Rheinische Post Erkelenz

Kalt erwischt in Biarritz

- VON KRISTINA DUNZ

US-Präsident Trump geht beim G7-Gipfel wieder eigene Wege, Frankreich­s Präsident Macron spielt ihn aus. Die Gruppe ist brüchig.

BIARRITZ Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Gastgeber Emmanuel Macron die Überraschu­ng gelungen ist. Mit den sanften Wellen am Strand von Biarritz plätschert­e der Gipfel der Staatsund Regierungs­chefs der sieben großen Industrien­ationen am Sonntag so dahin. Erwartungs­gemäß begeistert­e sich US-Präsident Donald Trump beim Arbeitsfrü­hstück mit Großbritan­niens neuem Premier Boris Johnson über das „fantastisc­he Handelsabk­ommen“, das er mit ihm nach dem Brexit schließen wolle. Eins zu eins: Das ist Trump am liebsten.

Aus dem prächtigen Hotel du Palais, dem Tagungsort, verlautete, die Europäer hielten aber zusammen in anderen wichtigen Fragen: Nein zu Trumps Vorstoß zu Russlands Rückkehr in die G8, solange es keine Fortschrit­te beim Friedenspr­ozess in der Ostukraine gibt – zu einem Gipfel mit Kremlchef Wladimir Putin könnte es aber bald kommen. Nein zu Trumps Handelskri­eg mit China, nein zu Trumps harter Linie gegen den Iran nachdem er das mühevoll ausgehande­lte Atomabkomm­en mit Teheran 2018 aufgekündi­gt hatte. Es stimme nicht, dass Europa gespalten sei, hieß es. Außerdem gebe es auch den gemeinsame­n Willen aller G7 zur Hilfe für Brasilien gegen die verheerend­en Flammen im Regenwald.

Dennoch wurde der transatlan­tische Riss sichtbar. Und die Bilder des strahlende­n US-Präsidente­n, dem der Zusammenha­lt der G7 gleichgült­ig zu sein scheint, bestimmten die Agenda. Bis zum Nachmittag. Dann traf ein Überraschu­ngsgast am Ort des Geschehens ein, der diese Bezeichnun­g verdient. Es landete ein Mann in Biarritz, den Trump, der seine Welt in Freund und Feind einteilt, zur zweiten Kategorie zählt: Irans Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif.

Vor einigen Wochen hatte die US-Regierung ihn auf ihre Sanktionsl­iste gesetzt. Bankkonten und Vermögensw­erte in den USA seien eingefrore­n worden und Sarif solle an Auslandsre­isen gehindert werden, teilte das Weiße Haus mit. Begründung: Sarif sei das internatio­nale Gesicht dieses Regimes, er führe die Propaganda zur Unterstütz­ung von Teherans Nuklearpro­gramm und Terrornetz­werken an. Sarif konterte, er und seine Familie hätten keinen Besitz außerhalb des Iran. Und spottete: „Danke, dass sie mich als so eine große Bedrohung ihrer Agenda wahrnehmen.“

Die Iran-Krise ist eines der Haupttheme­n beim bis Montag andauernde­n Gipfel. Die USA wollen Teheran mit maximalem politische­n und wirtschaft­lichen Druck zu einem Kurswechse­l in der als aggressiv erachteten Außenpolit­ik zwingen. Die Wiedereinf­ührung von Sanktionen hat bislang aber nur die Spannungen in der Region weiter angeheizt. Zuletzt stoppte der Iran Frachtschi­ffe anderer Nationen in der Straße von Hormus im Persischen Golf.

Das Arbeitsess­en zur Außen- und Sicherheit­spolitik am Samstagabe­nd soll „sehr lebendig“gewesen sein, verlautet aus Delegation­skreisen. Merkel sagte am Sonntagabe­nd,

es habe eine lange und konstrukti­ve Diskussion über den Iran gegeben. Klar sei, dass der Iran keine Nuklearwaf­fen bekommen dürfe und eine weitere Eskalation verhindert werden müsse. Teheran leide unter den neuen Sanktionen. Und klar sei auch gewesen, dass es einen neuen Gesprächsv­orstoß geben werde.

Verwirrung gab es, als französisc­he Diplomaten erklärten, Macron sei beauftragt worden, eine gemeinsame Botschaft an Teheran zu richten. Trump wurde hingegen mit den Worten zitiert: „Ich habe das nicht diskutiert.“Er habe aber auch nichts gegen einen solchen Schritt.

Während die Aufregung über die Einladungs­politik des französisc­hen Präsidente­n auf dem Gipfelgelä­nde anschwoll, trat Merkel mit Macron und dem Präsidente­n von Burkina Faso, Roch Kabore vor die Presse. Sie verkündete­n eine Partnersch­aft für Stabilität und Sicherheit in den Sahel-Staaten. Merkel war im Sommer dort und hatte versproche­n, die Bitte nach Unterstütz­ung für den Kampf gegen den Terrorismu­s als „Auftrag“nach Europa mit zurückzune­hmen. Das hat sie erfüllt.

Drängende Fragen zum Iran wurden aber nicht zugelassen. Macron vertröstet­e auf einen späteren Zeitpunkt. Inzwischen verlautete, der französisc­he Außenminis­ter JeanYves Le Drian habe Sarif eingeladen. Mit der amerikanis­chen Delegation werde sich Sarif nicht treffen. Auf die Frage von Journalist­en an Trump, ob er etwas über Sarifs Biarritz-Reise wisse, sagte er: „Kein Kommentar“. Später hieß es, Macron habe ihn nicht vorgewarnt.

Merkel erklärt, es sei keineswegs seit Langem klar gewesen, dass Sarif komme. Was wohl so viel bedeutet, dass auch die Bundeskanz­lerin erst auf den letzten Drücker Bescheid wusste. Sie nennt den Besuch aber ein „Paralleler­eignis am gleichen Ort“und keine G7-Bewegung. Jeder Versuch sei es aber wert, ins Gespräch miteinande­r zu kommen, mahnt sie. Es wäre aber nicht überrasche­nd, wenn Trump das Bemühen Macrons um den Iran als Affront ansehen würde. Er fühlt sich schon von Kleinigkei­ten provoziert. Und hier hat Macron ein großes Ausrufezei­chen gesetzt.

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FOTO: AP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanz­lerin Angela Merkel beim G7-Gipfel in Biarritz.

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