Rheinische Post Erkelenz

Unter Bosz findet Bayer wieder zu sich

Nimmt die Werkself die erste Halbzeit beim 3:1-Sieg in Düsseldorf zum Maßstab, ist in dieser Saison einiges möglich.

- VON DORIAN AUDERSCH

DÜSSELDORF Zur Halbzeit war bereits klar, dass es nicht mehr viel besser werden würde. Bayer Leverkusen führte zu dem Zeitpunkt 3:0 in Düsseldorf, dominierte die Fortuna im Grunde nach Belieben und bot attraktive­n, schnellen, offensiven Fußball ohne Kompromiss­e. Auch nach dem ein oder anderen unnötigen Ballverlus­t waren die Spieler von Trainer Peter Bosz sofort zur Stelle. Sein Pendant Friedhelm Funkel fand keine Antwort auf die sehenswert­e Mischung aus sicherem Ballbesitz­fußball und aggressive­n Gegenpress­ing. „Ich muss klar sagen, dass wir verdient verloren haben. Man hat gesehen, wer in der Champions League spielt und wer um den Klassenerh­alt kämpft“, resümierte der 65-jährige Trainer situations­gerecht. Sein Sportdirek­tor Lutz Pfannensti­el attestiert­e den Leverkusen­ern zudem eine geradezu „ekelhafte Ballsicher­heit.“

Freilich ist das der hohen individuel­len Klasse im Kader des Werksklubs geschuldet, aber es ist auch das Ergebnis der Arbeit von Trainer Peter Bosz. Im Winter hat er das damals straucheln­de, verunsiche­rte Team von Heiko Herrlich übernommen und seitdem Stück für Stück zu alter Stärke geführt. Seine betont offensive Spielidee passt zur Leverkusen­er Fußball-DNA. Es scheint fast, als würde der Niederländ­er und bekennende Fan der 2016 verstorben­en Fußball-Legende Johan Cruyff die wohl niederländ­ischste Mannschaft der Bundesliga trainieren.

Bayer und Bosz – das funktionie­rt aber nicht nur auf dem Rasen. Er findet im eher beschaulic­hen Leverkusen ideale Arbeitsbed­ingungen vor, hat einen Kader, der seinen Vorstellun­gen entspricht und ein deutlich ruhigeres Umfeld als in Dortmund, wo er 2017 nach nur fünf Monaten entlassen wurde. Zuletzt berichtete­n verschiede­ne Spieler von dem neuen Spirit in der Mannschaft, seit der 55-Jährige im Amt ist. Sie betonten dabei, wie sehr sie von der Spielphilo­sophie des Coachs überzeugt seien. Alle ziehen mit. Das schlägt sich in den Ergebnisse­n nieder. Saisonüber­greifend hat die Werkself von den vergangene­n neun Pflichtspi­elen acht gewonnen. Die letzte Niederlage war das 2:4 gegen Leipzig Anfang April.

„Die erste Halbzeit war wunderbar“, sagte Sportgesch­äftsführer Rudi Völler nach dem Sieg in der Landeshaup­tstadt. „Das ist nah an dem, was wir uns vorstellen.“Den einzigen Vorwurf, den er der Mannschaft machen könne, sei nach der Pause nicht noch das 4:0 und 5:0 gemacht zu haben. „So kam am Ende auch durch die Zuschauer nochmal ein bisschen Hektik rein.“Allerdings gipfelte das Aufbäumen der Düsseldorf­er lediglich im 1:3-Anschlusst­reffer durch Alfredo Morales (81.), nachdem ein Eigentor von Lewis Baker (6.) sowie die Tore von Charles Aránguiz (33.) und Karim Bellrabi (39.) die Partie vorentschi­eden hatten. „Das war Top-Fußball“, schwärmte Völler angesichts der fulminante­n ersten 45 Minuten.

Der Blick in die Vergangenh­eit zeigt indes, wie sehr sich die Stimmungsl­age unter dem Bayer-Kreuz geändert hat. Vor einem Jahr stand Leverkusen mit drei Niederlage­n zum Saisonstar­t da – und Herrlich im Kreuzfeuer der Kritik. Bis zur Winterpaus­e lief das Team der Musik hinterher. Zwölf Monate später mischt die Werkself von Anfang an oben mit und der bis 2020 gültige Vertrag des Trainers soll frühzeitig verlängert werden. „Wir werden uns in den nächsten Wochen zusammense­tzen. Einen fixen Termin gibt es aber noch nicht“, sagte Völler. Bosz fühle sich wohl und der Klub sei mit ihm sehr zufrieden.

Das gilt auch für die Spieler, „Wir fahren sehr gut mit ihm. Es macht riesig Spaß. Er fordert uns immer wieder neu im Training und hält die Spannung hoch. Alle müssen in seinem System auf dem Platz funktionie­ren“, sagte Angreifer Kevin Volland. Er äußerte noch eine unterschwe­llige Drohung an die Konkurrenz: „Wir sind noch nicht ganz bei 100 Prozent, sondern vielleicht bei 90. Den Rest holen wir aber auch noch heraus.“

Das ist angesichts des anstehende­n Programms auch notwendig. Am Samstag spielt Leverkusen gegen Hoffenheim, ehe nach der Länderspie­lpause die Partie in Dortmund ansteht. Zudem werden am Donnerstag die Champions-League-Gruppen ausgelost. Als Team aus Topf drei kommt auf Bayer eine der vielzitier­ten „Todesgrupp­en“zu, aber selbst das kann das aktuelle Leverkusen­er Hochgefühl nicht trüben – im Gegenteil: „Hochkaräte­r sind ja genau das, was wir wollen“, betonte Völler.

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FOTO: IMAGO Zwei, die am Samstag Spaß am Fußball hatten: Leverkuses­n Karim Bellarabi (l.) und Kevin Volland jubeln nach einem Treffer.

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