Kalt erwischt in Biarritz
US-Präsident Trump geht beim G7-Gipfel wieder eigene Wege, Frankreichs Präsident Macron spielt ihn aus. Die Gruppe ist brüchig.
BIARRITZ Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Gastgeber Emmanuel Macron die Überraschung gelungen ist. Mit den sanften Wellen am Strand von Biarritz plätscherte der Gipfel der Staatsund Regierungschefs der sieben großen Industrienationen am Sonntag so dahin. Erwartungsgemäß begeisterte sich US-Präsident Donald Trump beim Arbeitsfrühstück mit Großbritanniens neuem Premier Boris Johnson über das „fantastische Handelsabkommen“, das er mit ihm nach dem Brexit schließen wolle. Eins zu eins: Das ist Trump am liebsten.
Aus dem prächtigen Hotel du Palais, dem Tagungsort, verlautete, die Europäer hielten aber zusammen in anderen wichtigen Fragen: Nein zu Trumps Vorstoß zu Russlands Rückkehr in die G8, solange es keine Fortschritte beim Friedensprozess in der Ostukraine gibt – zu einem Gipfel mit Kremlchef Wladimir Putin könnte es aber bald kommen. Nein zu Trumps Handelskrieg mit China, nein zu Trumps harter Linie gegen den Iran nachdem er das mühevoll ausgehandelte Atomabkommen mit Teheran 2018 aufgekündigt hatte. Es stimme nicht, dass Europa gespalten sei, hieß es. Außerdem gebe es auch den gemeinsamen Willen aller G7 zur Hilfe für Brasilien gegen die verheerenden Flammen im Regenwald.
Dennoch wurde der transatlantische Riss sichtbar. Und die Bilder des strahlenden US-Präsidenten, dem der Zusammenhalt der G7 gleichgültig zu sein scheint, bestimmten die Agenda. Bis zum Nachmittag. Dann traf ein Überraschungsgast am Ort des Geschehens ein, der diese Bezeichnung verdient. Es landete ein Mann in Biarritz, den Trump, der seine Welt in Freund und Feind einteilt, zur zweiten Kategorie zählt: Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif.
Vor einigen Wochen hatte die US-Regierung ihn auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Bankkonten und Vermögenswerte in den USA seien eingefroren worden und Sarif solle an Auslandsreisen gehindert werden, teilte das Weiße Haus mit. Begründung: Sarif sei das internationale Gesicht dieses Regimes, er führe die Propaganda zur Unterstützung von Teherans Nuklearprogramm und Terrornetzwerken an. Sarif konterte, er und seine Familie hätten keinen Besitz außerhalb des Iran. Und spottete: „Danke, dass sie mich als so eine große Bedrohung ihrer Agenda wahrnehmen.“
Die Iran-Krise ist eines der Hauptthemen beim bis Montag andauernden Gipfel. Die USA wollen Teheran mit maximalem politischen und wirtschaftlichen Druck zu einem Kurswechsel in der als aggressiv erachteten Außenpolitik zwingen. Die Wiedereinführung von Sanktionen hat bislang aber nur die Spannungen in der Region weiter angeheizt. Zuletzt stoppte der Iran Frachtschiffe anderer Nationen in der Straße von Hormus im Persischen Golf.
Das Arbeitsessen zur Außen- und Sicherheitspolitik am Samstagabend soll „sehr lebendig“gewesen sein, verlautet aus Delegationskreisen. Merkel sagte am Sonntagabend,
es habe eine lange und konstruktive Diskussion über den Iran gegeben. Klar sei, dass der Iran keine Nuklearwaffen bekommen dürfe und eine weitere Eskalation verhindert werden müsse. Teheran leide unter den neuen Sanktionen. Und klar sei auch gewesen, dass es einen neuen Gesprächsvorstoß geben werde.
Verwirrung gab es, als französische Diplomaten erklärten, Macron sei beauftragt worden, eine gemeinsame Botschaft an Teheran zu richten. Trump wurde hingegen mit den Worten zitiert: „Ich habe das nicht diskutiert.“Er habe aber auch nichts gegen einen solchen Schritt.
Während die Aufregung über die Einladungspolitik des französischen Präsidenten auf dem Gipfelgelände anschwoll, trat Merkel mit Macron und dem Präsidenten von Burkina Faso, Roch Kabore vor die Presse. Sie verkündeten eine Partnerschaft für Stabilität und Sicherheit in den Sahel-Staaten. Merkel war im Sommer dort und hatte versprochen, die Bitte nach Unterstützung für den Kampf gegen den Terrorismus als „Auftrag“nach Europa mit zurückzunehmen. Das hat sie erfüllt.
Drängende Fragen zum Iran wurden aber nicht zugelassen. Macron vertröstete auf einen späteren Zeitpunkt. Inzwischen verlautete, der französische Außenminister JeanYves Le Drian habe Sarif eingeladen. Mit der amerikanischen Delegation werde sich Sarif nicht treffen. Auf die Frage von Journalisten an Trump, ob er etwas über Sarifs Biarritz-Reise wisse, sagte er: „Kein Kommentar“. Später hieß es, Macron habe ihn nicht vorgewarnt.
Merkel erklärt, es sei keineswegs seit Langem klar gewesen, dass Sarif komme. Was wohl so viel bedeutet, dass auch die Bundeskanzlerin erst auf den letzten Drücker Bescheid wusste. Sie nennt den Besuch aber ein „Parallelereignis am gleichen Ort“und keine G7-Bewegung. Jeder Versuch sei es aber wert, ins Gespräch miteinander zu kommen, mahnt sie. Es wäre aber nicht überraschend, wenn Trump das Bemühen Macrons um den Iran als Affront ansehen würde. Er fühlt sich schon von Kleinigkeiten provoziert. Und hier hat Macron ein großes Ausrufezeichen gesetzt.