte aller weiterführenden Schulen in NRW.
Anders als die rot-grüne Vorgängerregierung, die über die Schließung fast sämtlicher Förderschulen den inklusiven Unterricht an allen Schulen erzwingen wollte, plant Gebauer nach eigenen Worten „ein gut erreichbares Netz an Förderschulen“als zusätzliches Angebot. Die Eltern sollen Wahlfreiheit haben. Im vergangenen Schuljahr wurden über 63.000 Kinder mit Förderbedarf an Regelschulen unterrichtet und fast 81.000 an Förderschulen.
Schwer zu schaffen macht der Schulministerin der Lehrermangel. Von den zuletzt ausgeschriebenen rund 10.000 Stellen konnten nur 58 Prozent besetzt werden – eine schlechtere Quote als im Vorjahr, als der Wert noch bei 61 Prozent lag. Insgesamt seien aktuell knapp 96 Prozent der rechnerischen 162.175 Vollzeitstellen an den Schulen des Landes besetzt – über alle Schulformen hinweg fehlen also gut 6000 Lehrer in NRW.
Das Land steuert langfristig mit zusätzlichen Studienplätzen gegen. 339 zusätzliche Plätze für das Grundschullehramt und 250 für Sonderpädagogik kamen zum vergangenen Wintersemester hinzu. Kurzfristig sollen 818 eigentlich schon pensionierte Lehrkräfte das Problem entschärfen. Zudem öffnet NRW das Lehramt weiterhin für Seiteneinsteiger.
Aus dem Digitalpakt des Bundes fließen in den kommenden fünf Jahren 1,5 Milliarden Euro nach NRW – im Schnitt also knapp 200.000 Euro pro Schule. Das Geld soll zum Beispiel in schnelle Internetverbindungen, Laptops, Tablets oder interaktive Schultafeln fließen. Die Schulträger können ihre Anträge ab Mitte September bei den Bezirksregierungen einreichen.
Der Abruf der Fördermittel aus dem milliardenschweren Programm „Gute Schule 2020“, das schon die Vorgängerregierung gegen den schlechten Zustand der Schulgebäude aufgelegt hatte, läuft schleppend. Von den bis 2020 zugesagten zwei Milliarden Euro wurde bislang nicht einmal die Hälfte abgerufen. Wesentliches Problem sind mangelnde Planungskapazitäten und die übervollen Auftragsbücher der Handwerker.
Die Lehrervertretung VBE wirft Gebauer eine zu starke Konzentration auf Gymnasien vor. NRW-Landeschef Stefan Behlau sagte: „Die Grundschulen warten zum Beispiel noch immer auf den bereits lange angekündigten Masterplan. Die Gewerkschaft GEW kritisierte fehlende Anstrengungen von Gebauer, das Gehaltsgefälle zwischen Gymnasialund Grundschullehrern auszugleichen.
Die SPD im Landtag bezeichnet Gebauers Inklusionsstrategie als „Mogelpackung“, weil nicht genug Sonderpädagogen für die Umsetzung bereit stünden. Die Grünen werfen ihr Einfallslosigkeit bei der Digitalisierung der Schulen vor, weil sie lediglich Bundesmittel verteile.