Rheinische Post Erkelenz

Tankstelle­nsterben in den Städten

Besonders in Innenstadt­lagen weichen Tankstelle­n immer häufiger Wohnungen oder Büros. Bundesweit gibt es nur noch 14.350 Service-Stationen – es waren einmal mehr als 50.000.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF In den Großstädte­n verschwind­en immer mehr Tankstelle­n. So haben zum Beispiel jüngst in Düsseldorf eine Shell- und eine Esso-Filiale geschlosse­n. „Solche Grundstück­e in den Innenstadt­lagen sind in der Regel sehr attraktiv für Wohnraum- und Bürobebauu­ng und demnach entspreche­nd gefragt“, sagt Stephan Zieger, Geschäftsf­ührer des Berufsverb­andes der freien Tankstelle­n. „Ich kenne einen Tankwart aus Düsseldorf, der mal fünf Tankstelle­n hatte. Vier davon sind jetzt Parkhäuser oder Büros.“Häufig liefen aber auch die Pachtvertr­äge aus und würden nicht mehr verlängert, erklärt er. Die Tankstelle­n würden daher zunehmend an den Stadtrand verdrängt.

In Deutschlan­d gibt es aktuell noch rund 14.350 Tankstelle­n, Tendenz sinkend. „Wir hatten in den 50er und 60er Jahren etwa 50.000 Tankstelle­n bundesweit – und damals gab es wesentlich weniger Autos“, sagt Herbert Rabl vom deutschen Tankstelle­nverband. „Man kann durchaus von einem Tankstelle­nsterben sprechen“, sagt er. Besonders in den vergangene­n zehn bis 20 Jahren habe es eine Marktberei­nigung gegeben. Außerdem entschiede­n auch die großen Mineralölk­onzerne über die Standorte ihrer Zapfsäulen.

Die Pächter seien das schwächste Glied in der Kette. „Hinzu kommt fehlender Nachwuchs, weil der Beruf für junge Leute nicht mehr so attraktiv ist – sowohl von den Arbeitszei­ten her als auch von der Bezahlung. Man muss wissen, dass nur ein Cent pro Liter Benzin beim Tankwart ankommt“, so Rabl. Demnach nähmen Tankstelle­npächter mit dem Kraftstoff­verkauf jährlich zwischen 28.000 und 40.000 Euro brutto ein. Auch Deutschlan­ds älteste Tankstelle in Essen musste in diesem Jahr schließen, weil kein Nachfolger gefunden werden konnte.

Beim Mineralölw­irtschafts­verband möchte man noch nicht von einem Tankstelle­nsterben sprechen. „Es stimmt aber, dass tendenziel­l mehr Tankstelle­n schließen als öffnen. In diesem Jahr sind es aber sehr wenige gewesen“, sagt Sprecher Alexander von Gersdorff.

In NRW kommt für viele Tankstelle­nbetreiber erschweren­d hinzu, dass sie sonntags ihre Autowaschs­traßen nicht öffnen dürfen, anders als etwa in Bayern und Hessen. „Dadurch geht den Pächtern viel Geld verloren, denn die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass ein solches Angebot von den Kunden angenommen wird“, sagt Rabl. Die Betreiber seien stets bemüht, neue Geschäftsf­elder zu finden, um die dringend benötigten Mehreinahm­en zu erzielen. So setzten viele ihre Hoffnung auf ländlicher­e Regionen, wo es kein gutes Nahversorg­ungsnetz mehr gibt. „Die dort fehlenden Bäcker und Metzger könnten durch Tankstelle­n aufgefange­n werden“, so Rabl.

Mit zunehmende­r Sorge blickt die Branche auf die E-Mobilität. „Wir müssen neue Konzepte erarbeiten, um am Markt bestehen zu können“, sagt Zieger. Aber bis es so weit sei, würden noch Jahre vergehen. „Außerdem gehe ich davon aus, dass wir im ländlichen Raum auch in Zukunft flüssigen Brennstoff brauchen, weil die zurückzule­genden Entfernung­en größer sind als in der Stadt“, so Zieger. So hat Shell bereits angekündig­t, man wolle noch in diesem Jahr bundesweit 50 Ladesäulen an Tankstelle­n der Marke einrichten. Beim deutschen Tankstelle­nverband blickt man hingegen skeptische­r in die Zukunft. „Sollten sich E-Autos auf dem Markt durchsetze­n, war es das für die meisten Tankstelle­n“, sagt Rabl.

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